Chemische Bindung: Selektiv-Rasenmäher
An einem Molekül herumzufeilen, überfordert jeden Feinmechaniker - meist entsteht dabei mehr Pfusch als alles andere. Neues Handwerkszeug soll Abhilfe schaffen.
Ach, aus dem ganzen Fitzelkram im chemischen Baukasten könnten ja so schöne Dinge zusammengebastelt werden! Theoretisch wäre es doch ganz einfach – nur hier und dort von einem Molekülchen ein Atömchen wegpflücken, da und dort ein anderes hinkleben – und schon ist aus einem Giftstoff ein Medikament geschneidert. Oder irgendetwas anderes Nützliches, die Möglichkeiten wären endlos.
In der Praxis ist niemand annähernd so weit: Atome zielgerichtet zu manipulieren, scheitert schlicht daran, dass die fragilen molekularen Einzelteile massenweise unter den dicken Fingern der Möchtegern-Ingenieure zerbröseln statt zu gehorchen – zu ungeschickt die Manipulationsversuche, zu grobschlächtig das Feingefühl des Instrumentariums. Ein durchschnittlich großes, also winziges Molekül an der richtigen Stelle anzufassen, um ihm an der anderen Seite ein Atom abzusäbeln, ist eben ein Job für das Skalpell, nicht den Vorschlaghammer.
Zwar ist längst klar, was so ein Skalpell zur atomgenauen Modellierung von Molekülen sein könnte: ein Laser, also ein scharf gebündelter Strahl von Photonen. Mit dem könnte man einfach auf das umzubauende Molekül halten – oder möglichst eher noch auf die Bindung zwischen dem Molekül und einem störenden Atom – und abdrücken. Schade nur, dass sich Moleküle "ziemlich unkooperativ" zeigen, wie etwa der Chemiker John Tully von der Yale-Universität kommentiert. Denn leider kann niemand das hochbewegliche Ziel genau genug ins Visier nehmen: Bindungen in Molekülen ähneln eben kaum den starren Strichen zwischen "C" und "H" in einem Chemiebuch, sondern schon eher einem bewegten Gewirr aus durcheinander flitzenden Elektronen, die hin und hergezerrt zwischen zwei Atomen ein diffuses Ladungswölkchen Kittmasse bilden.
Erfolgversprechender scheint da, nicht genauer zu zielen, sondern die richtige Laser-Munition zu verwenden. Und hier sind Philip Cohen von der Universität von Minnesota und seine Kollegen nun ein gehöriges Stück vorangekommen. Seit geraumer Zeit üben sie schon den gezielten Laserbeschuss auf eine industriell immer bedeutender werdende Bindung – jene zwischen Silizium und Wasserstoff. Si-H findet sich massenhaft in den Fertigungsstätten der Computerchip- und Solarpanelbranche, wo Silizium-Oberflächen durch Passivierung mit Wasserstoff vor Oxidation geschützt werden. Die schützende Schicht "H" auf der Fläche "Si" stört dann aber spätestens, sobald eine weitere Schicht Silizium aufgetragen werden soll – und der Wasserstoff wieder weg muss. Cohen und Co zeigen elegant, wie das geht und auch bei ganz anderen Bindungen gehen könnte.
Ihr nicht ganz neuer Ansatz: Bindung ist eben nie gleich Bindung in einem Molekül. Vielmehr bewegen sich zwei Atome je nach ihren elektrochemischen Eigenschaften zwischen ihrer verbindenden Kittmasse Elektronen mit einer typischen Frequenz aufeinander zu und voneinander weg. Diese charakteristische Bindungsfrequenz von Si-H regten Cohen und Kollegen nun aber mit einem in passender Resonanzfrequenz Infrarot strahlenden Freien-Elektronen-Laser sehr exakt an. Bei anderen Frequenzen schwingende Molekülbindungen sollten das engfrequente Laserlicht dagegen kaum absorbieren können – weswegen die diffuse Verteilung der Energie auf das gesamte Molekül wegfallen sollte.
Tatsächlich: Überall wo der Laser hinstrahlte, löste er spezifisch nur die Bindung zwischen Wasserstoff und Silizium. In einem Kontrollversuch hatten die Forscher ihre Silizium-Oberfläche neben Wasserstoff zudem auch zu mehr als vier Fünftel mit schwerem Deuterium ("D") passiviert. Der frequenzgenaue Laser unterschied aber dennoch sehr genau zwischen Si-H und Si-D und dampfte kaum Deuterium von der Silizium-Oberfläche: Nur weniger als fünf Prozent der freigelaserten Gase enthielten schweren Wasserstoff.
Selbst eine industrielle Anwendung ihrer Technik ist möglicherweise schon gar nicht mehr weit entfernt, freuen sich die Autoren – und damit können selbst Massenprodukte wie Solarzellen und Computerchips vielleicht bald schon deutlich effizienter produziert werden. Schließlich sind die Molekülmanipulatoren nicht nur einem präzisen Skalpell zur Atomrasur näher gekommen – ihr auf Silizium herumflitzender Laser ähnelt sogar schon einem selektiven Rasenmäher, der auf Silizium-Gras Wasserstoffhalme rupft und die sehr ähnlichen Deuterium-Stiele stehen lässt. Mit so einem Gerät wird genaues Zielen unnötig – man kann es einfach machen lassen.
In der Praxis ist niemand annähernd so weit: Atome zielgerichtet zu manipulieren, scheitert schlicht daran, dass die fragilen molekularen Einzelteile massenweise unter den dicken Fingern der Möchtegern-Ingenieure zerbröseln statt zu gehorchen – zu ungeschickt die Manipulationsversuche, zu grobschlächtig das Feingefühl des Instrumentariums. Ein durchschnittlich großes, also winziges Molekül an der richtigen Stelle anzufassen, um ihm an der anderen Seite ein Atom abzusäbeln, ist eben ein Job für das Skalpell, nicht den Vorschlaghammer.
Zwar ist längst klar, was so ein Skalpell zur atomgenauen Modellierung von Molekülen sein könnte: ein Laser, also ein scharf gebündelter Strahl von Photonen. Mit dem könnte man einfach auf das umzubauende Molekül halten – oder möglichst eher noch auf die Bindung zwischen dem Molekül und einem störenden Atom – und abdrücken. Schade nur, dass sich Moleküle "ziemlich unkooperativ" zeigen, wie etwa der Chemiker John Tully von der Yale-Universität kommentiert. Denn leider kann niemand das hochbewegliche Ziel genau genug ins Visier nehmen: Bindungen in Molekülen ähneln eben kaum den starren Strichen zwischen "C" und "H" in einem Chemiebuch, sondern schon eher einem bewegten Gewirr aus durcheinander flitzenden Elektronen, die hin und hergezerrt zwischen zwei Atomen ein diffuses Ladungswölkchen Kittmasse bilden.
"Beschossene Moleküle sind unkooperativ"
(John Tully)
Trifft nun der vage gezielte Photonenstrahl das Molekül, so wird die eingestrahlte Energie meist schlicht auf das gesamte System des geordneten, vibrierenden Atom-Elektron-Gemenge verteilt, das in Chemiebüchern wieder so einfach aussieht und Molekül heißt. Der gestreute Energie-Überschuss macht dann meist das, was auch simples Erhitzen angestellt hätte: Nicht die anvisierte, sondern einfach die schwächste der Bindungen im Molekül bricht auf. Was man wirklich auch leichter hätte haben können. (John Tully)
Erfolgversprechender scheint da, nicht genauer zu zielen, sondern die richtige Laser-Munition zu verwenden. Und hier sind Philip Cohen von der Universität von Minnesota und seine Kollegen nun ein gehöriges Stück vorangekommen. Seit geraumer Zeit üben sie schon den gezielten Laserbeschuss auf eine industriell immer bedeutender werdende Bindung – jene zwischen Silizium und Wasserstoff. Si-H findet sich massenhaft in den Fertigungsstätten der Computerchip- und Solarpanelbranche, wo Silizium-Oberflächen durch Passivierung mit Wasserstoff vor Oxidation geschützt werden. Die schützende Schicht "H" auf der Fläche "Si" stört dann aber spätestens, sobald eine weitere Schicht Silizium aufgetragen werden soll – und der Wasserstoff wieder weg muss. Cohen und Co zeigen elegant, wie das geht und auch bei ganz anderen Bindungen gehen könnte.
Ihr nicht ganz neuer Ansatz: Bindung ist eben nie gleich Bindung in einem Molekül. Vielmehr bewegen sich zwei Atome je nach ihren elektrochemischen Eigenschaften zwischen ihrer verbindenden Kittmasse Elektronen mit einer typischen Frequenz aufeinander zu und voneinander weg. Diese charakteristische Bindungsfrequenz von Si-H regten Cohen und Kollegen nun aber mit einem in passender Resonanzfrequenz Infrarot strahlenden Freien-Elektronen-Laser sehr exakt an. Bei anderen Frequenzen schwingende Molekülbindungen sollten das engfrequente Laserlicht dagegen kaum absorbieren können – weswegen die diffuse Verteilung der Energie auf das gesamte Molekül wegfallen sollte.
Tatsächlich: Überall wo der Laser hinstrahlte, löste er spezifisch nur die Bindung zwischen Wasserstoff und Silizium. In einem Kontrollversuch hatten die Forscher ihre Silizium-Oberfläche neben Wasserstoff zudem auch zu mehr als vier Fünftel mit schwerem Deuterium ("D") passiviert. Der frequenzgenaue Laser unterschied aber dennoch sehr genau zwischen Si-H und Si-D und dampfte kaum Deuterium von der Silizium-Oberfläche: Nur weniger als fünf Prozent der freigelaserten Gase enthielten schweren Wasserstoff.
Selbst eine industrielle Anwendung ihrer Technik ist möglicherweise schon gar nicht mehr weit entfernt, freuen sich die Autoren – und damit können selbst Massenprodukte wie Solarzellen und Computerchips vielleicht bald schon deutlich effizienter produziert werden. Schließlich sind die Molekülmanipulatoren nicht nur einem präzisen Skalpell zur Atomrasur näher gekommen – ihr auf Silizium herumflitzender Laser ähnelt sogar schon einem selektiven Rasenmäher, der auf Silizium-Gras Wasserstoffhalme rupft und die sehr ähnlichen Deuterium-Stiele stehen lässt. Mit so einem Gerät wird genaues Zielen unnötig – man kann es einfach machen lassen.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.