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News: Schonende Chemotherapie

Die Wirkstoffe der Chemotherapie können zwar das Wachstum mancher Tumoren stoppen, doch schädigen sie dabei im Allgemeinen auch das gesunde Gewebe. Nun haben Wissenschaftler einen Weg gefunden, Zellgifte erst vor Ort scharf zu machen und so gezielt gegen bösartiges Gewebe einzusetzen.
Die Chemotherapie ist eine wichtige Waffe im Kampf gegen Krebs, hat jedoch einen gravierenden Nachteil: Sie kann kaum zwischen Tumor und gesundem Gewebe unterscheiden. Die Folge sind schwer wiegende Nebenwirkungen, welche die verabreichbare Dosis limitieren. Ein neues Therapiekonzept verspricht Abhilfe. Dabei werden die wirksamen Substanzen nur in unmittelbarer Umgebung des Tumors enzymatisch aus einer ungiftigen Vorstufe, dem Prodrug, frei gesetzt.

Chemiker und Mediziner der Universität Göttingen haben ein solches Prodrug entwickelt und dessen Wirksamkeit nachgewiesen. Als gedanklichen Ausgangspunkt wählte das Team um Lutz Tietze ein Antibiotikum aus dem Pilz Streptomyces zelensis. Das starke Zellgift besteht aus einem komplexen Ringsystem mit einem hochreaktiven Kohlenstoff-Dreiring, der Nukleinsäuren angreift und so das Zellwachstum hemmt. Die Forscher synthetisierten eine Substanz mit sehr ähnlichem Ringsystem, aber ohne Dreiring. An das Molekül hängten sie das Zuckermolekül Galaktose. Der entscheidende Kniff: Diese Verbindung ist ungiftig – sobald aber der Zucker durch das Enzym Galaktosidase abgespalten wird, lagert sich das Ringsystem unter Bildung eines Dreirings zu einem hoch wirksamen Gift um.

Die Göttinger testeten ihr Prodrug-System an Mäusen, denen menschliche Tumoren implantiert worden waren. Zunächst erhielten die Mäuse das Enzym Galaktosidase – aber nicht "pur", sondern an einen Antikörper gekoppelt. Dieser Antikörper erkennt menschliches Gewebe und bindet daher nicht an Mäusegewebe, sondern ausschließlich an die Tumorzellen. Anschließend wurde das Prodrug injiziert. Nur in unmittelbarer Nähe der mit Galaktosidase gespickten Tumorzellen konnte das Prodrug zum Zell-Killer gespalten werden. Im Serum der Maus kommt das Enzym nicht vor, und so blieb die Substanz im restlichen Mäusekörper harmlos. In der Tat brachte die Behandlung die Tumoren zum Schrumpfen. Nebenwirkungen konnten die Forscher nicht beobachten.

Das Göttinger Prodrug-System lässt sich auch auf die Krebstherapie am Menschen übertragen. Lediglich der Antikörper muss ersetzt werden durch einen, der zwischen gesundem und malignem Gewebe unterscheiden kann. "Derartige Antikörper sind inzwischen für mehrere Tumorarten verfügbar," erläutert Tietze. "In bestimmten Fällen könnte unser Prodrug sogar ohne das Antikörper-Enzym-Konjugat auskommen, da einige Krebsarten spezielle Zucker abspaltende Enzyme in größeren Mengen freisetzen."

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