Forschungsmethoden: Lügen für ein paar Dollar
Es liegt eigentlich auf der Hand: Manche Versuchspersonen geben eine falsche Auskunft, um die Teilnahmebedingungen für eine bezahlte Studie zu erfüllen. Wie viele sich dazu verleiten lassen, hat ein interdisziplinäres Team von der University of Pennsylvania jetzt in einem Experiment untersucht. Ergebnis: Mindestens jeder Zehnte dürfte eigentlich nicht teilnehmen.
Die Medizinethikerin Holly Fernandez Lynch und ihre Kollegen luden in Kooperation mit dem Marktforschungsunternehmen GfK eine zufällig ausgewählte repräsentative Stichprobe von 3800 Erwachsenen in den USA per E-Mail zu einer Umfrage zum Thema Impfungen ein. Den letztlich 2200 Probandinnen und Probanden wurden 5, 10 oder 20 Dollar in Aussicht gestellt, wobei die Kontrollgruppe den Betrag ohne weitere Bedingung versprochen bekam. Eine zweite Gruppe durfte jedoch nur teilnehmen, wenn sie in den vergangenen sechs Monaten eine Grippeimpfung erhalten hatten, und eine dritte Gruppe, wenn das nicht der Fall war.
In der Kontrollgruppe, die keinen Anlass zum Lügen hatte, bejahten 52 Prozent die Frage nach der Grippeimpfung. Entsprechend müssten die anderen beiden Gruppen in etwa dieselbe Impfrate aufweisen, so die Annahme der Forschenden – sofern die gestellte Bedingung keinen Einfluss auf das Antwortverhalten hatte. Doch wie vermutet fanden sie einen Unterschied: War die erfolgte Impfung das Kriterium für die Teilnahme, so behaupteten 62 bis 63 Prozent, eine Impfung bekommen zu haben. Ging es hingegen darum, nicht geimpft worden zu sein, sank die Impfquote je nach Betrag auf 42 bis 47 Prozent. Umgerechnet bedeutet das: War das Geld an eine Bedingung geknüpft, bestätigten mindestens 10 bis 23 Prozent Versuchspersonen fälschlich, dass sie die Bedingung erfüllten.
»Dieses Verhalten untergräbt nicht nur die Integrität einer Studie und ihrer Ergebnisse«, sagt Holly Fernandez Lynch in einer Pressemitteilung. »Die Kriterien sind auch dazu da, Teilnehmende zu schützen«, zum Beispiel in klinischen Studien, die für manchen ein Risiko darstellen könnten. Doch nicht nur darin liegt das Problem: Die »falschen« Probanden können auch bei vergleichsweise harmlosen Umfragen die Ergebnisse verfälschen, etwa indem sie ihre Antworten auf stereotype Vorstellungen an Stelle eigener Erfahrungen stützen.
Ein höheres Honorar zog in dieser Studie zwar nicht mehr falsche Angaben nach sich als ein niedrigeres. Allerdings lag der höchste Betrag hier bei 20 Dollar. »Ein triftiger Grund, solche Forschung auch im klinischen Kontext durchzuführen, wo die Bezahlung und andere Vorteile wie der Zugang zu fortschrittlicher Medizin oft noch gewichtiger sind als in der Umfrageforschung«, schließen die Forschenden. Die vorerst beste Lösung sei, objektive Zugangskriterien zu definieren. Auf Honorare zu verzichten, hält Koautorin Emily Largent für keine gute Idee: »Eine Bezahlung kann die Teilnahmebereitschaft steigern; außerdem verdienen die Teilnehmenden eine Kompensation für ihre Zeit und Mühe.«
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