News: Keinen Blick für die Mutter
Geraldine Dawson und ihre Kollegen vom Autism Center der University of Washington untersuchten, inwieweit Drei- bis Vierjährige die Gesichter ihrer eigenen Mütter erkennen. Dafür zeigten sie sowohl autistischen als auch gesunden und geistig zurückgebliebenen Kindern Bilder der jeweiligen Mutter und von Fremden. Anschließend präsentierten sie ihnen Aufnahmen von bekannten oder ungewohnten Spielsachen. Mit Hilfe eines Elektrodennetzes zeichneten sie währenddessen die Gehirnaktivität der Kleinen auf.
Bei den Spielsachen waren sich die Kinder einig: Sie alle erkannten die ihnen vertrauten Dinge wieder. Die gesunden und geistig zurückgebliebenen Sprösslinge reagierten auch zweifelsfrei auf das Gesicht ihrer Mutter – nicht jedoch die autistischen Kinder. Ihre Mutter, so schien es, war für sie nur ein Gesicht unter vielen.
Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass bei Autismus womöglich diejenigen Schaltkreise im Gehirn nicht richtig funktionieren, die für die Gesichtserkennung zuständig sind, erklärt Dawson. Denn da die Kinder das bekannte Spielzeug erkannten, kann es sich nicht um eine globale Störung handeln. Und weitere Resultate der Arbeitsgruppe zeigten, dass auch autistische Erwachsene auf Gesichter anders als ihre gesunden Mitmenschen reagieren.
Frühere Studien hatten zudem gezeigt, dass schon sechs Monate alte gesunde Säuglinge unterschiedliche Gehirnaktivitäten aufweisen, je nachdem, ob sie ihre Mutter oder einen Fremden betrachten. Viele Forscher gehen davon aus, dass die Gesichtserkennung sogar angeboren ist. Diese Ansicht ist jedoch umstritten. "Wie bei Sprache, so besitzt das Gehirn eine bestimmte Grundfähigkeit, Gesichter zu erkennen. Aber es benötigt auch Erfahrung", erläutert Dawson.
Sie hofft, dass ihre Versuche ein geeignetes Mittel sind, um Autismus möglichst früh sicher diagnostizieren zu können, und will ihre Versuche daher nun auf noch jüngere Kinder ausdehnen. "Heutzutage können wir Autismus bei Kindern ab zwei Jahren sicher feststellen. Bei Babys ist das jedoch schwierig." Meistens würden die Eltern bei ihren Kindern die Störung bemerken, weil diese mit einem Jahr nicht wie andere einzelne Silben oder kurze Wörter nachplappern. Je früher die Krankheit diagnostiziert wird, desto eher können die Kleinen jedoch ganz individuell behandelt und gefördert werden.
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