Verschränkung: Ordnung im Quantendickicht
Das in der Quantenphysik auftretende Phänomen der Verschränkung ist unserer alltäglichen Erfahrung völlig fremd: In einem verschränkten System legt die Messung eines Teilchens den Zustand des anderen fest – und dies über beliebig große Distanzen hinweg. Verschränkte Systeme aus zwei oder drei Teilchen lassen sich mathematisch noch gut beschreiben. Mit zunehmender Anzahl erweitert sich die Palette der Möglichkeiten jedoch explosionsartig. Ein Forscherteam um Matthias Christiandl und seinen Doktoranden Michael Walter an der ETH Zürich beschritt nun einen neuen Weg, um verschränkte Zustände zu klassifizieren.
Den Schlüssel dazu fanden die Physiker gemeinsam mit Mathematikern. Das Team charakterisierte verschränkte Zustände durch so genannte Polytope. Mit Hilfe dieser geometrischen Objekte lässt sich ein gegebener Zustand einer Klasse von Verschränkungszuständen zuordnen. Ob ein verschränkter Zustand mit einem gegebenen Polytop in Verbindung steht oder nicht, lässt sich prinzipiell durch Messungen entscheiden. Und hierbei erweist sich der neue Ansatz als besonders nützlich.
Denn bei herkömmlichen Methoden war es erforderlich, mehrere Teilchen eines Systems gleichzeitig zu messen, um den Verschränkungszustand zu beschreiben. Daher gelang es bisher nur in wenigen Fällen, Systeme mit mehr als einer Hand voll Konstituenten vollständig zu charakterisieren. "Für vier Teilchen gibt es bereits unendlich viele Möglichkeiten, sie zu verschränken", erklärt Christiandl. Dank des neuen Ansatzes ist es aber nun möglich, den Verschränkungszustand durch eine Serie von Messungen an einzelnen Teilchen zu bestimmen und ihn damit einer endlichen Anzahl von Klassen zuzuordnen. Auf diesem effizienteren Weg liegen größere Systeme für die Forscher in Reichweite.
Seit der österreichische Physiker Erwin Schrödinger in den 1930er Jahren den Begriff der Verschränkung prägte, sorgte dieses Phänomen immer wieder für erregte Debatten. Der wohl prominenteste Kritiker der Quantenphysik, Albert Einstein, erkannte den in sich logischen Charakter der Theorie zwar an, er glaubte aber, dass sie unvollständig sei. Das Verhalten verschränkter Teilchen bezeichnete er als "spukhafte Fernwirkung". Im Jahr 1964 bereitete der nordirische Physiker John Bell dem Spuk ein Ende: Er bewies, dass es kein "verborgenes Räderwerk" gibt, das die Werte der quantenmechanischen Größen eines Systems vor der Messung festlegt.
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