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Lemuren: Tiefer bohrt keiner in der Nase

Das Aye-Aye gilt in Teilen Madagaskar als Unglücksbote und ist auch deshalb selten geworden. Dabei ermöglicht die Lemurenart faszinierende Einblicke.
Aye-Aye
Das Museumsexemplar eines Aye-Ayes lässt die langen Finger gut erkennen.

Das Aye-Aye oder auch Fingertier (Daubentonia madagascariensis) nimmt unter den Lemuren Madagaskars eine besondere Stellung ein: Es ist nachtaktiv, hat ein einzigartiges Gebiss und extrem lange Finger – vor allem der Mittelfinger sticht hervor. Damit zerren die Halbaffen aber nicht nur Maden aus dem Holz von Bäumen: Sie nutzen die Gliedmaßen auch, um extrem tief in der Nase zu bohren. Das zeigt eine Studie von Anne-Claire Fabre von der Universität Bern und ihrem Team.

Die Finger des Aye-Ayes nehmen 65 Prozent der gesamten Handlänge ein und machen 40 Prozent der vorderen Gliedmaße aus. Und große Teile dieses Fingers können sie in ihre Nase schieben, wie Fabre und Co beobachtet und gefilmt haben. Anschließend stellten sie dies mit Museumsexemplaren nach und legten diese in Computertomografen: Damit konnten sie auch enthüllen, in welchem Bereich des Kopfes die Aye-Ayes landen, wenn sie popeln.

Nahezu acht Zentimeter ihres Fingers schieben die Lemuren in die Nasenhöhlung und erreichen damit fast die Rückseite ihres Rachens – ohne dass sie dabei würgen müssen oder andere Körperreaktionen zeigen. Wenn sie den Finger wieder herausziehen, lecken sie ihn ab. Unklar ist, welchen Zweck dies genau hat: Womöglich wollen die Tiere damit ähnlich wie Menschen vertrockneten Schleim entfernen – oder es bereitet ihnen einfach Wohlgefallen. Einige Studien deuten auch an, dass Bakterien der Nasenschleimhaut positive Folgen in der Mundhöhle haben, andere wiederum deuten an, dass damit gefährliche Erreger verbreitet werden könnten.

Aye-Aye | Im CT zeigte sich, wie tief die Aye-Ayes in ihrer Nase vorstoßen können.

Das Team verglich dieses Verhalten anschließend mit anderen Arten, bei denen Nasenbohren nachgewiesen wurde. Wenig überraschend tritt es vor allem bei Tieren auf, die mit ihren Fingern geschickt Objekte greifen und handhaben können. »Wir haben herausgefunden, dass dieses Verhalten eher bei Tierarten auftritt, die über ein hohes Maß an Geschicklichkeit mit ihren Fingern verfügen«, sagt der an der Studie beteiligte Kurator Roberto Portela Miguez vom Natural History Museum. Nichtprimaten verfügen möglicherweise nicht über die gleiche Geschicklichkeit, um in der Nase zu bohren, und so könnte es sich um ein Phänomen handeln, das ausschließlich bei Menschen und eng mit uns verwandten Arten auftritt.

© Natural History Museum
Aye-Aye bohrt in der Nase

Der lange Mittelfinger ist den Aye-Ayes jedoch nicht nur zuträglich. In manchen Regionen Madagaskars gelten sie als Unglücksboten: Ihr langer Finger würde Menschen herauspicken, die bald sterben sollen. Deshalb werden viele Aye-Ayes sofort getötet, wenn sie erblickt werden. In anderen Teilen der Insel gelten sie dagegen als Glücksbringer. Wegen der Bejagung und der starken Abholzung gilt die Art als gefährdet.

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