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News: No sports - aber Muskeln

"Sport ist Mord" oder "Fit for Fun"? Sowohl Trainingsfleißige als auch Sportmuffel könnten sich für neue Erkenntnisse über die Prozesse interessieren, die aus einem schlaffen und ungenutzten Muskel einen leistungsfähigen und trainierten machen. Ein überraschend einfacher zellulärer Schalter sorgt offenbar für den Trainigseffekt. Ob dieser wohl auch durch Medikamente auszulösen wäre? Oder, anders gefragt: Wird Training aus der Pillendose möglich?
Meinungen über sportliche Aktivitäten fallen häufig sehr unterschiedlich aus. Während die einen frühmorgens, berauscht von sportinduzierten Glückshormonen, aber mit hängender Zunge die letzten taumelnden Schritte ihrer sonntäglichen 15-Kilometer-Runde absolvieren, um sogleich zu erzählen, wie toll sie sich dabei fühlen, schütteln andere darüber nur den Kopf – und freuen sich schon auf ihr abendliches Bier und die Chips vorm Fernseher. Für die Befolgung des Churchill'schen "no sports"-Motto werden letztere dann aber auch von ihrem Hausarzt getadelt. Nicht nur Chips und Bier, sondern auch mangelnde körperliche Bewegung führt, drohen Mediziner den chronisch Untertrainierten, zu nachteiligen gesundheitlichen Folgen.

Umgekehrt könne, so die ärztliche Meinung, sportliche Betätigung bei einer Reihe von Krankheiten positive Auswirkungen haben, beispielsweise bei chronischen Herz-Kreislauf-Erkankungen oder Diabetes. Vor die gesundheitsfördernden Folgen aber haben auch die Halbgötter in Weiß den Schweiß gesetzt: Anstrengung ist notwendig, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Vielen chronisch Kranken und bettlägerigen Patienten bleiben, weil sie körperlich zu geschwächt sind, um ausdauernd trainieren zu können, die heilsamen Sport-Spätfolgen versagt.

Solchen Patienten wollen Wissenschaftler der University of Texas Southwestern und der Duke University zukünftig einmal helfen können. Die Forscher um Saunders Williams beschäftigten sich bereits seit geraumer Zeit mit der Frage, auf welche Weise die Muskulatur sich unter dem Einfluss regelmäßiger Trainingsbelastung verändert.

Schon seit längerem ist bekannt, dass die muskuläre Leistungsfähigkeit unter anderem damit zusammenhängt, wie hoch in den Muskelzellen die Anzahl der Mitochondrien ist – jener kleiner Zellbestandteile, die für die zelluläre Energieproduktion zuständig sind. "Mehr" ist dabei übrigens nicht in jedem Fall auch "besser": Die Zellen sehr schnell kontrahierender und kurzzeitig auch sehr kräftiger Muskelfasern enthalten beispielsweise eher weniger Mitochondrien. Deutlich mehr besitzen andere, so genannte "Typ 1"-Muskelfasern. Diese sind langsamer und weniger kräftig, dafür aber viel ausdauernder. Besonders diesen Typ-1-Fasern werden gesundheitsfördernde Wirkungen auf den Gesamtorganismus zugeschrieben: Mitochondrienreiche Muskulatur, so sagt Williams, wirkt sich auf Stoffwechsel von Zuckern und Fetten im Blut aus und damit beispielsweise auch auf das Risiko, Diabetes oder andere chronische Krankheiten zu entwickeln.

Die Wissenschaftler haben nun genauer untersucht, wodurch die Anzahl der Mitochondrien in den Fasern geregelt wird – und auch, wie man vielleicht den einen Muskelfasertyp in den anderen überführen könnte, um damit auch der Gesundheit auf die Sprünge zu helfen. Sie sind auf auf einen verblüffend simplen Mechanismus gestoßen, bei dem eine Calmodulin-abhängige Protein-Kinase (CaMK) die tragende Rolle spielt. Dieses Eiweißmolekül wird durch Calcium aktiviert – was effizient und logisch erscheint, denn Calcium löst auch die Muskelkontraktionen selbst aus. Der bei jeder Muskelbewegung mitangeregte CaMK-Schalter bewirkt nun die Bildung des Proteins PGC-1 – und dieses, das war schon vorher bekannt, schaltet die buchstäblich hunderte von Genen ein, welche letztlich zur Vermehrung der Mitochondrien in der Muskelzelle führen.

Muskelzellen mit mehr Mitochondrien wiederum, und damit schließt sich der Kreis, formieren leistungsfähigere Typ-1-Muskelfasern – mit den ihnen zugesprochenen gesundheitsfördernden Eigenschaften. "Wir könnten bei nicht sportfähigen Kranken vielleicht positive Trainingseffekte simulieren, indem wir die CaMK-Schalter mit Medikamenten auslösen", sagt Williams. Wichtiger ist den Wissenschaftlern aber zunächst, diesen zellbiologisch grundlegenden Mechanismus der Mitochondrien-Bildung auch in anderen Gewebetypen zu untersuchen.

Das vorerst nur in Aussicht gestellte Fitness-Simulations-Medikament dürfte aber in Serienreife voraussehbar auch eine breite Randzielgruppen ansprechen. Vielleicht den einen oder anderen Fitnessmuffel, der mithilfe solcher Muskel-ohne-Mühe-Medikation auf dem sommerlichen Schwimmbad-Laufsteg protzen möchte? Oder dem einen oder anderen Jogger, der es leid ist, jeden Morgen einem zähnefletschenden Ungeheuer auszuweichen, dessen Herrchen aus 300 Metern Entfernung, die Hundeleine winkend, ruft: "Das ist Hasso, der will nur spielen"? Bislang haben die Forscher ihre Erkenntnisse allerdings erst an Mäusemuskeln gezeigt: Training aus der Pillendose bleibt auf absehbare Zeit zunächst reine Fantasie. Gottlob, werden viele denken. Nicht nur Hasso.

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