Optik: Mach dich mal unsichtbar!
Einfach unter die Decke schlüpfen und für niemanden mehr sichtbar sein - wer hat sich das nicht ab und zu schon gewünscht? Was bislang nur Magiern und Sciencefiction-Fieslingen vorbehalten war, machen Muggelforscher nun für jedermensch möglich. Wenn auch nur in der Theorie. Bislang.
Superkräfte, Gedanken lesen, in die Zukunft schauen, fliegen und sich unsichtbar machen – die Liste der kindlichen Wünsche ist kurz, aber anspruchsvoll. Doch was heißt hier "kindliche" Wünsche? Wenn wir ganz ehrlich in uns hineinhorchen, schlummern da in den hinteren Eckchen immer noch die selben Träume. Wäre es nicht schön, wenn...
Zum Glück befinden sich bei manchen Menschen die hinteren Ecken ganz vorne. Und so werden Wünsche wahr – wenn auch nicht immer genau so, wie wir sie uns vorgestellt haben. Immerhin, die Dampfmaschine hat der Menschheit Superkräfte verliehen, das Flugzeug lässt uns seit über 100 Jahren in die Lüfte gehen, Neurowissenschaftler sind auf dem besten Weg, verkabelten Zeitgenossen in die Gedanken zu schauen, und Meteorologen versuchen sich an regnerischen wie sonnigen Vorhersagen. Nur die Sache mit der Unsichtbarkeit, die hakt noch. Dem Tarnumhang von Harry Potter oder den Tarnschilden der Klingonen und Romulaner haben wir gewöhnlichen nichtmagischen Menschen (Muggel) bislang nichts entgegenzusetzen.
Das könnte sich demnächst ändern. Denn seit einigen Jahren gibt es in manchen Laboratorien Dinge, die gibt es gar nicht – zumindest nicht in der Natur. So genannte Metamaterialien haben Eigenschaften, mit denen sich die physikalische Welt auf den Kopf stellen lässt. Dabei handelt es sich um gewöhnliche Substanzen, die in ungewöhnlichen Kombinationen verpackt oder mit ungewöhnlichen Oberflächenstrukturen ausgestattet sind. Sie fühlen sich ganz normal an, riechen ganz normal und reagieren chemisch ebenso normal. Fällt allerdings Licht oder eine andere elektromagnetische Strahlung von passender Wellenlänge auf das Metamaterial, ist Schluss mit der Normalität. Die wechselnden magnetischen und elektrischen Felder der Strahlung wechselwirken mit den Elektronen, die wegen der Strukturierung besonders verteilt sind. Wäre das Licht ein Ruderer, dann hätte es keine einfache Paddeltour mehr über einen ruhigen See vor sich, sondern eine Kanufahrt über ein wellenzerfurchtes Wildwasser. Da wird es schon einmal auf Wege gelenkt, die es in natürlichen Materialien niemals einschlagen würde.
Wo es lang geht an der Grenze zwischen zwei Stoffen, entscheidet Licht anhand der Brechungsindizes. Kommt es aus einem optisch dünneren Medium (mit kleinerem Index) in ein dickeres (mit größerem Index), so knickt es in Richtung auf das Einfallslot ab – was wir beispielsweise an einem Löffel beobachten können, der halb in einem Glas mit Wasser steht. An diesem Effekt lässt sich mit Hilfe von Metamaterialien wunderbar manipulieren. Begnügt sich die Natur mit Brechungsindizes zwischen 1 und etwa 4, so sprengen die Metamaterialien alle Grenzen: Nach oben schaffen sie Indizes von 10, 20 oder noch mehr – und nach unten erreichen sie sogar negative Werte. Sag mir, wohin dein Licht scheinen soll, und ich biege den Strahl mit meiner Wundersubstanz in die gewünschte Richtung.
Genau hier setzen Wissenschaftler an, wenn sie optische Tarnmäntel und -schilde basteln wollen. Ulf Leonhardt von der schottischen Universität St. Andrews [2] und ein Team um John Pendry vom Imperial College London [1] rechnen vor, dass Metamaterialien theoretisch Lichtstrahlen so ablenken könnten, dass sie um ein Objekt herumfließen und hinter ihm genauso weiterlaufen, wie sie vor ihm waren. Schauen wir auf einen so getarnten Gegenstand oder Menschen, sehen wir alles, was sich hinter ihm befindet. Er selbst wäre unsichtbar.
Jedenfalls beinahe. Denn die praktische Umsetzung würde immer noch relativ schwierig sein. Einerseits müsste der Tarnschild nach innen hin optisch immer dicker werden, um Licht einzulassen und in seinem Inneren dann zunächst sanft und schließlich sehr nachdrücklich auf die neue Bahn zu lenken. Das sollte er auch noch mit möglichst vielen Wellenlängen schaffen, damit der getarnte Zauberlehrling nicht als wandelnder Schwarzweiß-Durchgucker herumläuft. Und außerdem darf es nirgends spiegeln und wegen der längeren geometrischen Laufwege für das umgelenkte Licht zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Diese Anforderungen sind schon theoretisch nicht ganz in den Griff zu bekommen: Absolute Unsichtbarkeit ist nicht möglich. Aber man kann sehr, sehr nah an diesen Idealfall herankommen. Der Getarnte könnte optisch so dünn werden, dass er für unsere Augen tatsächlich verschwunden wäre. Rechnerisch zumindest.
Doch noch einen weiteren kleinen Nachteil haben die Tarnschilde und -mäntel für den verborgenen Muggel: Er wäre unter ihnen blind! Da das Metamaterial alles Licht um ihn herum lenkt, gelangt auch keines in seine Augen. Unter dem Mantel ist es darum stockdunkel. Ob eine Tarnvorrichtung, mit der man sich durch die Gänge tasten muss und dabei wertvolle Vasen und klapprige Rüstungen umwirft und am Ende gar dem fiesen Lehrer für Zaubertränke auf den Fuß tritt, wirklich das Richtige für heimliche Nachtwanderungen im Schloss ist, muss jeder kleine Harry für sich selbst entscheiden. So ist das eben, wenn Muggel ohne Zauberei zurechtkommen müssen.
Zum Glück befinden sich bei manchen Menschen die hinteren Ecken ganz vorne. Und so werden Wünsche wahr – wenn auch nicht immer genau so, wie wir sie uns vorgestellt haben. Immerhin, die Dampfmaschine hat der Menschheit Superkräfte verliehen, das Flugzeug lässt uns seit über 100 Jahren in die Lüfte gehen, Neurowissenschaftler sind auf dem besten Weg, verkabelten Zeitgenossen in die Gedanken zu schauen, und Meteorologen versuchen sich an regnerischen wie sonnigen Vorhersagen. Nur die Sache mit der Unsichtbarkeit, die hakt noch. Dem Tarnumhang von Harry Potter oder den Tarnschilden der Klingonen und Romulaner haben wir gewöhnlichen nichtmagischen Menschen (Muggel) bislang nichts entgegenzusetzen.
Das könnte sich demnächst ändern. Denn seit einigen Jahren gibt es in manchen Laboratorien Dinge, die gibt es gar nicht – zumindest nicht in der Natur. So genannte Metamaterialien haben Eigenschaften, mit denen sich die physikalische Welt auf den Kopf stellen lässt. Dabei handelt es sich um gewöhnliche Substanzen, die in ungewöhnlichen Kombinationen verpackt oder mit ungewöhnlichen Oberflächenstrukturen ausgestattet sind. Sie fühlen sich ganz normal an, riechen ganz normal und reagieren chemisch ebenso normal. Fällt allerdings Licht oder eine andere elektromagnetische Strahlung von passender Wellenlänge auf das Metamaterial, ist Schluss mit der Normalität. Die wechselnden magnetischen und elektrischen Felder der Strahlung wechselwirken mit den Elektronen, die wegen der Strukturierung besonders verteilt sind. Wäre das Licht ein Ruderer, dann hätte es keine einfache Paddeltour mehr über einen ruhigen See vor sich, sondern eine Kanufahrt über ein wellenzerfurchtes Wildwasser. Da wird es schon einmal auf Wege gelenkt, die es in natürlichen Materialien niemals einschlagen würde.
Wo es lang geht an der Grenze zwischen zwei Stoffen, entscheidet Licht anhand der Brechungsindizes. Kommt es aus einem optisch dünneren Medium (mit kleinerem Index) in ein dickeres (mit größerem Index), so knickt es in Richtung auf das Einfallslot ab – was wir beispielsweise an einem Löffel beobachten können, der halb in einem Glas mit Wasser steht. An diesem Effekt lässt sich mit Hilfe von Metamaterialien wunderbar manipulieren. Begnügt sich die Natur mit Brechungsindizes zwischen 1 und etwa 4, so sprengen die Metamaterialien alle Grenzen: Nach oben schaffen sie Indizes von 10, 20 oder noch mehr – und nach unten erreichen sie sogar negative Werte. Sag mir, wohin dein Licht scheinen soll, und ich biege den Strahl mit meiner Wundersubstanz in die gewünschte Richtung.
Genau hier setzen Wissenschaftler an, wenn sie optische Tarnmäntel und -schilde basteln wollen. Ulf Leonhardt von der schottischen Universität St. Andrews [2] und ein Team um John Pendry vom Imperial College London [1] rechnen vor, dass Metamaterialien theoretisch Lichtstrahlen so ablenken könnten, dass sie um ein Objekt herumfließen und hinter ihm genauso weiterlaufen, wie sie vor ihm waren. Schauen wir auf einen so getarnten Gegenstand oder Menschen, sehen wir alles, was sich hinter ihm befindet. Er selbst wäre unsichtbar.
Jedenfalls beinahe. Denn die praktische Umsetzung würde immer noch relativ schwierig sein. Einerseits müsste der Tarnschild nach innen hin optisch immer dicker werden, um Licht einzulassen und in seinem Inneren dann zunächst sanft und schließlich sehr nachdrücklich auf die neue Bahn zu lenken. Das sollte er auch noch mit möglichst vielen Wellenlängen schaffen, damit der getarnte Zauberlehrling nicht als wandelnder Schwarzweiß-Durchgucker herumläuft. Und außerdem darf es nirgends spiegeln und wegen der längeren geometrischen Laufwege für das umgelenkte Licht zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Diese Anforderungen sind schon theoretisch nicht ganz in den Griff zu bekommen: Absolute Unsichtbarkeit ist nicht möglich. Aber man kann sehr, sehr nah an diesen Idealfall herankommen. Der Getarnte könnte optisch so dünn werden, dass er für unsere Augen tatsächlich verschwunden wäre. Rechnerisch zumindest.
Doch noch einen weiteren kleinen Nachteil haben die Tarnschilde und -mäntel für den verborgenen Muggel: Er wäre unter ihnen blind! Da das Metamaterial alles Licht um ihn herum lenkt, gelangt auch keines in seine Augen. Unter dem Mantel ist es darum stockdunkel. Ob eine Tarnvorrichtung, mit der man sich durch die Gänge tasten muss und dabei wertvolle Vasen und klapprige Rüstungen umwirft und am Ende gar dem fiesen Lehrer für Zaubertränke auf den Fuß tritt, wirklich das Richtige für heimliche Nachtwanderungen im Schloss ist, muss jeder kleine Harry für sich selbst entscheiden. So ist das eben, wenn Muggel ohne Zauberei zurechtkommen müssen.
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