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Seltene Erden: Schwierige Trennung

Weltweit suchen Chemiker nach neuen Verfahren, um die begehrten Seltenen Erden aus dem Erz zu isolieren. Das Ziel: Chinas Monopol soll fallen.
Rohstoff-Förderung

Im Juli 2010 versetzte die chinesische Regierung die Hightechbranche in Aufruhr: Die Exportquoten für Seltene Erden – eine Gruppe von 17 Metallen, die unverzichtbarer Bestandteil von Bildschirmen, Energiesparlampen, Hochleistungslasern und einer Vielzahl weiterer Produkte des 21. Jahrhunderts sind – würden künftig, so ließ Peking damals verlauten, um 37 Prozent sinken.

China verfügt praktisch über ein Monopol, was die Förderung dieser Elemente angeht. So deckte das Land 2010 beispielsweise 97 Prozent des weltweiten Bedarfs, und obwohl Peking seine Exportschranken begründete – man wolle einem besonders schmutzigen Sektor der Bergbauindustrie eine Reinigungskur verpassen –, trieben die verringerten Ausfuhrquoten den Preis für Seltene Erden in die Höhe. Das schürte erhebliche Ängste vor wirtschaftlichen Schäden. Im Nachhinein erwies sich die Lage als weitaus weniger dramatisch: Zum einen haben nun auch westliche Bergbaufirmen die Förderung Seltener Erden wieder aufgenommen, zum anderen hob China die Exportschranken unter dem Druck der Welthandelsorganisation im Januar 2015 wieder auf. Dennoch veranlasste dieser Vorfall die Vereinigten Staaten und Europa dazu, umfangreiche Forschungsvorhaben ins Leben zu rufen – mit dem Ziel, die Versorgung mit Seltenerdmetallen auch unabhängig von China sicherzustellen. Diese Projekte tragen nun die ersten Früchte.

Vor allem Chemiker stellt dieses Unterfangen vor eine große Herausforderung. Denn die verschiedenen Seltenen Erden liegen üblicherweise in gemischter Form in den Erzlagerstätten vor, und weil sie chemisch nahezu identisch sind, lassen sie sich nur extrem schwierig voneinander trennen. Die gängige Methode erfordert rund 300 Arbeitsgänge und den Einsatz gefährlicher Chemikalien. China verfügt über ein System von Extraktionsanlagen, das jedes andere Unternehmen in der Welt ausstechen kann – zum einen dank der landestypischen Laxheit im Umgang mit kostspieligen Umweltschutzmaßnahmen und zum anderen dank vieler Weiterverarbeitungsbetriebe, die diese Elemente direkt in elektronischen Geräten verbauen. Gelänge es Chemikern jedoch, einfachere, schnellere, umweltfreundlichere und vor allem kostengünstigere Extraktionsmethoden zu entwickeln, könnte sich das Gleichgewicht verlagern: Andere Länder könnten auf ihre eigenen Vorkommen zurückgreifen oder Seltene Erden aus Elektronikschrott zurückgewinnen.

"Wenn ein westliches Unternehmen überhaupt jemals wettbewerbsfähig sein will, muss es einen Weg finden, die einzelnen Seltenen Erden kostengünstiger zu fördern als China", sagt Jack Lifton, der in Farmington Hills, Michigan, Bergbaufirmen berät, die sich auf Seltene Erden spezialisiert haben.

Ein Jahrhundert der Trennungsschwierigkeiten

Mehr als ein Jahrhundert dauerte es, bis Chemiker sämtliche Seltenerdmetalle auseinanderdividiert und identifiziert hatten: 1794 spürte man das Element Yttrium auf, die letzten beiden, Lutetium und Ytterbium, ließen sich erst 1907 von den anderen trennen. Zunächst machten sich die Hersteller nicht die Mühe, diese Metalle in Reinform zu bringen; die ersten Anwendungen im frühen 20. Jahrhundert basierten auf so genannten "Mischmetallen", die beispielsweise als Feuersteine in Zigarettenanzündern und in Leuchtspurgeschossen zum Einsatz kamen.

Separierte Seltene Erden gelangten erst nach dem Zweiten Weltkrieg in die Fabrikation – nachdem sich Frank Spedding von der heutigen Iowa State University in Ames der Sache angenommen hatte. Einst hatte der Chemiker im Manhattanprojekt Pionierarbeit bei der Uranextraktion geleistet, nun perfektionierte er eine Methode namens Ionenaustauschchromatografie, bei der ein Gemisch aus Seltenen Erden durch eine vertikale Glassäule mit Polymerkugeln gespült wird. Die Seltenen Erden bleiben an den Kügelchen haften und lassen sich anschließend mit verdünnter Zitronensäure auswaschen.

17 Seltene Erden | Die 17 Seltenerdmetalle ähneln sich auf Grund ihrer Elektronenstruktur, praktisch immer gehen sie Bindungen auf Basis von drei Elektronen ein. Zu dieser Gruppe gehören die Lanthanoide sowie Scandium und Yttrium, die im Periodensystem direkt darüberstehen.

Spedding stellte den pH-Wert der Säure dabei so ein, dass sich die verschiedenen Elemente unterschiedlich schnell vom Polymer lösten. Infolgedessen änderte sich im Lauf eines Spüldurchgangs die Zusammensetzung der Ionen, die jeweils den Boden der Säule erreichten. Nach genügend Wiederholungen erhielten die Forscher so hochreine chemische Elemente in ausreichender Menge, um deren Eigenschaften zu untersuchen.

Die Anwendungen für Seltene Erden vervielfältigten sich explosionsartig – angefangen in den frühen 1960er Jahren mit der Entdeckung, dass bestimmte Materialien dank einer Prise Europiumoxid leuchtend rote Farben auf Fernsehbildschirmen produzieren. Die Nachfrage wuchs so schnell, dass westliche Bergbaufirmen schon ab 1965 die Produktion von Europium ausbauten und die ersten Trennanlagen errichteten. Da die Ionenaustauschchromatografie für die Massenproduktion ungeeignet war, verlegte man sich auf das Verfahren der Lösungsmittelextraktion: Ein Gemisch aus Seltenen Erden wird in Wasser gelöst und anschließend mit organischen Lösungsmitteln vermengt. Die Lösungsmittel enthalten so genannte Extraktionsmittel, die unterschiedlich stark an die verschiedenen Seltenen Erden binden. Dadurch wandern die Elemente in die organischen Lösungsmittel und setzen sich mit der Zeit am Boden ab. Die Seltenen Erden werden dann chemisch von den Extraktionsmitteln abgespalten und wieder in Wasser gelöst. Um die Elemente zu isolieren, muss diese Prozedur allerdings Hunderte von Malen wiederholt werden.

Im Lauf der folgenden Jahrzehnte verbesserten chinesische Chemieingenieure das Verfahren für den Einsatz in ihren eigenen Anlagen und konnten Seltene Erden schon bald von höherer Reinheit und zu niedrigeren Preisen verkaufen als westliche Hersteller. 1999 erlangte China nahezu vollständige Kontrolle über die globale Versorgung mit Seltenen Erden.

Billiger, schneller, sauberer

Um diese Situation zu ändern, könnte man etwa die Produktion in den wenigen Lösungsmittelextraktionsanlagen außerhalb Chinas steigern und gleichzeitig nach Wegen suchen, das Verfahren kostengünstiger und effizienter zu machen. "Die Chemie lässt sich viel einfacher ändern als die Infrastruktur", bestätigt Alex King, Direktor des Critical Materials Institute (CMI). Diesen Forschungsstandort mit Hauptsitz in Ames im US-Bundesstaat Iowa richtete das US Department of Energy im Jahr 2013 für 120 Millionen US-Dollar ein, um sich vor möglichen Lieferengpässen bei Seltenen Erden und anderen Rohstoffen zu wappnen.

Einige Forscher wollen die chemischen Prozesse optimieren, indem sie nach Extraktionsmitteln suchen, die besser zwischen den verschiedenen Seltenen Erden unterscheiden können, was keineswegs einfach ist, wie Scott Herbst vom Idaho National Laboratory berichtet, der im Rahmen des CMI genau nach solchen Stoffen fahndet. "Sie gleichen sich praktisch wie ein Ei dem anderen." Der Chemieingenieur und seine Kollegen gehen das Problem sowohl theoretisch als auch empirisch an: Einerseits entwerfen sie mit Hilfe von Computermodellen viel versprechende Moleküle, anderseits schauen sie, ob sie Extraktionsmittel aus anderen Industriezweigen für ihre Zwecke nutzen können.

Andere Wissenschaftler suchen dagegen nach besseren Lösungsmitteln. An der Katholischen Universität Löwen in Belgien synthetisiert und testet der Chemiker Koen Binnemans beispielsweise eine Vielzahl von ionischen Flüssigkeiten. Diese Salze, die bereits bei Raumtemperatur geschmolzen sind, bestehen gemeinhin aus einem großen organischen Molekül, das eine elektrische Ladung trägt, sowie einem daran gekoppelten kleinen anorganischen Ion mit der entgegengesetzten Ladung. Binnemans zufolge sind solche ionischen Flüssigkeiten sicherer, weniger flüchtig und einfacher wiederzuverwenden als die üblicherweise in der Industrie eingesetzten organischen Lösemittel. Zudem können sie die sechsfache Menge an gelösten Seltene-Erde-Ionen aufnehmen. Binnemans will nun außerdem ionische Lösungsmittel entwickeln, die gleichzeitig als Extraktionsmittel fungieren.

Einige Unternehmen adaptieren Trennverfahren aus anderen Branchen. "Wenn sie die Kosten senken können, werden sie durchaus wettbewerbsfähig sein", erläutert Lifton. An einer Lagerstätte in Alaska gewinnt beispielsweise das kanadische Bergbauunternehmen Ucore Rare Metals aus Bedford aus Erzen Seltenerdmetalle im Grammbereich – mit einer Reinheit von 99 Prozent. Dazu greifen sie auf Verfahren der Molekülerkennung zurück, die von IBC Advanced Technologies in American Fork, Utah, entwickelt wurden, um mit Wismut verunreinigtes Kupfer industriell zu reinigen und Platinmetalle aus alten Katalysatoren zurückzugewinnen.

Bei Ucore läuft eine Lösung aus vermengten Seltenen Erden nacheinander durch 17 verschiedene Säulen. Darin befinden sich jeweils maßgeschneiderte chemische Verbindungen, die nur ein spezifisches Element binden. Durch Spülen der Säule mit verdünnter Säure kann Letzteres anschließend mit einer Reinheit von 99 Prozent extrahiert werden. Laut Ucore muss das Verfahren je nach erwünschter Reinheit nur wenige Male wiederholt werden und könnte sich dadurch als effizient und umweltfreundlich erweisen. Gemeinsam mit Wissenschaftlern von IBC will das Unternehmen die Technik in den kommenden Monaten in einer Pilotanlage testen.

Abbau im Elektronikschrott

Seltene Erden selbst zu fördern, ist aber nicht immer eine Option – das gilt vor allem für Europa, wo es nur wenige Lagerstätten gibt und Bergbau auf breiten Widerstand trifft. Dennoch verfügen entwickelte Länder auf der gesamten Welt über eine potenziell reichhaltige Quelle für Seltene Erden – in Form von elektronischen Bauteilen. Die meisten Leuchtstoffröhren enthalten beispielsweise Europium, Yttrium und Terbium, und in starken Permanentmagneten findet sich typischerweise Neodym und Dysprosium. "Altgeräte schicken wir noch immer nach China", sagt Tom Van Gerven von der Katholischen Universität Löwen. "Das würden wir gerne verhindern. Erreichen ließe sich dieses Ziel, wenn wir das Recycling in Europa durchführen."

Die Herausforderung beim Recycling: Elektronikschrott weist meist eine geringere Konzentration an Seltenen Erden auf als Erz. Anderseits besitzt jedes elektronische Bauteil tendenziell weniger Elemente, die es zu trennen gilt.

Magnete werden üblicherweise in starken Säuren aufgelöst, um die Seltenen Erden zu gewinnen. Van Gerven sucht nach einer alternativen Methode: Er strahlt Ultraschallwellen auf die Magnete – eigentlich befreit man auf diese Weise Laborgerätschaften von Fremdpartikeln. Die Versuche sind zwar noch nicht abgeschlossen, doch der Chemieingenieur hofft, dass der Ultraschall die Magnetflächen allmählich abträgt. Auf diese Weise könnten Extraktionsmittel die Seltenen Erden abtrennen – ohne dass ein Säurebad den gesamten Magneten vorher zersetzt.

Auch am CMI beschäftigt sich ein Team mit Recycling: In einem Projekt sitzen die Extraktionsmittel auf einer Membran und fangen die Seltenen Erden auf, sobald diese in Lösung hindurchfließen. Mit diesem Verfahren ließen sich die Elemente auch aus sehr stark verdünnten Lösungen abscheiden, erläutert Projektleiter Eric Peterson vom Idaho National Laboratory. In den nächsten ein bis zwei Jahren soll das System marktreif sein.

Steigender Bedarf könnte zur Kehrtwende führen

Welchen Effekt diese ganze Forschung tatsächlich haben wird, lässt sich nur schwer vorhersagen – nicht zuletzt weil sich China im Wandel befindet. Peking reformiert derzeit seine Seltene-Erden-Industrie und verstärkt die Kontrollen. So legte es 140 Unternehmen zu nur sechs zusammen, geht hart gegen illegalen Bergbau vor, rangiert nicht benötigte Abscheidungsanlagen aus, um das Angebot zu verknappen und so die Preise zu erhöhen. Zudem leitet es Umweltschutzmaßnahmen ein, um diesen Industriezweig gleichzeitig profitabel und sozial verträglich zu gestalten. "In der Branche ging es zu wie im Wilden Westen", sagt Lifton, "nun werden die Zügel angezogen."

Diese Schritte könnten sich in den Betriebskosten der chinesischen Anlagen niederschlagen und westliche Firmen damit wettbewerbsfähiger machen. Doch mit der Abtrennung von Seltenen Erden allein ist es nicht getan, weiß King. Westliche Hersteller können längst nicht mit dem Firmenkonglomerat in China mithalten, in dem die selbst produzierten Seltenen Erden direkt weiterverarbeitet werden – zu Monitoren, Magneten, Lampen und vielem mehr. "Alle Glieder in dieser Kette müssen vorhanden sein", sagt der Wissenschaftler. Bis solche Fabriken auch im Westen entstehen, bleiben Seltenerdproduzenten wie Molycorp in Greenwood Village, Colorado, und Lynas im australischen Perth nur wenige Kunden außerhalb Chinas, die ihnen ihr Produkt abnehmen. Und da inzwischen die weltweite Nachfrage die Förderkapazitäten Chinas zu übersteigen droht, richten chinesische Produzenten bereits den Blick ins Ausland, um mit dem Abbau von Rohstoffen in Übersee den Eigenbedarf zu stillen.

Selbst wenn es westlichen Herstellern also gelingt, die einzelnen Elemente mit neu entwickelten Trennverfahren kostengünstiger zu produzieren, könnte die Ökonomie schließlich eine ironische Kehrtwende auslösen – indem China Seltene Erden aus dem Westen importiert.

Dieser Artikel erschien unter dem Titel "Chemistry: Degress of Separation" in "Nature".

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