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News: Ruhig jetzt, Virus!

Der Kampf zwischen Viren und den von ihnen angegriffenen Zellen wogt bereits seit grauer Vorzeit. Ebenso alt sind offenbar Teile der Waffentechnologie der zellulären Virenabwehr - Forscher vermuten jetzt, dass ihr Ursprung in einer Ära liegt, in der zwischen Tieren und Pflanzen noch kein Unterschied bestand.
Mit Viren ist nicht zu spaßen: Sind sie erst einmal in ihre Wirtszellen eingedrungen, so dachte man lange Zeit, dann ist schon zu spät sie aufzuhalten. Die Eindringlinge übernehmen schnell die Kontrollzentrale der Wirtszellen und mißbrauchen deren Syntheseapparat zum Zwecke ihrer eigenen Vermehrung. Als Abwehrmaßnahme des Körpers bleibt nur, die befallenen Zellen zu zerstören, um zumindest die Ausbreitung auf andere Zellen – und damit Schlimmeres – zu verhindern.

Seit einiger Zeit werden aber mehr und mehr Abwehrmechanismen der Zellen selbst entdeckt, mit denen sie sich gegen bereits eingedrungene Viren verteidigen können – fast so etwas wie ein intrazelluläres Immunsystem. Pflanzenzellen erkennen beispielsweise die Erbinformation bestimmter RNA-Viren noch bevor diese ihren feindlichen Übernahmeplan durchführen können, bauen die eingeschleuste virale RNA ab und bringen damit den Virus zum Schweigen – ein Mechanismus mit der sprechenden Bezeichnung RNA-Silencing.

Noch ist nicht vollständig geklärt, wie diese Zellabwehr eigentlich zwischen fremder, zerstörerischer Viren-RNA und zelleigenen RNA-Formen unterscheidet – denn letztere sollte natürlich tunlichst nicht wahllos abgebaut werden.

Eine interessante Frage, nicht nur für an RNA-Viren forschende Botaniker. Denn ganz ähnliche Silencing-Mechanismen wurden mittlerweile bei nahezu allen Lebensformen nachgewiesen. Auch in gesunden Zellen erfüllen sie offenbar eine Vielzahl unterschiedlicher Funktionen: Ein Beispiel ist das so genannte post-transkriptionale Gen-Silencing, ein verbreiteter Regulationsmechanismus von Pflanzen, bei dem Boten-RNA bestimmter Gene gezielt abgebaut wird, noch bevor die in ihr codierte Protein-Bauanleitung abgelesen wurde. Ähnliche regulierende Prozesse konnten auch in Pilzen und Tieren beschrieben werden.

Auf der Suche nach weiteren organismenübergreifenden Gemeinsamkeiten dieser RNA-Regulationsmechanismen griffen Shou Wei Ding und seine Kollegen von der University of California at Riverside wieder auf die zuerst beschriebenen RNA-Viren-Abwehr von Pflanzen zurück. Die Wissenschaftler forschten nach ihr allerdings in Tieren.

Dazu infizierten sie Taufliegen mit einem RNA-Virus. Tatsächlich beobachteten sie eine starke RNA-Silencing-Abwehrreaktion der Fliegenzellen. Der Versuch, die Virus-RNA vollständig abzubauen war allerdings erfolglos, denn das Virus ergriff seinerseits Verteidigungsmaßnahmen. Er befahl die Produktion eines hemmenden Proteins, dieses wiederum schaltete das RNA-Silencing-programm der Fliegen ab – damit war der Weg frei für die Übernahme der nun unvereidigten Zellen.

Diese Art Hin und Her der RNA-Kriegsführung war an Pflanzen bereits beschrieben worden. Offenbar sind also Tier- und Pflanzenzelle auf diesem Gebiet sehr ähnlich, vermuteten die Forscher, und traten sogleich einen Beweis an. Sie isolierten das Abwehr-Blockadeprotein des Virus und testeten es an Pflanzenzellen. Und wirklich: Das Eiweiß des Fliegenvirus unterband auch in dem im völlig unbekannter botanischen Zellumgebung die antiviralen RNA-Silencing-Mechanismen der Pflanzen.

Das muss bedeuten, so folgern die Wissenschaftler, dass der Antivirus-Mechanismus schon in den gemeinsamen Vorfahrenzellen von Pflanzen und Tieren vorhanden war – das RNA-Silencing schlüge demnach eine uralte Brücke zwischen dem Reich der Tiere und dem der Pflanzen.

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