Magnetotaktische Bakterien: Minikompass
Einen eigenen Kompass bauen sich bestimmte Mikroorganismen und orientieren sich damit im Erdmagnetfeld. Wie funktioniert dieser bakterielle Minikompass?
Nicht nur Zugvögel, auch vermeintlich "einfache" Bakterien können es: die Orientierung an den magnetischen Feldlinien der Erde. Solche "magnetotaktische" Bakterien sind im Schlamm von Gewässern weit verbreitet. Kettenförmig angeordnete "Magnetosomen" in ihrem Zellinneren erlauben den Mikroorganismen, anhand der irdischen Magnetfeldlinien oben von unten zu unterscheiden und zielsicher jene Wasserschichten anzusteuern, in denen sie optimale Wachstumsbedingungen vorfinden. Diese Magnetosomen bestehen aus winzigen, nur etwa 50 Nanometer großen Kristallen des magnetischen Eisenminerals Magnetit (Fe3O4).
Zur Bildung der Magnetosomen brauchen die Zellen nicht nur große Mengen Eisen, die sie aus der Umgebung aufnehmen, um daraus das spezielle Eisenoxid herzustellen. Vielmehr müssen die Kristalle auch in genau definierter Anzahl, Form und Größe vorliegen, um als Magnetfeldsensor wirken zu können. Für eine optimale Funktion müssen die Magnetosomen-Kristalle zudem noch in einer geraden Kette in der Zelle aufgereiht sein, um ihre magnetischen Momente aufzusummieren. Erst die Kettenstruktur sorgt dann dafür, dass sich die Magnetosomen zusammen wie eine Kompassnadel verhalten, die das Bakterium im relativ schwachen Erdmagnetfeld ausrichtet. Doch wie die Bildung dieser Magnetosomen-Ketten gesteuert wird, war bisher nicht bekannt.
Die Forschergruppe um Dirk Schüler vom Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie in Bremen interessiert sich schon seit längerem für die Magnetosomenbildung im Magnetbakterium Magnetospirillum gryphiswaldense, das die Wissenschaftler im Schlamm eines Greifswalder Flüsschens entdeckt hatten. Erst vor kurzem gelang es den Bremern, jene Abschnitte auf der DNA zu identifizieren, die vermutlich die gesamte Erbinformation für die Bildung und Anordnung der Magnetosomenpartikel tragen. In diesem als "Magnetosomen-Insel" bezeichneten Genomabschnitt liegen mindestens 25 bis 30 verschiedene Magnetosomen-Gene, deren genaue Rolle bisher im Einzelnen noch unbekannt war.
Bei der näheren Untersuchung der Magnetosomen-Insel war den Bremer Forschern ein Gen aufgefallen, dessen Produkt neben anderen Magnetosomen-Proteinen ein Bestandteil jener Membranhülle ist, welche die Magnetit-Kristalle umschließt. Dieses MamJ genannte Protein weist einen ungewöhnlich hohen Anteil an sauren Aminosäuren auf, die in sich wiederholenden Motiven angeordnet sind. Wegen seiner entfernten Ähnlichkeit mit Proteinen, die in anderen Biomineralen – wie Knochen, Zähnen, Otolithen oder Muschelschalen – an der Steuerung der Kristallisation beteiligt sind, vermuteten die Wissenschaftler zunächst, dass MamJ für die Bildung der Magnetit-Kristalle selbst zuständig sei.
Hingegen war die Funktion des Magnetfeldsensors in der Mutante empfindlich gestört: Die Zellen konnten sich nur noch schwach im Magnetfeld ausrichten. Wie sich im Elektronenmikroskop dann herausstellte, bildeten die Magnetosomen-Kristalle in der Mutante – im Unterschied zum genetisch nicht veränderten Bakterium – keine perfekt organisierten linearen Ketten mehr, sondern verklumpten zu unregelmäßig angeordneten Haufen.
Durch genetische Markierung des MamJ-Proteins mit dem fluoreszierenden Molekül GFP (green fluorescent protein) konnten die Wissenschaftler das Protein in der lebenden Bakterienzelle verfolgen: Wie vermutet, fand es sich entlang der Magnetosomen-Kette. Zusätzlich war jedoch unter dem Mikroskop zu erkennen, dass sich MamJ offenbar entlang einer filamentösen Struktur anordnet, die sich fadenförmig durch die gesamte Zelle zieht.
Bei der Aufklärung dieser Struktur konnten Kollegen aus Martinsried weiterhelfen: Dort hat die Arbeitsgruppe von Jürgen Plitzko vom Max-Planck-Institut für Biochemie eine elektronenmikroskopische Methode entwickelt, mit der sich Strukturen innerhalb einer intakten Zelle im schockgefrorenen Zustand (bei minus 196 Grad Celsius) mit einer Auflösung von wenigen Nanometern dreidimensional darstellen lässt. Mit dieser Kryo-Elektronentomografie konnte Manuela Gruska die Magnetit-Kristalle sowie die sie umgebenden Membranvesikel sichtbar machen.
Die Wissenschaftler vermuten, dass das MamJ-Protein einerseits an die Oberfläche der Magnetosomen und andererseits an das neu entdeckte Filament bindet und dadurch für eine enge Verbindung der Magnetosomen-Vesikel mit dem Zellskelett sorgt. Damit zeigt sich erneut, dass auch Bakterien solch komplexe Zellskelettstrukturen besitzen können, die lange nur Eukaryoten, also Organismen mit einem echten Zellkern, zugetraut wurden.
Die genetische Steuerung der bakteriellen Nano-Magnete könnte auch für das Verständnis der Magnetfeldorientierung höherer Organismen bedeutsam sein: So bilden einige Tiere – wie wandernde Lachse oder Tauben – in bestimmten Geweben Ketten von Magnetit-Kristallen, die denen aus Bakterien verblüffend ähneln und möglicherweise ihre Entstehung einem verwandten Mechanismus verdanken.
Zur Bildung der Magnetosomen brauchen die Zellen nicht nur große Mengen Eisen, die sie aus der Umgebung aufnehmen, um daraus das spezielle Eisenoxid herzustellen. Vielmehr müssen die Kristalle auch in genau definierter Anzahl, Form und Größe vorliegen, um als Magnetfeldsensor wirken zu können. Für eine optimale Funktion müssen die Magnetosomen-Kristalle zudem noch in einer geraden Kette in der Zelle aufgereiht sein, um ihre magnetischen Momente aufzusummieren. Erst die Kettenstruktur sorgt dann dafür, dass sich die Magnetosomen zusammen wie eine Kompassnadel verhalten, die das Bakterium im relativ schwachen Erdmagnetfeld ausrichtet. Doch wie die Bildung dieser Magnetosomen-Ketten gesteuert wird, war bisher nicht bekannt.
Die Forschergruppe um Dirk Schüler vom Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie in Bremen interessiert sich schon seit längerem für die Magnetosomenbildung im Magnetbakterium Magnetospirillum gryphiswaldense, das die Wissenschaftler im Schlamm eines Greifswalder Flüsschens entdeckt hatten. Erst vor kurzem gelang es den Bremern, jene Abschnitte auf der DNA zu identifizieren, die vermutlich die gesamte Erbinformation für die Bildung und Anordnung der Magnetosomenpartikel tragen. In diesem als "Magnetosomen-Insel" bezeichneten Genomabschnitt liegen mindestens 25 bis 30 verschiedene Magnetosomen-Gene, deren genaue Rolle bisher im Einzelnen noch unbekannt war.
Bei der näheren Untersuchung der Magnetosomen-Insel war den Bremer Forschern ein Gen aufgefallen, dessen Produkt neben anderen Magnetosomen-Proteinen ein Bestandteil jener Membranhülle ist, welche die Magnetit-Kristalle umschließt. Dieses MamJ genannte Protein weist einen ungewöhnlich hohen Anteil an sauren Aminosäuren auf, die in sich wiederholenden Motiven angeordnet sind. Wegen seiner entfernten Ähnlichkeit mit Proteinen, die in anderen Biomineralen – wie Knochen, Zähnen, Otolithen oder Muschelschalen – an der Steuerung der Kristallisation beteiligt sind, vermuteten die Wissenschaftler zunächst, dass MamJ für die Bildung der Magnetit-Kristalle selbst zuständig sei.
Obwohl Magnetospirillum gryphiswaldense nur schwierig im Labor gezüchtet und manipuliert werden kann, gelang es nun André Scheffel aus Schülers Arbeitsgruppe, das entsprechende Gen aus dem Genom zu entfernen. Auf diese Weise erzeugten die Bremer Mikrobiologen eine Bakterienmutante, in der das MamJ-Protein fehlt. Zur Überraschung der Forscher bildete diese Mutante weiterhin Magnetosomen-Kristalle, die denen im genetisch unveränderten Wildtyp in Form, Größe und Anzahl glichen.
Hingegen war die Funktion des Magnetfeldsensors in der Mutante empfindlich gestört: Die Zellen konnten sich nur noch schwach im Magnetfeld ausrichten. Wie sich im Elektronenmikroskop dann herausstellte, bildeten die Magnetosomen-Kristalle in der Mutante – im Unterschied zum genetisch nicht veränderten Bakterium – keine perfekt organisierten linearen Ketten mehr, sondern verklumpten zu unregelmäßig angeordneten Haufen.
Durch genetische Markierung des MamJ-Proteins mit dem fluoreszierenden Molekül GFP (green fluorescent protein) konnten die Wissenschaftler das Protein in der lebenden Bakterienzelle verfolgen: Wie vermutet, fand es sich entlang der Magnetosomen-Kette. Zusätzlich war jedoch unter dem Mikroskop zu erkennen, dass sich MamJ offenbar entlang einer filamentösen Struktur anordnet, die sich fadenförmig durch die gesamte Zelle zieht.
Bei der Aufklärung dieser Struktur konnten Kollegen aus Martinsried weiterhelfen: Dort hat die Arbeitsgruppe von Jürgen Plitzko vom Max-Planck-Institut für Biochemie eine elektronenmikroskopische Methode entwickelt, mit der sich Strukturen innerhalb einer intakten Zelle im schockgefrorenen Zustand (bei minus 196 Grad Celsius) mit einer Auflösung von wenigen Nanometern dreidimensional darstellen lässt. Mit dieser Kryo-Elektronentomografie konnte Manuela Gruska die Magnetit-Kristalle sowie die sie umgebenden Membranvesikel sichtbar machen.
Dabei machten die Forscher eine erstaunliche Entdeckung: Die Wildtyp-Zellen zeigten eine bisher unbekannte filamentöse Struktur entlang der Magnetosomen-Kette, die einem Zellskelett ähnelte, wie es die Martinsriedern Strukturbiologen bereits von anderen Zellen kannten. Hier also lag der Kern des Rätsels um die Magnetosomen-Kette: Während die Magnetosomen im Wildtyp entlang dieses Filaments wie Perlen auf einer Kette aufgefädelt scheinen, ordnen sich die leeren Magnetosomen-Vesikel in Zellen, denen das MamJ-Protein fehlt, nur ganz verstreut an. Dies erklärt auch, warum die magnetischen Kristalle in der Bakterien-Mutante zusammenklumpen, sobald sie zu einer bestimmten Größe herangewachsen sind.
Die Wissenschaftler vermuten, dass das MamJ-Protein einerseits an die Oberfläche der Magnetosomen und andererseits an das neu entdeckte Filament bindet und dadurch für eine enge Verbindung der Magnetosomen-Vesikel mit dem Zellskelett sorgt. Damit zeigt sich erneut, dass auch Bakterien solch komplexe Zellskelettstrukturen besitzen können, die lange nur Eukaryoten, also Organismen mit einem echten Zellkern, zugetraut wurden.
Die genetische Steuerung der bakteriellen Nano-Magnete könnte auch für das Verständnis der Magnetfeldorientierung höherer Organismen bedeutsam sein: So bilden einige Tiere – wie wandernde Lachse oder Tauben – in bestimmten Geweben Ketten von Magnetit-Kristallen, die denen aus Bakterien verblüffend ähneln und möglicherweise ihre Entstehung einem verwandten Mechanismus verdanken.
© Max-Planck-Gesellschaft/spektrumdirekt
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