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Meteoriten: Rumgeschubst und ausgestoßen

Das pockennarbige Antlitz des Mondes zeugt von einer bewegten Geschichte, die Geologen nahezu lückenlos nacherzählen können, wenn sie nur der richtigen Gesteine habhaft werden. Ein vor gut zwei Jahren gefundener Brocken Mondgestein erweist sich nun als besonders ergiebige Quelle.
Erde im Blick
Sayh al Uhaymir 169 | Der Meteorit Sayh al Uhaymir 169 an seinem Fundort
Täglich gehen Meteoriten auf die Erde nieder. Die meisten fallen jedoch in die Ozeane oder verschwinden unentdeckt im Dickicht der Vegetation. Wer also nach Spuren aus dem All auf der Erde fahnden will, der begibt sich am besten in ewige Kälte oder flirrende Hitze. Denn sowohl im Eis der Antarktis wie auch im feinen Wüstensand heben sich Meteoriten gut von der Umgebung ab. Kein Wunder also, dass bei den vielen tausend bekannten Meteoriten jene 30 Exemplare, die vom Mond stammen, gänzlich in Sand oder Schnee gefunden wurden. So auch der rund 200 Gramm schwere Meteorit Sayh al Uhaymir 169, den Forscher um Edwin Gnos von der Universität Bern im Januar 2002 entdeckten.

Fundort | Der Fundort von Sayh al Uhaymir 169: eine weite Ebene im Oman.
Den Geologen fiel das schwarze Stück Stein bereits vom Auto heraus auf, als sie eine weite Ebene im Sultanat Oman durchquerten. Da der Brocken recht ungewöhnlich aussah, war den Forschern zunächst nicht gleich klar, dass es sich überhaupt um einen Meteoriten handelt. Der Nachweis war jedoch vergleichsweise schnell erbracht, und auch der Ursprung des Gesteins war rasch bestimmt. Denn auf Grund der chemischen Zusammensetzung, der mineralogischen Struktur und anderer charakteristischer Merkmale konnte es nur vom Mond stammen. So weit schon ungewöhnlich, aber das Team um Gnos will dem Brocken nun noch mehr Geheimnisse entrissen haben.

Querschnitt | Querschnitt durch den Meteoriten
Haarklein haben die Forscher anhand der chemischen Daten insbesondere am Gehalt bestimmter, eher seltener Spurenelemente die Geschichte von SaU 169 nachvollzogen. Geboren wurde das Stück Gestein demnach vor etwa 3,9 Milliarden Jahren bei dem Einschlag, der einst das Imbrium-Becken schuf, das auch von der Erde aus sichtbar ist. Festzumachen ist die Region unter anderem durch den vergleichsweise hohen Thorium-Gehalt des Minerals, datieren ließ sich die Probe über das Verhältnis zweier Blei-Isotope, die quasi als geologische Uhr dienen.

Für eine gute Milliarde Jahre herrschte dann Ruhe, bis vor etwa 2,8 Milliarden Jahren ein zweiter Einschlag die Lage und Beschaffenheit des Gesteins abermals veränderte, was sich vor allem an Kalzium reichen Feldspat-Mineralen erkennen lässt. Damit nicht genug: Eine verfestigte Mischung aus zermahlenem und zerbrochenem Gestein, so genannter Regolith, verrät, dass es auch vor 200 Millionen Jahren noch einmal kräftig gerumst haben muss und der Brocken auf diese Weise weiter nach oben an die Mondoberfläche befördert wurde. Vor gut 340 000 Jahren hieß es für SaU 169 dann Abschied nehmen. Der nunmehr vierte Einschlag beförderte das Gestein raus ins All, entweder auf eine Umlaufbahn um die Sonne oder direkt auf eine um die Erde, wo der Meteorit vor etwa 9700 Jahren niederging.

Bei all den zeitlichen Daten, meinen die Forscher um Gnos sogar den Startplatz zur Erde ziemlich genau lokalisieren zu können: So weist die Lalande-Kraterregion offenbar genau die passenden Eckdaten auf. Doch ist es überhaupt wichtig zu wissen, woher ein Mond-Meteorit genau stammt?

Lalande-Krater | Von hier soll Sayh al Uhaymir 169 ursprünglich stammen: der Lalande-Krater auf dem Mond.
Geologen werden diese Frage sicherlich bejahen. Zwar konnten die Astronauten der Apollo-Missionen einige Gesteine aus dem Umfeld ihres Landeplatzes sammeln und mit zur Erde bringen, aber dabei handelte es sich naturgemäß nur um einzelne lokale Proben, die längst kein vollständiges Bild der Mondgeologie liefern. Der kostenlose Probenversand von unserem Nachbarn im Sonnensystem ergänzt deshalb unser Wissen vom Mond, insbesondere dann, wenn genau bekannt ist, aus welcher Ecke die Gesteine stammen. Wer mag, kann das Gestein mit der bewegten Geschichte auch selbst in Augenschein nehmen: SaU 169 ist im Rahmen einer Ausstellung des Naturhistorischen Museums in Bern zu sehen.

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