Isotopenanreicherung: Mit Laserlicht zur Atombombe?
Eine Atombombe zu bauen, wäre eigentlich nicht sehr schwierig. Das Problem für Hobbybastler ist vielmehr, dass man ganz bestimmte Uranatome braucht, mit exakt drei Neutronen weniger im Kern (das Uran-235) – und die sind nicht einfach zu bekommen. Atome des gleichen Elements mit unterschiedlicher Neutronenzahl, Isotope genannt, lassen sich nur mit großer Mühe voneinander trennen.
Im Fall der Atombombe ist das sogar wünschenswert. Aber potenzielle Bombenbastler sind bei Weitem nicht die Einzigen, die ganz bestimmte und meist seltene Isotope in hoher Reinheit brauchen. Im Gegenteil, in Industrie, Forschung und Medizin gewinnen sowohl stabile als auch radioaktive Isotope immer mehr an Bedeutung – nicht zuletzt dank erheblicher technischer Fortschritte. Die Methoden allerdings, Isotope voneinander zu trennen, haben mit der steigenden Nachfrage nicht Schritt halten können. Das beginnt sich jetzt zu ändern. Aber was Wissenschaftler und Ärzte freut, dürfte den Nuklearwaffenexperten weltweit erhebliche Kopfschmerzen bereiten.
Calutrons: Technik aus dem Zweiten Weltkrieg
Die meisten angereicherten Isotope für nicht kerntechnische Anwendungen stammen aus so genannten Calutrons, entwickelt in den 1940er Jahren. Diese Zyklotrons brauchen immense Energiemengen, um das statische Magnetfeld im Inneren aufrechtzuerhalten – ein Gramm eines Isotops herzustellen kann bis zu einem Terajoule verschlingen, den Energiegehalt von etwa 240 Tonnen TNT. Alternativen gibt es bisher kaum. Beim Uran bewährte Verfahren wie Gasdiffusion trennen sehr ineffektiv und brauchen mehrere nacheinander geschaltete Anreicherungsstufen, um den Anteil des gewünschten Isotops auch nur nennenswert zu erhöhen.
Seit Jahren warnen Experten deswegen vor Knappheit und hohen Preisen, bereits 2005 listete eine Studie allein 20 Isotope auf, die nicht zu akzeptablen Preisen in der nötigen Qualität und Menge zu bekommen seien. Schuld an der Misere sind die veraltete Technik und der enorme Aufwand, der betrieben werden muss, um die nahezu identischen Atomvarianten eines Elements zu trennen: Heutige Trennmethoden nutzen die Massenunterschiede zwischen den Isotopen, und die sind winzig.
Laser steuern Isotopen gezielt an
Paradoxerweise könnte die Lösung für das Problem der geringen Massenunterschiede auf sogar noch subtileren Differenzen basieren. Seit ein paar Jahren nämlich versuchen Wissenschaftler, die feinen Unterschiede zu nutzen, die bei der Absorption von Licht durch verschiedene Isotopen auftreten. Die unterschiedlichen Kernmassen verschieben nämlich auch die Absorptionsbanden um winzige Beträge, ein Effekt, den man mit hochpräzisen Lasern nutzen kann, um nur eine der Atomsorten zu ionisieren – und die geladenen Atome dann abzutrennen. Möglicherweise ist es bald so weit – dank einer neuen Technik namens MAGIS (magnetically activated and guided isotope separation), entwickelt von einem Team um Mark Raizen von der University of Texas.[1]
Die Idee, verschiedene Isotope eines Elements mit Laserlicht selektiv anzuregen, ist nicht neu – bereits bekannte Verfahren wie AVLIS (Atomic vapor laser isotope separation) und das darauf basierende SILEX (Separation of isotopes by laser excitation) nutzen Unterschiede in der Hyperfeinstruktur bestimmter Absorptionslinien, um Isotopen separat anzuregen und zu ionisieren. Allerdings erfordern diese Verfahren mehrere sehr energiereiche Laser, um einem hinreichend hohen Anteil der Zielatome die Elektronen zu entreißen, und sind bisher nur mäßig effektiv. Trotzdem sind die Details des SILEX-Verfahrens – obschon von Privathand entwickelt – auf Anweisung der US-Regierung unter Verschluss.
Energie sparen mit der Laserpumpe
Die Methode von Raizen und seinen Kollegen dagegen ist subtiler: Statt mit erheblichem Energieaufwand die Elektronen komplett von den Atomen zu trennen, verändert die Laseranregung lediglich die Magnetquantenzahl der Atome – diese beschreibt die Orientierung des Bahndrehimpulses eines Elektrons. Den Prozess bezeichnet man als optisches Pumpen, denn die absorbierten Photonen "pumpen" die Magnetquantenzahl über mehrere Anregungsschritte auf den maximalen oder minimalen Wert. Am Ende fällt das Elektron wieder in seinen Grundzustand zurück, seine Magnetquantenzahl jedoch ist nun maximal. Mit positiven Magnetquantenzahlen bewegt sich das Atom aus den Magnetfeldern heraus, mit negativen Werten wandert es in ein Feld hinein.
Mit diesem Prinzip im Rücken kann man einen Apparat konstruieren, der bestimmte Isotope anreichert. Im Normalzustand sind die Magnetquantenzahlen der Atome statistisch verteilt. Pumpt man das unerwünschte Isotop mit dem Laser, kann man alle Atome dieses Typs gezielt in ein Magnetfeld hinein- oder aus ihm herauslenken. Auch die Hälfte des erwünschten Isotops geht auf diese Weise verloren, weil die Quantenzahl das gleiche Vorzeichen hat. Die andere Hälfte jedoch lässt sich in hochreiner Form abtrennen. Am Beispiel von Lithium-7 demonstrierten Raizen und sein Team im Juni dieses Jahres, dass sich das seltene Isotop in einem Durchlauf auf über 99 Prozent anreichern lässt.[2]
Angereichertes Uran für alle?
Das ist sogar noch einfacher als das SILEX-Verfahren, das derzeit im Begriff ist, kommerziell umgesetzt zu werden. Die entsprechende Fabrik, die das Unternehmen GE Hitachi Nuclear Energy derzeit in Wilmington in den USA errichtet, könnte deswegen schon bald veraltet sein: Dass die MAGIS-Methode im Prinzip funktioniert, haben die Forscher jedenfalls bereits im Juni in einer Veröffentlichung anhand von Lithium-7 gezeigt – das Element kühlt in der Kerntechnik Reaktoren, und Experten rechnen damit, dass neue Reaktortypen die Nachfrage steigen lassen werden. Zusätzlich listen die Autoren 129 weitere Isotope von 27 Elementen auf, die sich mit dieser Methode gewinnen lassen – es sei einfach nur eine Frage der richtigen Laserwellenlänge.
Sollte eine solche Strategie funktionieren, wäre das ein Wendepunkt – allerdings nicht nur im erwünschten Sinn. Zwar könnten weltweit Isotopennutzer aus so verschiedenen Gebieten wie Materialprüfung und medizinischer Forschung auf sinkende Kosten und bessere Verfügbarkeit hoffen. Stattdessen machen sich Atomwaffenexperten Sorgen. Denn die extrem schwierige Anreicherung des nötigen spaltbaren Materials ist nicht nur die wichtigste Hürde auf dem Weg zum Bombenbau, sondern auch bisher – wegen der enormen Ausmaße der nötigen Gaszentrifugen – Ansatzpunkt aller zwischenstaatlicher Kontrollen, die die Verbreitung dieser Waffen verhindern sollen. Laserbasierte Verfahren wären möglicherweise, so die Befürchtung, einfacher, schneller und viel schwerer zu entdecken.
Raizen und seine Kollegen betonen zwar, dass Uran und andere schwere Elemente schon von ihrer elektronischen Struktur her viel zu komplex sind, um das MAGIS-Verfahren auf sie anzuwenden. Daran etwas zu ändern allerdings scheint nur eine Frage des technischen Fortschritts zu sein. Das ebenfalls laserbasierte SILEX-Verfahren soll in Wilmington jedenfalls angereichertes Uran produzieren.
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