Insektenstiche: Mücken lieben mich
Ein lauer Sommerabend, das Lagerfeuer brennt – so kann man es sich zum Sternegucken am See gemütlich machen. Wäre da nicht plötzlich das bedrohliche Sirren einer Mücke direkt neben dem Ohr. Am nächsten Morgen finden sich dutzende juckende Stiche am ganzen Körper. Und dann ist da oft diese eine Person, die grinsend verkündet: »Also, ich habe nichts. Ich werde eh fast nie gestochen!« Tatsächlich scheint es Menschen zu geben, die viel weniger von Mücken gepiesackt werden als andere. Aber wie wählen die kleinen Tierchen ihre Futterstellen eigentlich aus?
Wie Mücken ihre Blutmahlzeit finden
Einiges hat die Forschung darüber bereits herausgefunden. Eine große Rolle spielt Kohlenstoffdioxid (CO2). Wir – und andere lohnende Mückenmahlzeiten wie Kühe oder Vögel – atmen es aus, so dass es sich recht weit in der Luft verteilt. CO2 ist somit der erste, entscheidende Hinweis für Mücken, dass sie sich in der Nähe eines potenziellen Wirts befinden. »Sie können das Gas mit Hilfe spezieller Geruchsrezeptoren erkennen«, erklärt Annika Hinze. Die Biologin untersucht an der Swedish University of Agricultural Sciences in Uppsala wie sich Mücken orientieren, um einen Wirt auszumachen (siehe »Können Mücken riechen?«).
Demnach wird eine ruhende Mücke vornehmlich durch den Geruch von CO2 zum Suchen animiert: Sie fliegt dann entgegen dem Luftstrom und entlang des CO2-Gradienten auf ihr Ziel zu. In einer Distanz von weniger als einem Meter schweben die Insekten dann so lange, bis sie den attraktivsten Landeplatz gefunden haben. In dieser Nähe kommen die Körpertemperatur und Schweiß des Wirts als Orientierungshilfe hinzu. Der Körpergeruch entsteht dabei durch Bakterien, die auf der Haut leben und verschiedene ausgeschwitzte Metabolite in Duftstoffe umwandeln. Entsprechend hat jede Person einen unterschiedlichen Geruch, je nachdem wie sich das individuelle Hautmikrobiom zusammensetzt. »In der letzten Phase kurz vor der Landung kommen die großen Duftmoleküle direkt über und auf der Haut dazu, ebenso beeinflussen die Hauttemperatur und geschmackliche Stoffe, wo die Mücke landet«, sagt Annika Hinze. Die Tierchen nehmen ihren Wirt also immer deutlicher wahr, je näher sie kommen: Vom ersten Anreiz, dem CO2, über kleinere, sich weit verbreitende Duftstoffe zu größeren Duftmolekülen bis zu solchen, die direkt auf der Haut sitzen und die sie bei der Landung über Geschmacksrezeptoren an den Beinen »schmecken«.
Können Mücken riechen?
Mücken haben hoch entwickelte Sinnesorgane, mit denen sie Duftstoffe aus ihrer Umgebung wahrnehmen können. Ihre Antennen und maxillaren Palpen sind mit vielen Geruchsrezeptoren ausgestattet, die winzige Duftmoleküle erfassen und an das Gehirn weiterleiten. Kohlendioxid ist ein erstes, wichtiges Signal für die Anwesenheit potenzieller Wirte und lockt ruhende Mücken sogar aus einer Entfernung von bis zu 50 Metern an. Neben dem Geruchssinn reagieren Mücken auch auf andere Reize wie Wärme, die ihnen hilft, geeignete Stellen für einen Stich zu finden. Dank dieser ausgeklügelten Sinneswahrnehmung sind Mücken äußerst effiziente Jäger.
Was Mücken lockt
Bei den Duftstoffen gibt es Hinweise darauf, welche davon auf unterschiedliche Mückenarten attraktiv oder eher abstoßend wirken. Die Zusammenhänge sind jedoch komplex. Denn der Geruch eines jeden Menschen setzt sich aus vielen unterschiedlichen Duftstoffen zusammen, und nicht alle davon können die Insekten wahrnehmen. Gesichert ist, dass unter anderem der Geruchsstoff 1-Octen-3-ol (kurz: Octenol) Menschen für manche Mückenarten attraktiv macht. Octenol ist ein in der Natur weit verbreitetes Stoffwechselprodukt, das süß und erdig riecht. Doch nicht jede Person, die häufig gestochen wird, weist diesen Duftstoff auf. Demnach muss es weitere Geruchsstoffe geben, die Menschen zu Mückenmagneten machen. Laborversuche legen nahe, dass dazu auch Milch- und Karbonsäure gehören. In welchen Kombinationen verschiedene Duftstoffe im wahren Leben besonders attraktiv sind und wie stark sich verschiedene Mückenarten in ihren Präferenzen unterscheiden, ist aber noch unklar.
Auch weitere individuelle Faktoren oder Verhaltensweisen spielen eine Rolle bei der Wahl, sagt Renke Lühken vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin. »Man wird beispielsweise öfter gestochen, wenn man mehr schwitzt als andere«, sagt der Leiter die Arbeitsgruppe »Arbovirus Ecology«, der sich schon lange damit beschäftigt, wie sich Moskitos, Zecken und andere stechende Tiere verbreiten und welche Krankheiten sie übertragen. Auch wer durch harte körperliche Arbeit oder Sport im Freien mehr CO2 ausatmet, werde für Mücken attraktiver – oder jemand, der Bier getrunken hat.
»Mücken können zwar recht schlecht sehen, aber gerade bei tagaktiven Arten spielen Farben eine Rolle«Annika Hinze, Biologin
Und die Vorlieben von Mücken können sich sogar je nach Jahreszeit und Umgebungstemperatur ändern. Der Grund: Die Antennen der Tierchen funktionieren bei bestimmten Temperaturen besonders gut, wie eine Studie des Verhaltens- und Neurobiologen Jeffrey A. Riffell zeigt. Demnach arbeiten die Antennen von Gelbfiebermücken etwa bei 25 Grad Celsius optimal. Bei höheren Temperaturen (30 im Vergleich zu 20 Grad Celsius) sind die Tiere generell aktiver und reagieren stärker auf CO2 und für sie leckere Düfte wie Milchsäure und Octenol. Sie fanden dann aber Duftstoffe wie das Mückenspray DEET auch besonders abstoßend.
Hinzu kommen noch die visuellen Eindrücke: »Mücken können zwar recht schlecht sehen, aber gerade bei tagaktiven Arten spielen Farben eine Rolle«, erklärt Annika Hinze. Studien legen dabei nahe, dass die Farbpräferenz je nach Mückenart verschieden sein kann: So bevorzugt die Gelbfiebermücke (Aedes aegypti) offenbar Türkis und Orange, die Südliche Hausmücke (Culex quinquefasciatus) Blau und der Malariaüberträger Anopheles stephensi Schwarz. Eine Farbe aber mögen alle drei gern: Rot.
Mit Mücken im Labor
Bei den Studien rund um die Zielfindung fallen allerdings zwei Dinge auf: Erstens ist die Rede praktisch immer von Arten, die für den Menschen relevant sind. Die Gelbfiebermücke etwa hat sich ganz besonders auf uns spezialisiert und nascht nur von anderen Spezies, wenn kein Mensch in der Nähe ist. Es gibt jedoch mehr als 3500 Mückenarten auf der Welt. Manche von ihnen saugen gar kein Blut, andere interessieren sich ausschließlich für Reptilien oder Vögel. Die Forschung betrachtet also nur einen winzigen Bruchteil dieser biologischen Fülle.
Und zweitens konzentrieren sich darüber hinaus die wissenschaftlichen Untersuchungen auf einige wenige Arten krankheitsübertragender Mücken. Das ist natürlich klinisch sinnvoll. Denn solange die Tiere keine Krankheiten im Gepäck haben, sind die Stiche zwar lästig, lassen sich aber notfalls aushalten. Doch es gibt noch weitere praktische Gründe, warum man noch recht wenig über die in Deutschland heimischen Feld-Wald-und-Wiesen-Mücken weiß, erklärt Renke Lühken: »Um einzelne Faktoren genau zu untersuchen, brauchen wir in der Regel Analysen im Labor.«
Dabei bieten die Forscherinnen und Forscher den Mücken beispielsweise in einer Versuchsarena Ziele mit unterschiedlichen Gerüchen an, mit oder ohne CO2, bei verschiedenen Temperaturen. Oder die Tiere können, wie in der Analyse von Jeffrey Riffell, in einem Y-Labyrinth zwischen zwei Armen mit jeweils einem Geruch wählen. Aber die Tests haben ihre Grenzen: »Es gibt leider nur sehr wenige Mückenarten, die sich gut in einer Laborkolonie halten lassen«, sagt Renke Lühken. Dazu gehörten die Gelbfiebermücke und einige Anopheles-Untergruppen. Bei den einheimischen Stechmücken gebe es dagegen so gut wie keine Art, bei der das funktioniere. »Die meisten von ihnen benötigen sehr spezielle Schwarmbedingungen, um sich zu vermehren.« Auch bestimmte Lebensbedingungen wie einen nahe am Wasser gelegenen Baum seien im Labor schwer zu simulieren. »Außerdem müssen wir den Tieren erwärmtes Blut als Mahlzeit anbieten«, erklärt Lühken. Dafür wird das Blut in einer Art Wasserbad auf die richtige Temperatur gebracht und die Mücken können über eine siebartige Membran davon trinken – wenn sie denn nur wollen: »Viele Arten gehen da gar nicht dran. Das ist ein Problem, schließlich können wir ihnen ja nicht ständig unsere eigenen Arme anbieten«, sagt er schmunzelnd.
»Wir haben in Deutschland eher opportunistische Mücken, die gar nicht auf den Menschen spezialisiert sind«Annika Hinze, Biologin
So lässt sich schwer bestimmen, welche menschlichen Düfte die heimischen Mücken bevorzugen. Möglicherweise sei das aber auch gar nicht so wichtig, sagt Annika Hinze: »Wir haben in Deutschland eher opportunistische Mücken, die gar nicht auf den Menschen spezialisiert sind.« Sie nehmen womöglich einfach, was sie bekommen können. Zudem sei so eine Präferenz zwischen zwei oder mehreren Personen immer relativ: »Wenn ich mit meiner Schwester durch den Wald gehe, bekomme ich alle Stiche ab«, so Annika Hinze. »Bin ich aber mit einer Freundin unterwegs, zieht sie die Mücken viel mehr an als ich.« Und sei man das einzige Ziel weit und breit, wären die Tiere sicher nicht allzu wählerisch.
Neue Plagegeister: Busch-, Gelbfieber- und Tigermücken
Doch wie sieht es mit den eher exotischen Verwandten aus? Sie werden bei uns immer relevanter, da sich invasive Stechmücken, begünstigt durch den Klimawandel, nach und nach ausbreiten. »Bisher spielen vier Arten in Europa eine Rolle, die wichtigste davon ist die Asiatische Tigermücke«, sagt Renke Lühken. Die seit 2015 in Deutschland etablierte Art gilt als besonders aggressiv und sticht im Gegensatz zu den ursprünglich heimischen Mücken auch gerne tagsüber. Problematisch ist sie aber nicht nur deshalb: Sie überträgt verschiedene Krankheitserreger wie etwa das Dengue- und das Chikungunya-Virus. Bisher ist in Deutschland allerdings das Risiko, durch einen Tigermückenstich schwer zu erkranken, verschwindend gering. Da die Viren hier zu Lande nicht verbreitet sind, besteht nur dann Gefahr, wenn Infizierte aus endemischen Regionen einreisen und von den Mücken gestochen werden.
Außerdem sind laut Lühken mittlerweile zwei Arten bei uns heimisch, die – nach derzeitigem Kenntnisstand – zwar gerne Menschen stechen, aber keine Krankheitsüberträger sind: die Asiatische Buschmücke sowie die Koreanische Buschmücke. »Und zuletzt die Gelbfiebermücke, bei der wir allerdings in Europa bisher nur kleinere Populationen sehen.« Klimaprojektionen zeigten jedoch, dass sich auch diese Art in den nächsten 30 bis 40 Jahren massiv ausbreiten kann. Das birgt eine große Gefahr: »Die Gelbfiebermücke ist ein extrem guter Vektor für tropische Viren.« Für die kommenden Jahrzehnte rechnet Lühken mit einer deutlichen Zunahme von Krankheitsausbrüchen durch die wachsenden Stechmückenpopulationen.
»In Deutschland fehlen jegliche Strukturen für solche flächendeckenden Beobachtungen und Maßnahmen«Renke Lühken, Ökologe
Umso wichtiger wird in Zukunft der Schutz vor den Stichen. Dabei können wir uns keinesfalls darauf verlassen, dass wir den Tierchen einfach nicht schmecken. Renke Lühken findet besonders eine systematische Mückenbekämpfung unumgänglich: »So etwas gibt es beispielsweise in Italien und Griechenland, wo sich bereits öfter Menschen über Mückenstiche mit Viren angesteckt haben.« So kam es etwa in Rom und anderen Regionen Italiens 2017 zu einer Epidemie mit dem Chikungunya-Fieber. Deshalb wird dort und in Griechenland die Ausbreitung der Tigermücke mit Hilfe von Eiablagefallen regelmäßig dokumentiert, damit gezielte Schritte möglichst schon in der Zeit vor dem Schlüpfen eingeleitet werden können. »Doch in Deutschland fehlen jegliche Strukturen für solche flächendeckenden Beobachtungen und Maßnahmen.«
Wie kann ich mich vor Mückenstichen schützen?
Es gibt einige Dinge, die jede Person selbst tun kann. Und dazu gehört, zu verhindern, dass sich Mücken überhaupt vermehren können. Die Umweltstiftung WWF Deutschland empfiehlt, alle potenziellen Brutstätten im eigenen Umfeld so gut es geht zu beseitigen. Pfützen, Wasserschalen, Gießkannen oder ähnliche nasse Plätze sind eine Einladung an die Mücken, dort ihre Eier abzulegen. Indem man das Wasser entfernt, Gefäße umdreht oder abdeckt und beispielsweise Netze über Regentonnen legt, kann man die Ausbreitung der Mücken rund ums eigene Zuhause eindämmen.
Sich selbst kann man durch geeignete Kleidung schützen, rät das Auswärtige Amt – auch mit Blick auf Reisen in Risikogebiete. Das heißt: helle Hosen und Oberteile, die möglichst viel Haut bedecken. Eine Garantie gegen Stiche sei das aber nicht. In Regionen mit gefährlichen Krankheitsüberträgern können zudem stichfeste oder imprägnierte Kleidung sowie Netze nötig sein.
»Außerdem hilft der Wirkstoff DEET in Mückensprays wirklich gut«, sagt Annika Hinze. »Dabei landen die Mücken oft trotzdem noch auf der Haut, aber nach der Landung schmecken sie mit Rezeptoren an den Füßen den Wirkstoff, finden ihn ganz furchtbar und stechen nicht zu.« DEET gilt als der Goldstandard unter den Mückenabwehrstoffen und wird ebenfalls vom Auswärtigen Amt empfohlen.
Der Biologe und Moskitoexperte Clément Vinauger von der Virginia Tech untersuchte zudem 2023 mit seinem Team, ob Seife die Zielfindung der Mücken beeinflussen könnte. Dazu nahmen sie in einer »Proof of Concept«-Studie Geruchsproben von Menschen vor und nach dem Waschen mit verschiedenen Seifen. Und tatsächlich: Die Mücken veränderten je nach Geruchszusammensetzung ihr Verhalten. Allerdings waren manche Seifen für sie sogar eher anziehend, während sie andere gar nicht mochten und mieden. Vinauger und Kollegen schlagen deshalb vor, ihre ersten Erkenntnisse zu nutzen und zu rekonstruieren, welche Komponenten von bestimmten Seifen sich besonders zur Mückenabwehr eignen. Eine große Einschränkung betonen sie jedoch selbst: CO2 hatten sie bei ihrer Studie nicht berücksichtigt, obwohl es ein wichtiger Faktor der Zielfindung von Mücken ist. Möglicherweise sieht das Verhalten der Tiere unter realen Bedingungen also wieder ganz anders aus. In jedem Fall ist es unwahrscheinlich, dass eine Seife in ihrer Effektivität an DEET herankommt.
Annika Hinze weist zudem auf einen weiteren wichtigen Faktor hin: Wenn man das Gefühl hat, selten gestochen zu werden, kann das auch andere Gründe haben. »Manche Menschen reagieren auf Mückenstiche nicht so stark und bemerken sie deshalb weniger als diejenigen, die stark juckende Schwellungen bekommen.« Das ist natürlich für die weniger Anfälligen schön – hängt aber oft sehr von der Mückenart ab. Und gerade bei Reisen in ein Risikogebiet sollte man sich keinesfalls in falscher Sicherheit wiegen, weil man »ja eh fast nie gestochen wird«.
Warum saugen Mücken Blut?
Männliche Mücken ernähren sich hauptsächlich von Nektar und anderen pflanzlichen Säften, da sie keine zusätzlichen Nährstoffe für die Fortpflanzung benötigen. Weibliche Mücken hingegen sind auf Blutmahlzeiten angewiesen, da Blut eine reichhaltige Quelle für Eisen und Proteine ist, die für die Reifung von Eiern unerlässlich sind. Weibliche Mücken verwenden spezielle Mundwerkzeuge, um die Haut von Wirbeltieren zu durchdringen und das Blut aufzusaugen, während sie gleichzeitig ein Sekret injizieren, das die Blutgerinnung verhindert. Sie können dabei das Dreifache ihres Körpergewichts in Form von Blut aufnehmen.
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