Medizin: Neubau oder Total-Sanierung
Bei schwer Lungenkranken hilft eine Transplantation nur kurzfristig; obendrein fehlen Spenderorgane. Ersatzlungen sollen daher aus eigenem Gewebe neu gebaut werden. Unterdessen könnten Bio-Bausteine helfen, die Lungenaufgaben erst einmal besser zu verstehen.
Am Ende hilft nur noch eine Transplantation: Allein in Deutschland erhalten jährlich oft weit mehr als Hunderte Patienten, die im letzten Stadium einer schweren Lungenerkrankung vor dem Tod stehen, eine neue Spenderlunge. Ein knappes Viertel von ihnen überlebt – trotz des fremden Austauschorgans, auf das sie manchmal zwölf Monate warten mussten – kein weiteres Jahr, bevor sie wieder eine neue Ersatz-Ersatzlunge benötigen. Bei allem medizinischen Fortschritt in der Operationstechnik und immer wirksameren Immunsystem unterdrückenden Medikamenten gegen die Abstoßungsreaktion: Eine Lungentransplantation bleibt ein sehr kostspieliges und kurzfristiges letztes Mittel zur Rettung todgeweihter Patienten. Und sie bleibt abhängig von der raren Verfügbarkeit passender Spenderorgane.
Das alles soll sich ändern: mit neuen Varianten "echter" künstlicher Lungen – Organen also, die nicht, wie die seit Jahrzehnten etablierten Lungenmaschine zur künstlichen Beatmung, nur intensivstationär als kastenartiges Gerät neben dem Krankenbett arbeiten, sondern wie ein Kunstherz das ausgefallene Organ im Körper tatsächlich ersetzen. Diese medizinische Vision einer implantierbaren Kunstlunge existiert seit vielen Jahrzehnten, konnte aber nicht einfach umgesetzt werden. Lungen, so stellte sich heraus, sind deutlich komplexere, noch schwerer nachzubauende Organe als zum Beispiel Herzen, die seit langem auch als technischer Nachbau implantiert werden.
Das Problem beim Ersatz einer Lunge hängt nicht nur an den kleinteiligen Details der Alveolarbläschen und Versorgungskanäle mit ihren, beim Durchschnittsmenschen, rund 70 Quadratmetern Oberfläche sowie dem ganzen biochemischen Mechanismus, der den aufwändigen Gasaustausch erlaubt. Tatsächlich können derzeit nicht einmal die notwendigen mechanischen Eigenschaften der Lunge befriedigend nachgeahmt werden, die ihr erlauben, sich verschleißfrei über Jahrzehnte ständig zu dehnen und zusammenzuziehen – noch weiter entfernt ist man von einer Montage zum funktionierenden, fein verästelten Schwamm einer Lunge.
Für Laura Niklason von der Yale University und ihre Kollegen bleibt daher das molekulare Gerüst einer echten Lunge unverzichtbar auf dem Weg zu einem transplantationsgeeigneten Ersatzorgan. Ihre Idee: Das Gerüst einer echten Spenderlunge erhalten, zugleich aber die nach der Transplantation problematischen Abstoßungsreaktion des Gewebes durch das Immunsystem des Empfängers minimieren.
Ziel der Übung ist in allen Fällen ein kontrollierter Wiederaufbau der zuvor extra entfernten Epithelien: Neue Zellen sollen den Platz der alten einnehmen, wobei die Ersatzzellen in Zukunft aus ausgewählten Stammzellen hervorgehen sollen. So wäre es möglich, das neue Organ immunkompatibel zu machen. Die Körperabwehr stört sich dann nicht am transplantierten Gewebe, weil es mit den eigenen Zellen bedeckt ist.
Niklason und Kollegen kultivierten ihr Rattenlungengerüst nun in einem Bioreaktor zusammen mit Endothel- und Lungenepithelzellen, die sie aus anderen Organempfänger-Ratten isoliert hatten. Wie erhofft besiedelten diese Zellen das Gerüst: Innerhalb von wenigen Tagen hatten sich neue Alveolen, Mikrogefäße und das verästelte Röhrchensystem einer Lunge aus den dafür zuständigen verschiedenen Zelltypen neu gebildet.
Die Lunge wurde anschließend in Versuchsratten implantiert – mit einem gewissen Erfolg, wie die Forscher meinen: Für kurze Zeit nahmen die Ersatzlungen am normalen Gasaustausch teil, belegten Gas-Messungen des arteriellen und venösen Bluts der Nager.
Noch immer am Anfang
Ein Teilerfolg: Noch ist viel zu zu tun, um wirklich Erfolg versprechende Lungen auf diesem Weg zu produzieren. Ein Problem – neben der offenkundigen Kurzlebigkeit des Implantatats – sind zum Beispiel Leckagen des neuen Deckgewebes, so die Wissenschaftler: Nicht wenig Blut gelangte bei dem Experiment in die Lungenbläschen, der Wiederaufbau mit Epithelzellen muss ebenso perfektioniert wie der Abbau des Ursprungsgewebes schonender gestaltet werden. Im Prinzip sei all dies aber beherrschbar, so die Forscher optimistisch – nach einigen weiteren Jahren der Forschung zumindest und wenn einmal tatsächlich pluripotente Stammzellen zur Gewebereproduktion gebracht worden sind.
Ganz andere Prioritäten haben indes Forscher um Donald Ingber von der Harvard University und seine Kollegen vor Augen, wenn sie, statt natürliches Lungengewebe umzubauen und zu nutzen, funktionale Grundeinheiten des Atemorgans künstlich herstelen. Endziel ist dabei, sinnvolle Ersatzteile statt eines ganzen neuen Organs zu produzieren.
Eben diese Frontlinie wollen Forscher gerne naturgetreu nachbauen, um jederzeit unter Laborbedingungen allerlei simulieren zu können, was in der Realität medizinische Probleme aufwirft – vielleicht können in Zukunft so pharmakologische Testreihen vereinfacht und billiger werden und Zellkulturen ersetzten. Die nun von Ingber und Kollegen vorgestellte Variante einer Lunge-auf-dem-Chip besteht aus einer porösen und biegsamen Silizium-Membran, auf die beidseitig lebende Zellen aufgetragen wurden: Epithelzellen auf die spätere Außen-, Endothelzellen auf die Innenseite der künstlichen Alveolarwand.
Lungenchip als Versuchstierersatz?
Lebensnah wird das Konstrukt unter anderem dadurch, dass an ihm ähnliche mechanische Kräfte wirken, die auch beim Ein- und Ausatmen in der Lunge auftreten: Derartiger mechanischer Stress ist ein oft vernachlässigter, aber durchaus wichtiger Einflussfaktor, der bei der Organisation und Funktion eines Gewebes eine große Rolle spielt.
Je naturnäher der Lungenchip, desto wertvoller wird er als pharmakologisch verwendbare Alternative zum Versuchstier, hoffen Ingber und Kollegen. Auf Zytokinkommunikation gründende Entzündungsprozessse und die Auseinandersetzungen, die bei einem Kontakt mit Bakterien ablaufen, können nach ihrer Ansicht aber schon heute gut mit ihrem Ansatz simuliert werden. Eine Ersatzlunge als transplantierbares Organ wird auf dem Weg nicht entstehen – die gesammelten immunologischen und pharmakologischen Informationen dürften aber auch helfen, Lungentransplantationen in Zukunft mit weniger Komplikationen durchzuführen.
Das alles soll sich ändern: mit neuen Varianten "echter" künstlicher Lungen – Organen also, die nicht, wie die seit Jahrzehnten etablierten Lungenmaschine zur künstlichen Beatmung, nur intensivstationär als kastenartiges Gerät neben dem Krankenbett arbeiten, sondern wie ein Kunstherz das ausgefallene Organ im Körper tatsächlich ersetzen. Diese medizinische Vision einer implantierbaren Kunstlunge existiert seit vielen Jahrzehnten, konnte aber nicht einfach umgesetzt werden. Lungen, so stellte sich heraus, sind deutlich komplexere, noch schwerer nachzubauende Organe als zum Beispiel Herzen, die seit langem auch als technischer Nachbau implantiert werden.
Das Problem beim Ersatz einer Lunge hängt nicht nur an den kleinteiligen Details der Alveolarbläschen und Versorgungskanäle mit ihren, beim Durchschnittsmenschen, rund 70 Quadratmetern Oberfläche sowie dem ganzen biochemischen Mechanismus, der den aufwändigen Gasaustausch erlaubt. Tatsächlich können derzeit nicht einmal die notwendigen mechanischen Eigenschaften der Lunge befriedigend nachgeahmt werden, die ihr erlauben, sich verschleißfrei über Jahrzehnte ständig zu dehnen und zusammenzuziehen – noch weiter entfernt ist man von einer Montage zum funktionierenden, fein verästelten Schwamm einer Lunge.
Für Laura Niklason von der Yale University und ihre Kollegen bleibt daher das molekulare Gerüst einer echten Lunge unverzichtbar auf dem Weg zu einem transplantationsgeeigneten Ersatzorgan. Ihre Idee: Das Gerüst einer echten Spenderlunge erhalten, zugleich aber die nach der Transplantation problematischen Abstoßungsreaktion des Gewebes durch das Immunsystem des Empfängers minimieren.
In der Praxis überprüften die Forscher diesen Ansatz nun mit Lungengewebe, das sie aus Ratten herausoperiert hatten [1]. Mit speziellen Lösungsmitteln entfernten sie daraus dann kontrolliert sämtliche Deckzellen der Lungenbläschen und Äderchen, um am Ende nur ein schwammartiges Abbild aus extrazellulären Matrixeiweißen zurückzubehalten, das sowohl die Form als auch die elastisch-mechanischen Eigenschaften der ehemaligen Lunge behielt. Die Methode ist bei Transplantationsmedizinern gerade en vogue – auch Herzen, Lebern oder Nieren werden so behandelt und komplett ent-"zellt", um nur das molekulare Gerüst der Organe zu behalten.
Ziel der Übung ist in allen Fällen ein kontrollierter Wiederaufbau der zuvor extra entfernten Epithelien: Neue Zellen sollen den Platz der alten einnehmen, wobei die Ersatzzellen in Zukunft aus ausgewählten Stammzellen hervorgehen sollen. So wäre es möglich, das neue Organ immunkompatibel zu machen. Die Körperabwehr stört sich dann nicht am transplantierten Gewebe, weil es mit den eigenen Zellen bedeckt ist.
Niklason und Kollegen kultivierten ihr Rattenlungengerüst nun in einem Bioreaktor zusammen mit Endothel- und Lungenepithelzellen, die sie aus anderen Organempfänger-Ratten isoliert hatten. Wie erhofft besiedelten diese Zellen das Gerüst: Innerhalb von wenigen Tagen hatten sich neue Alveolen, Mikrogefäße und das verästelte Röhrchensystem einer Lunge aus den dafür zuständigen verschiedenen Zelltypen neu gebildet.
Die Lunge wurde anschließend in Versuchsratten implantiert – mit einem gewissen Erfolg, wie die Forscher meinen: Für kurze Zeit nahmen die Ersatzlungen am normalen Gasaustausch teil, belegten Gas-Messungen des arteriellen und venösen Bluts der Nager.
Noch immer am Anfang
Ein Teilerfolg: Noch ist viel zu zu tun, um wirklich Erfolg versprechende Lungen auf diesem Weg zu produzieren. Ein Problem – neben der offenkundigen Kurzlebigkeit des Implantatats – sind zum Beispiel Leckagen des neuen Deckgewebes, so die Wissenschaftler: Nicht wenig Blut gelangte bei dem Experiment in die Lungenbläschen, der Wiederaufbau mit Epithelzellen muss ebenso perfektioniert wie der Abbau des Ursprungsgewebes schonender gestaltet werden. Im Prinzip sei all dies aber beherrschbar, so die Forscher optimistisch – nach einigen weiteren Jahren der Forschung zumindest und wenn einmal tatsächlich pluripotente Stammzellen zur Gewebereproduktion gebracht worden sind.
Ganz andere Prioritäten haben indes Forscher um Donald Ingber von der Harvard University und seine Kollegen vor Augen, wenn sie, statt natürliches Lungengewebe umzubauen und zu nutzen, funktionale Grundeinheiten des Atemorgans künstlich herstelen. Endziel ist dabei, sinnvolle Ersatzteile statt eines ganzen neuen Organs zu produzieren.
Der neueste Fortschritt des Teams ist erfreulich klein – sie konstruierten eine gerade einmal nur münzgroße Apparatur, die einiges von dem leisten kann, was an der Grenzfläche einer Lungenkapillare stattfindet. Hier geschieht weit mehr als nur Gasaustasch; an der speziellen Grenzfläche zwischen Außenwelt und Körperinnerem tobt etwa der ständige Kampf zwischen Krankheitserregern und Abwehrsystem besonders intensiv.
Eben diese Frontlinie wollen Forscher gerne naturgetreu nachbauen, um jederzeit unter Laborbedingungen allerlei simulieren zu können, was in der Realität medizinische Probleme aufwirft – vielleicht können in Zukunft so pharmakologische Testreihen vereinfacht und billiger werden und Zellkulturen ersetzten. Die nun von Ingber und Kollegen vorgestellte Variante einer Lunge-auf-dem-Chip besteht aus einer porösen und biegsamen Silizium-Membran, auf die beidseitig lebende Zellen aufgetragen wurden: Epithelzellen auf die spätere Außen-, Endothelzellen auf die Innenseite der künstlichen Alveolarwand.
Lungenchip als Versuchstierersatz?
Lebensnah wird das Konstrukt unter anderem dadurch, dass an ihm ähnliche mechanische Kräfte wirken, die auch beim Ein- und Ausatmen in der Lunge auftreten: Derartiger mechanischer Stress ist ein oft vernachlässigter, aber durchaus wichtiger Einflussfaktor, der bei der Organisation und Funktion eines Gewebes eine große Rolle spielt.
Im Lungenchip von Ingber und Kollegen sorgt das Anlegen und Abschalten eines lokalen Vakuums dafür, dass die Membranseele gestrafft wird beziehungsweise sich lockert. So sorgt etwa – ganz naturnah – ein Straffen der Membran, wie beim Einatmen, für Reaktionen der aufmontierten Deckzellen: Sie nehmen dann zum Beispiel Nanopartikel vermehrt auf, transportieren sie ins Innere des "Lungengewebes" und aktivieren lokale entzündliche Prozesse. Genau diese Reaktionen zeigt auch echtes Lungengewebe, wie man weiß – allerdings erst nach einer Reihe von Tierversuchen.
Je naturnäher der Lungenchip, desto wertvoller wird er als pharmakologisch verwendbare Alternative zum Versuchstier, hoffen Ingber und Kollegen. Auf Zytokinkommunikation gründende Entzündungsprozessse und die Auseinandersetzungen, die bei einem Kontakt mit Bakterien ablaufen, können nach ihrer Ansicht aber schon heute gut mit ihrem Ansatz simuliert werden. Eine Ersatzlunge als transplantierbares Organ wird auf dem Weg nicht entstehen – die gesammelten immunologischen und pharmakologischen Informationen dürften aber auch helfen, Lungentransplantationen in Zukunft mit weniger Komplikationen durchzuführen.
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