Plattentektonik: Mexikobeben brach komplette Erdplatte
Am 8. September 2017 wackelte die Erde an der mexikanischen Pazifikküste: Das Tehuantepec-Beben mit einer Stärke von 8,2 tötete knapp 100 Menschen und verletzte Hunderte. Dennoch ging die Katastrophe relativ glimpflich aus, denn neue Daten zeigen, dass der Erdstoß extrem ungewöhnlich war – auch was den Bebenort selbst anbelangt. Das Erdbeben war so stark, dass es eine der beteiligten Erdplatten an dieser Stelle bis tief ins Erdinnere entzweiriss. Das habe man so zuvor noch nicht beobachtet, schreiben die Wissenschaftler um Diego Melgar von der University of Oregon in Eugene in »Nature Geoscience«. Wäre sein Epizentrum weiter draußen im Pazifik gelegen, hätte es gewaltige Tsunamis auslösen können, so Melgar und Co.
Die betroffene Region vor der Küste der mexikanischen Bundesstaaten Chiapas und Oaxaca wird regelmäßig von Erdbeben heimgesucht, da sich hier die Cocos- unter die Nordamerikanische und Karibische Platte schiebt. Dabei verhakt sich das Gestein immer wieder, wird verbogen und bricht, was die Erde erzittern lässt. Das Tehuantepec-Beben und ein nachfolgendes schweres Erdbeben am 19. September – das Zentralmexiko erschütterte – unterscheiden sich jedoch von diesen typischen Subduktionsbeben an den Rändern der Platten. Beide gelten als so genannte Intraplattenbeben, die innerhalb einer Platte stattfinden. Die Cocos-Platte taucht zwar an der Subduktionszone unter die Nordamerikanische ab und wird dabei nach unten gebogen. Unter dem Festland wechselt dieses aus dichter und schwerer ozeanischer Kruste bestehende Segment jedoch seinen Kurs, denn hier wird es wieder ein Stück nach oben gebogen. Ab diesem Punkt gleitet die Cocos-Platte rund 200 Kilometer horizontal durch die Platte, auf der Mexiko sich befindet, berichten die Forscher in »The Conversation«.
Erst ein kurzes Stück südlich der Hauptstadt Mexico City ändert sie dann wieder ihre Richtung und taucht fast senkrecht in die Tiefe ab – was das Plattenstück mehrfach massiv staucht, quetscht und biegt, bis es neuerlich bricht. Und das sorgt dafür, dass es auch weit entfernt von der Plattengrenze krachen kann. An diesem Punkt unterscheiden sich das Tehuantepec-Beben und sein Nachfolger erneut von klassischen Intraplattenbeben. Wenn das Gestein gekrümmt wird, dehnen sich die äußersten Lagen an diesem Punkt, während die inneren zusammengedrückt werden. Deshalb sollte auch der äußere und nicht der innere Bereich brechen. Doch im September 2017 riss die Cocos-Platte an dieser Stelle bis in eine Tiefe von 80 Kilometern komplett durch. Dort herrschen normalerweise Temperaturen von 1100 Grad Celsius, weshalb Gestein eigentlich relativ plastisch ist – was Brüche ebenfalls verhindern sollte.
Dafür haben Melgar und Co noch keine wirkliche Erklärung. Zwei Ansätze kommen für sie aber in Frage. Zum einen ist die gravitative Kraft, welche die Platte weiter ins Erdinnere zieht, vielleicht so stark, dass sie der Gesteinserweichung entgegenwirkt: Ihr Zug würde dann dafür sorgen, dass selbst weiches Material reißt. Auf der anderen Seite spielt vielleicht auch Meerwasser eine Rolle, das bei der Subduktion tief mit ins Erdinnere eindringt. Es kühlt das Material und reagiert mit diesem, was die Brüchigkeit erhöhen könnte. Das stehe jedoch im Widerspruch zu bisherigen Modellen oder Beobachtungen, wie tief Meerwasser einsickert, schreiben die Wissenschaftler.
Glück im Unglück war wohl, dass das Tehuantepec-Beben im landseitigen Bereich der Verwerfungslinie auftrat. Hätte es weiter seewärts auf der Ozeanseite stattgefunden, wäre es womöglich zu einem verheerenden Tsunami gekommen. Die Forscher vergleichen dieses Szenario mit einem Intraplattenbeben aus dem Jahr 1933 am Japangraben, das Wellen bis zu 20 Meter Höhe ausgelöst haben soll. Im aktuellen Fall vom September 2017 kam es nur zu einem kleinen Tsunami mit Wellenhöhen von 1,75 Metern über dem normalen Flutniveau.
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