Direkt zum Inhalt

News: Schnecken, Schmuck, Geschmeide

Die Wiege der Menschheit stand in Afrika - so viel ist klar. Doch woher kommt die Kultur? Immer neue Funde deuten auch hier auf den "Schwarzen Kontinent".
Reusenschnecken mini
Heftig streiten Paläoanthropologen, wann und wo der "kulturell moderne Mensch" sich entwickelte. Die einen sagen, dass der anatomisch moderne Mensch seine Fähigkeit zu kulturellem Denken erst vor rund 45 000 Jahren entwickelt hat – zu einer Zeit, als er Afrika bereits verlassen hatte und den Rest der Welt erkundete. Das andere Modell geht von einer stetigen und kontinuierlichen Entwicklung aus, die bereits im steinzeitlichen Afrika begann und eine viel ältere Geschichte hat.

Christopher Henshillwood ist Anhänger der Kulturentstehung "Out of Africa". Der Archäologe von der Universität Bergen forscht schon seit mehreren Jahren in der Blombos-Höhle in der südafrikanischen Kapregion nach frühen Kulturgütern des anatomisch modernen Menschen. Mit zwei verzierten Ockertafeln aus der mittleren Steinzeit gelang ihm vor zwei Jahren ein erster wichtiger Fund. Zwar konnte Henshillwood die eingeritzten Zeichen nicht deuten, doch für den Forscher war klar, dass die Tafeln eine symbolische Bedeutung haben mussten.

Jetzt wurde seine Hartnäckigkeit erneut belohnt: Henshillwood stieß zusammen mit einem internationalen Forscherteam auf die vermutlich ältesten Schmuckperlen der Menschheit. Die Entdeckung der 41 Schnecken-Perlen in einer 75 000 Jahre alten Sandschicht belegt nach Ansicht des Forschers die frühe Existenz von symbolischem Verhalten in Afrika.

Die perforierten Schneckenhäuser stammen von Vertretern der Reusenschnecke Nassarius kraussianus, die normalerweise in Flussmündungen lebt. Doch Henshillwood glaubt nicht, dass die erbsengroßen Schalen zufällig an den zwanzig Kilometer entfernten Fundort in der nächsten Flussmündung gelangt sind: Wären die Schnecken beispielsweise zusammen mit Zostera capenis – einer Seegrasart, die jungsteinzeitliche Jäger und Sammler gerne als Polster für ihre Schlafstellen benutzten – in die Höhle verschleppt worden, dann hätten große und kleine Exemplare zufällig verteilt sein müssen. Henshillwood und seine Kollegen fanden jedoch Schalen erwachsener Tiere – alle von gleicher Form und Größe.

Fast alle Schneckenhäuser hatten unbekannte Handwerker an derselben Stelle durchbohrt. Aus den Abriebspuren schließen die Archäologen, dass die Schneckenhäuschen vermutlich einst aufgereiht in Reih und Glied den Hals eines Steinzeitmenschen schmückten. Die Perlen waren wahrscheinlich rot bemalt – die Forscher fanden mikroskopisch kleine Überreste des natürlichen Farbpigmentes, das auch für spätere Höhlenmalereien verwendet wurde.

In den Perlen und Ockertafeln sieht Henshillwood einen eindeutigen Beweis, dass die Menschheit bereits vor 75 000 Jahren zu einem symbolischen Denken und Handeln in der Lage war – bevor sie zu neuen Welten aufbrach. Für ihn steht damit fest: Am Anfang war die Kultur.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.