Direkt zum Inhalt

News: Proteinlasche

Gerade in der eigenwilligen Form des an der Entstehung rheumatischer Erkrankungen beteiligten Proteins Tall-1 scheint seine tragende Rolle zu liegen. Acht Aminosäuren bilden eine Art Schlaufe, mit der sich bis zu 60 Proteine zusammenhaken und als großer Molekülball die fehlerhafte Stimulation der B-Zellen anspornen; die Autoimmunerkrankung nimmt ihren Lauf. Proteine ohne charakteristische Lasche zeigten keine biologische Aktivität und sollen eines Tages als Behandlung einer Reihe von Autoimmunerkrankungen dienen.
Tall-1
Unter dem Überbegriff Rheuma fassen Ärzte mehr als 100 Krankheiten zusammen, die hauptsächlich den Bewegungsapparat aus Gelenken, Muskeln und Sehnen betreffen und in diesen Bereichen des Körpers Schmerzen verursachen. Hierunter fällt auch Lupus (systemischer Lupus erythematodes), der meist bei jungen Frauen auftritt und sich durch Abwehrreaktionen gegen Haut, Blutgefäße, Nieren und Gelenke auszeichnet. Ebenfalls gegen körpereigene Strukturen richtet sich die rheumatoide Arthritis, mit einem bis zwei Prozent die häufigste rheumatische Erkrankung. Nach anfänglicher Gelenksteifigkeit führt diese Autoimmunerkrankung letztendlich zur Gelenkverformung, manchmal auch mit Beteiligung der inneren Organe.

An der Entstehung beider Krankheitsbilder soll ein Protein mit vielfältigem Namensspektrum mitwirken. Tall-1, Blys, BAFF, THANK oder auch zTNF4, alles Namen für ein und dasselbe Protein, steht schon lange unter Verdacht, die B-Zellen des Immunsystems übermäßig zur Reifung anzuspornen und dadurch Produktion und Ausschüttung von Antikörpern, eine unserer wichtigsten Verteidigungswaffen, in die Höhe zu treiben. Genetisch veränderte Mäuse, die zuviel Tall-1 produzierten, unterstützen diese Hypothese: Sie entwickeln Lupus ähnliche Krankheitssymptome. Außerdem lässt sich bei Patienten mit Lupus und rheumatoider Arthritis ein erhöhter Spiegel des Proteins im Blut nachweisen.

Wie das Protein Tall-1 B Zellen so anspornen kann, haben Wissenschaftler des National Jewish Medical and Research Centers in Denver nun offenbart. Mit der Identifikation des Proteins 1999 und kurz danach einem der Rezeptoren - BCMA - leistete der Immunologe Hong-Bing Shu bereits Vorarbeiten. Gemeinsam mit seinem Kollegen Gongyi Zhang schlüsselt er nun die Proteinstruktur auf und hierbei zeigte sich eine seltsame Lasche am Protein - bestehend aus acht Aminosäuren -, die keines der anderen Familienmitgliedern ausweist.

Zhangs Analysen zeigten, dass die Lasche für ein ganz besonderes Gruppenverhalten der Tall-1 Proteine verantwortlich ist: die Proteine organisieren sich in einem riesigen Molekülball aus bis zu 60 Proteinen. Fehlt dem Protein die Lasche, wie bei einer modifizierten Version, versagt die Versammlung und die Anregung der B Zellen. Und dies, obwohl die veränderte Proteinvariante durchaus an ihren Rezeptor bindet. Doch Zellkulturversuche offenbarten, dass die Proteinschlaufe für eine normale Proteinfunktion essentiell ist.

"Wir glauben, dass diese Region für die Entwicklung kleiner Medikamente gegen Lupus, rheumatoider Arthritis und anderer Erkrankungen mit Beteiligung des Immunsystems und B-Zellen ein gutes Ziel abgeben könnte", sagte Shu. Nun untersuchen die Forscher, ob eine Laschenfreie Variante des Proteins mit normalem Tall-1 konkurrieren und so seine Aktivität hemmen könnte.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.