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News: Nachschub für die Leber

Stammzellen sind die Multitalente unseres Körpers. Wie Forscher kürzlich herausfanden, besitzen sie die Fähigkeit, sich zu völlig unterschiedlichen Geweben, wie beispielsweise Nerven- oder Herzzellen zu differenzieren. Damit werden sie ein wichtiges Werkzeug der Medizin, da sie sich in Kulturen vermehren und und wieder in den eigenen Körper einbringen lassen - ohne der späteren Gefahr von Abstoßungsreaktionen. Wie Wissenschaftler nun berichten, differenzierten sich Stammzellen aus dem Knochenmark von Menschen sogar zu Leberzellen. Hieraus ergeben sich neue Möglichkeiten zum Heilen von Leberkrankheiten - von Eigen-Transplantaten bis hin zur Gentherapie.
Die Leber ist nicht nur das wichtigste Organ zur Entgiftung unseres Körpers, sie verarbeitet außerdem unter anderem Fette aus der Nahrung, speichert Zucker in Form von Gykogen, baut körperfremde Eiweiße ab und zu körpereigenen Proteinen wieder auf. Wenn andere Organe wie beispielsweise der Milz ausfallen, kann sie deren Funktionen sogar teilweise oder ganz übernehmen. Die Leber beeinflusst damit lebensnotwendige Prozesse in unserem Körper – umso schlimmer wirkt sich deshalb ein Versagen auf die Gesundheit aus. Forscher suchen aus diesem Grund nach Möglichkeiten, Leberschäden zu therapieren. In den letzten Jahren entdeckten sie, dass sich bei Mäusen Stammzellen aus dem Knochenmark zu Lebergewebe entwickelten. Ob sich jedoch auch beim Menschen Stammzellen zu Leberzellen differenzieren können, wird seit Jahrzehnten diskutiert. Wie vielseitig sich Stammzellen jedoch verhalten, verblüffte die Wissenschaftler immer wieder von Neuem.

Neil Theise von der New York University School of Medizine und sein Team sezten nun mit einem einfachen Denkansatz der langjährigen Diskussion ein Ende: Da beim Menschen Zellen von Männern im Gegensatz zu denen von Frauen mit einem Y-Chromosom ausgestattet sind und sich dieses durch einen fluoreszierenden Farbstoff anfärben lässt, sind Zellen männlicher Herkunft in weiblichen Geweben leicht nachweisbar. Die Forscher untersuchten daraufhin Leberzellen von Frauen, die Knochenmark-Transplantate – und damit Stammzellen – von männlichen Spendern erhalten hatten. In 5 bis 20 Prozent der Leber- und Gallengangzellen fanden sie Farbreaktionen, die für Y-Chromosomen typisch sind (Hepatology vom Juli 2000). "Da Frauen lediglich X-Chromosomen besitzen, können die Zellen mit Y-Chromosomen nur von ihren männlichen Knochenmarkspendern stammen", meint Theise.

In einem weiteren Schritt untersuchten sie vier männliche Patienten, denen Lebertransplantate von Frauen eingesetzt wurden. Auch diese Transplantate wiesen Zellen mit Y-Chromosomen auf – "sehr wahrscheinlich aus dem Knochenmark", meint Theise, "wenn man an unsere Befunde bei den zuvor untersuchten Frauen denkt".

Theise bemerkt, dass seine Entdeckung die Möglichkeit eröffnet, aus körpereigenen Stammzellen eines Patienten ein Eigen-Transplantat zu gewinnen. Dies hätte den Vorteil, dass weder Probleme mit der Verknappung von Spenderorganen, noch durch Abstoßungsreaktion gegenüber Fremd-Transplantaten auftreten. "Wenn wir herausfinden, wie die Stammzellen der zukünftigen Leberzellen aussehen, so könnten wir einfach einige davon aus dem Blut des Patienten extrahieren, in einer Kultur vermehren und anschließend wieder injizieren", meint er. Künstliche Lebern, die Gallensaft produzieren, benötigen lebende Komponenten, um das beschädigte Organ vollständig zu ersetzen, erklärt der Pathologe. Da Stammzellen sich noch nicht differenziert haben, sollten sie sich nach seiner Ansicht in Kulturen viel leichter vermehren und könnten so für diesen Zweck eingesetzt werden. Schließlich, so meint er, würden sich die Stammzellen ausgezeichnet für Gen-Therapien eignen, um vererbte Leberkrankheiten dauerhaft zu heilen.

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