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News: Kräftig Ausatmen

Tropische Regenwälder, wie im Amazonasbecken, gelten als die Lunge der Erde, die riesige Mengen an Kohlendioxid aufnehmen können. Doch leider atmet diese Lunge das gefürchtete Treibhausgas auch wieder aus - und zwar über die Wasseroberfläche der Flüsse und überfluteten Gebiete. Neue Messungen zeigen, dass diese Kohlendioxidabgabe bisher erheblich unterschätzt wurde.
Er gilt als Fluss der Flüsse. Ein gigantisches Wasserlabyrinth beherrscht das sechs Millionen Quadratkilometer große Amazonasbecken, bei dem mehr als 200 000 Kubikmeter Wasser in jeder Sekunde Richtung Atlantik fließen. In seinem Hauptlauf ist der Amazonas im Durchschnitt "nur" fünf Kilometer breit, doch während der Regenzeit schwillt er auf eine Breite von bis zu 120 Kilometern an. Dann verwandelt sich der größte zusammenhängende tropische Regenwald der Erde in eine gewaltige amphibische Landschaft.

Und dieser stetige Wechsel zwischen Land und Wasser bereitet den Ökologen einiges Kopfzerbrechen. Gilt doch der tropische Regenwald Amazoniens mit seiner riesigen pflanzlichen Biomasse als eine bedeutende globale Kohlendioxidsenke, die das ungeliebte Treibhausgas durch die Photosynthese aus der Atmosphäre entzieht. Doch über die Wasserflächen gibt dieses Ökosystem auch wieder CO2 an die Atmosphäre ab. Wieviel, blieb bisher spekulativ.

Jeffrey Richey von der University of Washington hat sich zusammen mit amerikanischen und brasilianischen Kollegen des Problems angenommen und versucht die Kohlendioxidemissionen im Amazonasbecken abzuschätzen. Dafür pickten sich die Forscher eine 1,77 Millionen Quadratkilometer große Fläche Zentralamazoniens heraus, das den Hauptstrom und die wichtigsten Nebenflüsse des Amazonas mit einschließt. In diesem Areal maßen sie an über 1800 verschiedenen Stellen, wieviel CO2 aus dem Wasser in die Luft übertritt.

Die Ergebnisse überraschten die Forscher: Die überfluteten Wasserflächen setzen etwa acht Tonnen Kohlenstoff pro Hektar und Jahr an die Luft. Auf das gesamte Amazonasbecken hochgerechnet verlassen damit jährlich 470 Millionen Tonnen Kohlenstoff das System. Bisher vermuteten die Wissenschaftler, das meiste CO2 transportiere der Fluss in den Atlantik, doch das Ausgasen über die Wasseroberfläche übertrifft nach den jetzigen Daten diesen Export um das 13-fache.

Wo kommt der Kohlenstoff her? Die Wissenschaftler vermuten, dass 80 Prozent aus den Eintrag durch die Wälder entsteht, nur ein Fünftel stammt aus dem Wasser.

Die "Lunge" des Amazonas-Regenwald atmet damit nicht nur CO2 ein, sondern in erheblichem Maße über seine Wasserflächen auch wieder aus. Auch wenn die Daten der Wissenschaftler noch sehr grob sind, betont Richey: "Die Land-Wasser-Verbindung scheint wesentlich wichtiger zu sein, als man bisher glaubte."

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