Bionik: Salamandra robotica
Als die Amphibien vor Urzeiten das Meer verließen, passten sie ihre Bewegungen dem ungewohnten Untergrund an - ohne dabei die alten Muster zu verlernen. Wie genau sie zwischen Schwimmen und Laufen hin- und herschalten können, war lange ein Rätsel. Ein salamanderähnlicher Roboter bringt nun Licht ins Dunkel der Amphibienmotorik.
Salamandra robotica ist keine Schönheit. Ihr eckiger, lang gezogener Körper besteht aus pastellgelben Plastiksegmenten, statt Augen ziert sie ein breiter ockerbrauner Plastepfropf. Vier primitive schwarze Beine ragen von ihrem Körper zur Seite, auf Knopfdruck setzen sie sich kreisförmig in Bewegung. Doch die Rotation der plumpen Füße gibt endlich das Geheimnis des 85 Zentimeter langen Automaten preis: Salamandra Robotica bewegt sich wie ihr biologischer Namensgeber – und das sowohl zu Lande wie auch im kalten Nass des Genfer Sees.
Der Roboter ist eine Schöpfung des Teams um Auke Jan Ijspeert von der Biologically Inspired Robotics Group der Ecole Polytechnique Fédérale von Lausanne. Seine elektronische Schaltung ist den neuronalen Verknüpfungen lebender Salamander nachempfunden: Eine Hauptschaltstelle im Kopf des Roboters entspricht dem Stammhirn des Tieres, eine doppelsträngige elektronische Leitung mit jeweils acht Oszillatoren von Kopf bis Schwanz soll die Neuronenbündel entlang des Knochenmarks von Salamandern simulieren. Auch die vier Extremitäten enthalten jeweils einen eigenen Oszillator. Auf diese Weise hofften die Forscher die elektrischen Impulse nachzubauen, die eine Amphibie jeweils zum Schwimmen oder zum Landgang motivieren.
Denn Salamander benutzen hierfür zwei unterschiedliche Techniken: Bewegen sie sich an Land, setzen sie jeweils die diagonal gegenüberliegenden Beine gleichzeitig in Bewegung, was zu der typischen S-förmigen Krümmung des Körpers führt. Im Wasser jedoch winkeln die Tiere ihre Beine an und schalten um auf rhythmische Wellenbewegungen, die vom Kopf bis zum Schwanz hindurchlaufen – wie etwa auch bei den aalförmigen Neunaugen.
Im Labor hatten Tests mit Neuronenbündeln des Rückenmarks von Amphibien bereits ergeben, dass eine geringe Stimulation der Nervenzentralen die Tiere zur Bewegung ihrer Beine anregt. Eine höhere Reizdosis führte zur Schüttelbewegung. Doch wie genau die Nervenbündel miteinander vernetzt sind, und warum es keinen Übergangsbereich von der einen Bewegungsform zur anderen gibt, war bislang ungeklärt. Mit Hilfe des hellgelben Plastiksalamanders konnte das Rätsel nun gelöst werden.
Die Forscher konzipierten ihren Robo-Salamander mit zwei zentralen Schaltstellen, die den Aktivitäten im Stammhirn entsprachen: eine für die Wellenbewegung des Rückgrates, eine für die Diagonal-Bewegungen der Beine. Dann programmierten sie die Schaltstellen so, dass der Roboter bei einer kontinuierlichen elektrischen Reizung der Rückgrat-Schaltstelle via Fernbedienung in den Schwimmmodus verfiel – es sei denn, gleichzeitig wäre auch die Schaltstelle für die Extremitäten aktiviert. Dann nämlich wurde die Schwimmbewegung unterdrückt. Die Schaltstelle für die Fußbewegungen des Roboters jedoch reagierte auf die Frequenz der elektronischen Reizung: War sie niedrig, aktivierte sie die Beinoszillatoren. Bei höherer Frequenz schaltete sie sich ab.
Bei einer niedrigschwelligen elektrischen Reizung tapste der Roboter denn auch gemächlich vor sich hin. Überschritt die Frequenz jedoch einen bestimmten Schwellenwert, wurde der Schwimmmodus eingeleitet und die Wirbelsegmente des Roboters entsprechend bewegt. Die Umpolung vom Landgang auf die Schwimmbewegung erfolgte also durch eine Erhöhung der Reizfrequenz. Gleichzeitig wurde die Bewegung schneller, je höher die Frequenz der Reizung war. Die Konsequenz: In Freilandversuchen am Genfer See bewegte sich der elektronische Salamander genauso wie sein lebendes Vorbild – langsam zu Lande, schnell im Wasser. Zudem ähnelten die Bewegungsabläufe des Roboters die seines biologischen Vetters aufs Haar.
Ob die Neuronenschaltungen im Salamander nun denen des Modells eins zu eins entsprechen, muss noch ermittelt werden. Für die Robotik jedoch ist der Robo-Salamander schon jetzt ein Erfolg. Denn die Bewegung in unterschiedlichem Gelände und das Umschalten auf unterschiedliche Geschwindigkeiten und Gangarten stellt für die meisten Automaten bislang noch eine riesige Hürde da. Sich für die Lösung solcher Probleme an der Natur zu orientieren, könne daher durchaus fruchtbar sein, sind sich Auke Ijspeert und sein Team sicher. Sie müssen es wissen: Neben ihrem Robo-Salamander haben die Forscher schon andere biologisch inspirierte Roboter gebaut, unter anderem einen Fisch und einen krabbelnden Baby-Humanoiden.
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