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Meereis: Extremer Eisschwund deutet auf neue Antarktis-Ära hin

Es gibt mehrere mögliche Erklärungen für den ebenso gigantischen wie mysteriösen Eisverlust in der Antarktis. Eine davon: Der Klimawandel übernimmt schließlich doch die Kontrolle.
Nansen-Eisschelf
Wasser statt Meereis vor den gigantischen schwimmenden Gletschern, die die Küsten der Antarktis säumen. Vermutlich drängt warmes Wasser in der Tiefe die saisonale Eisdecke des Südozeans zurück.

Seit Monaten macht ein extremer Rückgang des Eises auf dem Meer rund um die Antarktis Schlagzeilen. Im Februar 2023, dem Höhepunkt der sommerlichen Eisschmelze, gab es so wenig Meereis wie nie zuvor um den Südkontinent. Doch selbst als es wieder kälter wurde, normalisierte sich die Fläche des Eises nicht. Im Gegenteil, die Abweichung erreichte zwischenzeitlich Ausmaße, die unter gewöhnlichen Bedingungen statistisch nur einmal in Millionen Jahren auftreten würden.

Aber die Bedingungen in der Antarktis sind eben auch nicht mehr normal. Zu diesem Schluss kommen die beiden australischen Antarktisforscher Ariaan Purich und Edward W. Doddridge in einer aktuellen Veröffentlichung. Wie die Wissenschaftler im Fachmagazin »Nature Communications Earth & Environment« schreiben, deutet die niedrige Meereisbedeckung darauf hin, dass die Antarktis in einen neuen Zustand übergegangen ist.

Das antarktische Meereis hatte sich lange Zeit unerwartet verhalten. Bis ungefähr 2016 war seine Fläche entgegen dem Erwärmungstrend – und den Vorhersagen von Klimamodellen – sogar etwas gewachsen. Seither aber zeigen die Eisflächen einen drastischen Abwärtstrend. Weder für den ansteigenden Trend bis 2016 noch für den deutlichen Rückgang seither gibt es bisher zufrieden stellende Erklärungen.

In ihrer Arbeit stützen Purich und Doddridge eine der existierenden Hypothesen. Demnach verlieren die bislang bestimmenden atmosphärischen Einflüsse an Bedeutung, stattdessen legt nun das wärmer werdende Ozeanwasser den Trend beim südlichen Meereis fest. Wie viel Fläche das antarktische Meereis jedes Jahr einnimmt, schwankte schon immer stark und hing bisher vor allem vom Zustand der Atmosphäre und der Stärke der Winde rund um den antarktischen Kontinent ab. So begünstigten stärkere Westwinde und eine höhere Druckdifferenz zu den mittleren Breiten eine größere Meereisausdehnung. Schwächere Westwinde, stärkere Schwingungen des Westwindgürtels nach Norden und Süden sowie stärkere Tiefdruckgebiete, die wärmere Luft von Norden heranführten, ließen das Eis zurückweichen.

Das gilt jetzt nicht mehr. Sowohl letztes als auch dieses Jahr waren die Westwinde rund um die Antarktis recht stark. Dennoch lieferten beide Jahre Rekordminima bei der Eisbedeckung. Verantwortlich dafür ist womöglich ein neuer Faktor, den die beiden Fachleute in ihrer Studie identifizierten: ungewöhnlich warmes Meerwasser in Tiefen ab etwa 100 Metern. Dieser Trend zu warmem Wasser unter der Oberfläche begann, so Purich und Doddridge, etwa 2015 – ein Jahr bevor das Meereis der Antarktis dramatisch zurückzugehen begann. Zuvor war diese Wasserschicht zehn Jahre lang ungewöhnlich kühl gewesen – und das Meereis hatte ungewöhnlich große Ausdehnungen erreicht.

Warmes Meerwasser wiederum ist mit hoher Wahrscheinlichkeit eine direkte Konsequenz der globalen Erwärmung. Der größte Teil der zusätzlichen Wärme durch Treibhausgase ist in den Ozeanen gelandet, und die Folgen werden langsam sichtbar. Weltweit sind die Temperaturen an den Meeresoberflächen höher als normal, und eine aktuelle Studie zeigt, dass Hitzewellen im Meer, bisher vor allem an der Oberfläche wahrgenommen, in großen Tiefen sogar heftiger sind. Der neue Zustand des antarktischen Meereises, den die Untersuchung postuliert, ist also einer, in dem der Klimawandel zum entscheidenden Faktor der Meereisausdehnung geworden ist. Sollte das stimmen, wäre das diesjährige Meereisminimum keineswegs der Tiefpunkt, sondern nur der Anfang.

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