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News: Nur ein halber Blitz

Durchschnittlich einmal am Tag findet irgendwo in den Tiefen des Weltalls ein gigantisches Ereignis statt, bei dem unglaublich viel Energie freigesetzt wird. In Form von Gammastrahlung trifft sie auf Satelliten in der Erdumlaufbahn. Innerhalb kurzer Zeit richten Astronomen auf der ganzen Welt ihre Teleskope auf den Himmelsausschnitt, aus welchem die Energie kam. Was sie sehen, ist meistens das 'Nachglühen' im Bereich von Röntgenstrahlung, sichtbarem Licht und Radiowellen - immer wieder ähnliche Muster von Intensitäten und Frequenzen, Fingerabdrücke der sogenannten Gammastrahlen-Ausbrüche. Noch wissen die Wissenschaftler nicht sicher, was für Vorgänge da so viel Energie abstrahlen. Und um das Rätsel noch verzwickter zu machen, ist nun ein neuer Typ von Blitz entdeckt worden: Röntgenstrahlen-Ausbrüche, deren Spektrum an die Gammastrahlenblitze erinnern - allerdings ohne Gammastrahlen.
Seit Jahrzehnten sind sie eines der größten Geheimnisse der Astronomie: die Gammastrahlen-Ausbrüche, von denen Satelliten etwa einen pro Tag registrieren. Möglicherweise kommen sie bei gewaltigen Supernova-Explosionen zustande, gewissermaßen als Geburtsschrei weit entfernter Schwarzer Löcher. Für Beobachter am Erdboden sind sie nicht direkt wahrzunehmen, da die Erdatmosphäre keine Gammastrahlung durchdringen läßt. Nur Detektoren auf Satelliten wie BeppoSAX können den Gammastrahlenblitz sehen. Diese Meßgeräte zeichnen auch den darauf folgenden Röntgenblitz auf, der bei bisher allen bekannten Ausbrüchen den Gammastrahlen folgte. Allerdings senden auch andere Ereignisse im Weltraum Röntgenlicht aus, zum Beispiel Flackersterne und Röntgen-Novae.

Auf dem 5th Huntsville Gamma Ray Burst Symposium berichtete der Astronom John Heise von der Space Research Organization Netherlands in seinem Vortrag am 19. Oktober 1999 jedoch von einer neuen Art des Röntgenstrahlen-Ausbruchs. Bei seiner Analyse der BeppoSAX-Daten entdeckte er neun Röntgenblitze, die in jeglicher Hinsicht an das Signal eines normalen Gammastrahlen-Ausbruchs erinnerten: Sie dauerten mehrere Sekunden an, traten zufällig am Himmel verteilt auf und zeigten vergleichbare Spektren – nur standen sie nicht in Zusammenhang mit Gammastrahlen. "Dies sind sicherlich keine gewöhnlichen Flackersterne oder andere bekannte Objekte", sagte Heise. "Es könnte eine völlig neue Klasse von Ereignissen sein."

Stan Woosley von der University of California in Santa Cruz hält es weiterhin für denkbar, daß Röntgen- und Gammastrahlen-Ausbrüche eigentlich dasselbe sind. Er hat das theoretische Modell eines, wie er selbst sagt, "schmutzigen" Gammablitzes entwickelt. Danach wird die Gammastrahlung vollständig absorbiert, wenn die Explosion in Regionen mit relativ dichtem interstellaren Gas stattfindet. Röntgenstrahlung könnte dagegen weitgehend ungehindert hindurchtreten. Nach diesem Modell ergibt sich jedoch ein anderes Spektrum, als Heise in den Daten von BeppoSAX gefunden hat.

Die Erforschung der Gammastrahlen-Ausbrüche machte erst richtig Fortschritte, nachdem Astronomen ein Informationsnetz aufgebaut haben, das Wissenschaftler auf der ganzen Welt sofort über jeden neu registrierten Blitz informiert. Nach Heises Vortrag beschloß der zuständige Missionsleiter von BeppoSAX, Luigi Piro vom Instituto di Astrofisica Spaziale in Rom, die Röntgenstrahlen-Ausbrüche ebenfalls in dieses Netz aufzunehmen. Vielleicht werden die Forscher an den optischen und Radioteleskopen uns dann demnächst sagen können, ob Röntgenblitze ein eigenes Rätsel oder nur eine weitere Seite des bekannten Enigmas sind.

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