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News: Laufen statt Kriechen

Muskeln kontrahieren, Geißeln schlagen, Chromosomen wandern durch die Zelle. Ursache all dieser Bewegungen sind Proteine, wie Actin und Myosin, die über einen ausgeklügelten Mechanismus aneinander vorbeigleiten. Jetzt haben Forscher diesen molekularen Motoren bei der Arbeit zugeschaut.
Myosin V
Das Ganze erinnert etwas an eine römische Galeere: Wie Ruder ragen die Köpfchen des Myosins hervor, verbinden sich mit dem benachbarten Actinfilament, schlagen im Takt nach hinten, schieben dabei das gesamte Molekül nach vorn, lösen sich wieder, bewegen sich zum Ausgangspunkt zurück, und der Takt beginnt von Neuem. Gemäß dieser Gleitfilamenttheorie, die Forscher bereits in den fünfziger Jahren entwickelt haben, beruht die Verkürzung von Muskelfasern auf dem Aneinandervorbeigleiten der beiden faserartigen Proteine Actin und Myosin.

Dieses Prinzip hat die Natur mehrfach verwirklicht. So kontrahieren nicht nur Muskeln, Motorproteine sorgen auch für den rechten Geißelschlag von Einzellern oder Spermien und verteilen die Chromosomen während der Zellteilung.

Dabei existieren unterschiedliche Versionen des Motorproteins Myosin: Während beispielsweise Myosin II in den Muskelfasern zu finden ist, transportiert das kleinere Myosin V verschiedene Substanzen kreuz und quer durch Nervenzellen. "Wie viele andere biomolekulare Motoren ist Myosin V phantastisch", begeistert sich der Biophysiker Paul Selvin von der University of Illinois. "Es ist winzig, aber stark: Es kann das 1000fache seines eigenen Gewichtes transportieren."

Doch wie Myosin V dies vollbringt, darüber stritten sich bisher die Gelehrten. Nach Meinung einiger Forscher kriecht es wie eine Raupe über den Actinstrang – macht also halbe Schritte, bei denen ein Arm des Moleküls immer zur Schrittmitte nachgezogen wird. Andere Forscher, wie Selvin, glauben dagegen, dass sich die beiden Arme des Myosinmoleküls in ganzen Schritten am Actin entlanghangeln.

Ahmet Yildiz aus der Arbeitsgruppe von Selvin hat jetzt zusammen mit anderen eine Methode entwickelt, um diese Frage endgültig zu klären. Es gelang den Forschern, jeweils einen Arm des Myosinmoleküls mit einem fluoreszierenden Farbstoff zu markieren. Dann fotografierten sie über ein Mikroskop ihre Myosinprobe, gaben dem Molekül den Energieträger ATP zu fressen und schossen unmittelbar danach ein erneutes Bild ihrer Probe. Dadurch konnten die Forscher die zurückgelegte Strecke des Myosins exakt vermessen.

Es zeigte sich, dass das Myosinmolekül bei jedem Schritt um genau 74 Nanometer vorwärts kommt. Damit entfällt das Raupenmodell, denn dabei könnte das Molekül immer nur den Abstand zwischen seinen beiden Ärmchen überbrücken – und der beträgt 37 Nanometer. Statt zu kriechen, läuft Myosin vielmehr am Actinfaden entlang, indem jeweils der vorwärts gleitende Arm den fest stehenden überholt.

Ob auch andere Motorproteine diesen Schritt vollbringen, wollen die Forscher nun mit ihrer neuen Methode klären. Forschungsobjekte finden sie genug im Zellinnern, wie Selvin betont: "In der Zelle herrscht reger Verkehr – so wie in einer Stadt, in der Güter ständig hin- und hertransportiert werden."

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