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Echo des Urknalls: "Nicht einmal Einstein hätte sich das vorstellen können"

Was bedeuten die ersten Hinweise auf die inflationäre Phase des frühen Universums? "Spektrum.de" sprach mit Bruce Allen, dem Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik, über das Urknallecho und seine eigene Arbeit an Gravitationswellen.
BICEP2-Gebäude

Herr Professor Allen, Sie forschen selbst über Gravitation. Wie bedeutsam sind die Ergebnisse von BICEP2 für die Physik?

Bruce Allen | ist Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover, die weltweit größte Forschungseinrichtung zur allgemeinen Relativitätstheorie. Der Physiker leitet die Abteilung "Observational Relativity and Cosmology". Er leitet das Projekt Einstein@home für verteiltes Rechnen zur Auswertung der Daten des Laser Interferometer Gravitational Wave Observatory und vom Detektor GEO600.

Diese Resultate sind sehr wichtig, denn sie liefern bislang fehlende Belege für eine Inflationsphase in der frühesten Geschichte des Universums. Wichtig ist auch, dass dieser Gravitationswellennachweis stärker ausfiel, als viele von uns – auch ich – erwartet hatten. Und er demonstriert, wie wir mit Gravitationswellen Dinge betrachten können, die wir auf andere Art und Weise nie sähen.

Warum dauerte es beinahe 100 Jahre, bis wir ein derart starkes Signal der von Einstein in der allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagten Gravitationswellen empfangen konnten?

Auch die BICEP2-Ergebnisse sind nur indirekte Zeugnisse, dass Gravitationswellen existieren. Zuvor hatten wir ebenfalls schon indirekte Belege wie beispielsweise über die abnehmende Umlaufzeit des Doppelpulsars PSR 1913+16 beziehungsweise des Pulsarsystems PSR J0737-3039. Wir erwarten, dass uns in den nächsten Jahren die erste direkte Beobachtung mit Experimenten wie LIGO, VIRGO, GEO600 und KAGRA gelingt. Ermöglicht wird das durch den enormen technischen Fortschritt bei Lasern, Präzisionsoptik, elektronischen Kontrollsystemen, Computern und Datenanalysen. Nicht einmal Einstein hätte sich das wohl vor 100 Jahren vorstellen können.

Manche Kommentatoren vergleichen die jetzt bekannt gegebene Bestätigung der Existenz von Gravitationswellen mit der Entdeckung des Higgs-Bosons am CERN vor zwei Jahren. Hält dieser Vergleich stand?

B-Moden-Signal | Gravitationswellen aus der Inflationsphase des gerade entstandenen Universums erzeugen eine äußerst schwache, jedoch charakteristische Verwirbelung der Polarisationsrichtungen der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung, die so genannten B-Moden. Die Grafik zeigt diese Polarisation. Sie wurde mit dem Teleskop BICEP2 am Südpol in der Antarktis aufgenommen. Rote Bereiche stehen für Verwirbelung im Uhrzeigersinn, blaue für den Gegenuhrzeigersinn der B-Moden-Muster. Die beiden Achsenbeschriftungen "Right ascension" und "Declination" geben die Position am Himmel an. Das dargestellte Feld liegt in den südlichen Sternbildern Pendeluhr, Tukan und Indus.

Nicht ganz – das Wichtigste für mich ist nicht die Bestätigung, dass es Gravitationswellen gibt. Entscheidend ist, dass nun ein starker Beleg die Inflationstheorie in der frühesten Geschichte des Universums unterstützt. Hätte man diesen Gravitationswellenhintergrund nicht entdeckt, wäre das so, als hätte man kein Higgs-Boson gefunden. Wir wären gezwungen gewesen, das sehr gut untersuchte Modell zur Zeit nach dem Urknall neu zu überdenken.

Sollten sich die Befunde von BICEP2 bestätigen: Inwiefern beflügeln sie die weitere Theoriebildung der Physik?

Eine große Zahl unterschiedlicher Inflationsmodelle konkurriert miteinander. Sollten sich die jetzigen Resultate bestätigen, ziehen sie einen Schlussstrich unter viele dieser Überlegungen. Das tut der theoretischen Physik gut.

Sie betreiben bei Hannover selbst gemeinsam mit Physikern aus Glasgow und Cardiff den Gravitationswellendetektor GEO600. Worin besteht der Unterschied Ihres Experiments zu dem der amerikanischen Kollegen am Südpol?

LIGO, VIRGO und GEO600 suchen nach Gravitationswellen, die aktuell die Erde passieren. Sie stammen von Neutronensternen und Schwarzen Löchern, die heute in unserem Universum existieren. Das BICEP-Experiment beobachtet die Effekte von Gravitationswellen aus der Zeit vor fast 14 Milliarden Jahren, bevor sich überhaupt Sterne und Planeten geformt hatten. Mit dem Teleskop am Südpol betrachten die Astrophysiker die Polarisation in der kosmischen Hintergrundstrahlung, aus der sie indirekt auf sehr niederfrequente Gravitationswellen schließen. LIGO, VIRGO und GEO600 suchen hingegen direkt nach Gravitationswellen mit Frequenzen von mehreren hundert Hertz. Die Quellen unterscheiden sich also deutlich.

Sehen Sie Chancen, mit GEO600 die Existenz von Gravitationswellen unabhängig von den jetzt bekannt gemachten Ergebnissen zu bestätigen?

Ja, wir erwarten, dass LIGO, VIRGO und GEO600 in den nächsten Jahren direkt die Wellen nachweisen, wenn diese an der Erde vorbeikommen. Das ist ein anderer Ansatz als die indirekten Detektionen, die BICEP in der kosmischen Hintergrundstrahlung erfasst hat.

Vielen Dank für das Gespräch.

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