Medizinische Tests auf Social Media: Influencer verbreiten oft irreführende Informationen

Krebsrisiko, Potenz, Fruchtbarkeit: Wer die Sorge um die eigene Gesundheit gerne selbst in die Hand nimmt, hat womöglich ein offenes Ohr für medizinische Influencer in sozialen Netzwerken. Doch wie verlässlich ist deren Rat, wenn es etwa um den Sinn oder Nutzen von Vorsorgetests geht? Um das herauszufinden, haben australische Forscher fünf Arten von in der Fachwelt eher umstrittenen Screeningtests ausgewählt und einschlägige Empfehlungen dazu auf Tiktok und Instagram analysiert. Was dabei herauskam und nun im Fachjournal »JAMA Network Open« publiziert wurde, ist nicht dazu angetan, das Vertrauen in digitale Gesundheitsinformationen via Kurzvideos und Social Media zu stärken.
Die Fachleute für evidenzbasierte Gesundheitskommunikation um Brooke Nickel von der University of Sydney analysierten insgesamt 982 Social-Media-Posts. Darin ging es um Informationen zu verschiedenen Screeningtests, die in Summe mehr als 194 Millionen Followerinnen und Follower auf Tiktok und Instagram erreichten. Die Wissenschaftler stellten fest, dass die meisten der Influencer-Beiträge jeglichen Bezug auf wissenschaftliche Evidenz vermissen ließen, mögliche Risiken der promoteten Tests ausklammerten und oft eindeutig von finanziellen Interessen geleitet waren.
Zu den in der Studie berücksichtigten diagnostischen Angeboten gehörten Mikrobiom-Selbsttests zur Analyse der Darmflora, Testosteron-Bluttests, präventive Ganzkörper-MRT-Scans, Anti-Müller-Hormon-Tests zur Bestimmung der Anzahl von Eizellen sowie Gentests, die angeblich frühe Anzeichen von mehr als 50 Krebsarten erkennen können. Der Nutzen all dieser Tests bei gesunden Menschen ist Medizinern zufolge jedoch allenfalls in Grenzen belegt. Eine konkrete Befürchtung: Die Eigendiagnostik kann zu Überdiagnosen führen, die möglicherweise unnötige, teils teure Behandlungen oder auch psychische Belastungen nach sich ziehen.
Persönliche Anekdoten statt Evidenz
Konkret wurden in 87 Prozent der analysierten Postings mögliche Vorteile der Tests betont, aber nur in 15 Prozent potenzielle Nachteile oder Risiken erwähnt. Während die Influencerinnen und Influencer in 34 Prozent der Fälle mit persönlichen Anekdoten für einen bestimmten Test warben, bezogen sich lediglich 6 Prozent auf harte wissenschaftliche Evidenz. Ebenfalls nur 6 Prozent thematisierten die Gefahr von Überdiagnosen oder Überbehandlungen. Dagegen wurden in 68 Prozent der Postings finanzielle Interessen an der Verbreitung der Tests offenkundig, etwa durch Verkauf oder Sponsoring.
Die weitere Analyse ergab, dass Beiträge von Ärztinnen und Ärzten sowie von solchen Influencern, die kein finanzielles Eigeninteresse an der Vermarktung der Tests hatten, insgesamt ausgewogener ausfielen.
Die meisten der von Influencern zur Verfügung gestellten Informationen seien selektiv ausgewählt und in hohem Maße irreführend, resümieren die Studienautoren in einer Pressemitteilung. Gerade beim Thema Gesundheit komme es darauf an, stets das ganze Bild zu vermitteln, denn halbe Wahrheiten seien hier oft Lügen.
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