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Meeresbiologie: Kolossaler Kontakt

Wie können neugierige Forscher etwas über das Treiben von Meerestieren erfahren, die sich vorzugsweise auf Eisschollen oder unter Wasser aufhalten? Mit kleinen Sendern! So hat jetzt auch der Südliche See-Elefant einige seiner Geheimnisse preisgegeben.
<i>Mirounga leonina</i>
Sie sind groß, nicht gerade hübsch und leider stark bedroht: Mit einer Länge von bis zu sechs Metern und einem Gewicht von bis zu dreieinhalb Tonnen stellen See-Elefanten den absoluten Rekord unter den Robben dar. Mit ihrer rüsselartig verlängerten Nase, der die Tiere ihren Namen verdanken, werben die Männchen um die Gunst der See-Elefanten-Damenwelt, legen sich in der Paarungszeit einen zehn bis zwanzigköpfigen Harem zu und ziehen in großen Strandkolonien ihren Nachwuchs auf. Diese Vorliebe wurde den sonst eher einzelgängerisch lebenden Kolossen fast zum Verhängnis: Die Gier nach Tran lockte im 19. Jahrhundert zahlreiche Jäger zu den See-Elefanten-Kolonien – mit entsprechenden Folgen.

Vor allem der an der nordamerikanischen Pazifikküste lebende Nördliche See-Elefant (Mirounga angustirostris) wurde dadurch fast komplett ausgerottet. Seine südliche Schwesterart Mirounga leonina, die sich in Antarktischen Gewässern wohl fühlt, erging es nur wenig besser. Inzwischen haben sich die unter strengen Schutz stehenden Bestände wieder einigermaßen erholt.

Mirounga leonina | Ein kleines, auf den Kopf geklebtes Kästchen – genannt CTD-SRDL (conductivity-temperature-depth satellite relay data logger) – zeichnet das Wanderverhalten des Südlichen See-Elefanten (Mirounga leonina) auf, der weit draußen in den Antarktischen Gewässern nach Fisch und Tintenfisch jagt.
Die See-Elefanten gewähren zwar verhältnismäßig leicht Einblicke in ihre Kinderstube samt elterlichem Schlafgemach am Strand. Doch außerhalb der Paarungszeit treiben sich die erwachsenen Tiere auf offener See herum, wobei sie auch gerne tief unter dem Eis nach Fisch und Tintenfisch jagen. Dieses Esszimmer bleibt neugierigen Forscheraugen zunächst verborgen.

Wie lässt sich nun etwas über die Wander- und Ernährungsgewohnheiten von Tieren herausfinden, die nur schwer direkt beobachtbar sind? Wie bei einem Lkw. Hier verrät ein eingebauter Fahrtenschreiber zurückliegende Geschwindigkeiten und Ruhezeiten. Ähnlich haben Verhaltensforscher schon allen möglichen Meerestieren kleine Kästchen per Klebeband auf den Rücken gepackt, die verschiedenste Parameter wie Schwimmgeschwindigkeit, Tauchtiefe oder Wassertemperatur aufzeichneten. Insbesondere bei Pinguinen hat sich diese Telemetrie bestens bewährt.

Damit ein solcher Fahrtenschreiber seine gesammelten Erkenntnisse auch ausspuckt, musste er mit viel Glück von den Forschern wiedergefunden werden. Inzwischen setzen Biologen jedoch auf moderne Satellitentechnik: Das nur wenige Gramm wiegende Gerät ist mit einem kleinen Sender versehen, der bei günstiger Gelegenheit – wenn das bestückte Tier zum Luftschnappen auftaucht – seine Datenpakete per Satellit ins Forscherlabor funkt und dabei gleichzeitig die exakte Position mitteilt.

Wanderrouten der See-Elefanten | Die Karte zeigt die Wanderung von acht Südlichen See-Elefanten, die Ende Februar 2004 von der Insel Kerguelen Richtung Ost-Antarktis aufbrachen. Dargestellt sind die Tauchprofile sowie die dabei aufgezeichneten Wassertemperatur von minus 1,8 (dunkelblau) bis 7 Grad Celsius (rot).
Solche Sender haben bereits verraten, dass der Nördliche See-Elefant jährlich Strecken bis zu 20 000 Kilometer im Pazifik zurücklegt. Jetzt haben Martin Biuw von der britischen Universität St. Andrews 85 Südliche See-Elefanten entsprechend bestückt. Die CTD-SRDL (conductivity-temperature-depth satellite relay data logger) genannten Kästchen zeichneten Temperatur, Wassertiefe und Salzgehalt während der ausgedehnten Wanderungszüge im Antarktischen Winter auf. Eines funkte sogar 326 Tage lang.

Die Geräte offenbarten, dass die See-Elefanten bei ihrer winterlichen Jagd sich hauptsächlich im Antarktischen Zirkumpolarstrom aufhalten, der weit von der Küste entfernt um den Antarktischen Kontinent strömt. Je weiter sie nach Norden vordringen, desto tiefer tauchen die Tiere, wobei sie sich nachts bis zu 300 Meter, tagsüber auch über 600 Meter tief hinab wagen.

Somit gewährte der Funkkontakt den Forschern zum ersten Mal einen flüchtigen Blick auf eine Spezies, die rund um den Antarktischen Kontinent auf Jagd geht und an der Spitze der dortigen Nahrungskette steht. Mit Hilfe dieser Daten sollten sich die Kolosse nicht nur besser schützen lassen, sie ermöglichen den Polarforschern auch ein besseres Verständnis für das Ökosystem der Antarktis.

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