Embryonale Stammzellen: Stammzellforscher gibt Fehler in Durchbruchsstudie zu
Letzte Woche machte ein vermeintlicher wissenschaftlicher Durchbruch Schlagzeilen, dem zufolge es erstmals gelungen sei, aus klonierten menschlichen Zellen Stammzelllinien zu etablieren. Ein anonymer Onlinekommentator entdeckte nun jedoch vier problematische Stellen in der Veröffentlichung, die am 15. Mai im Journal "Cell" erschienen ist.
Der Hauptautor der Arbeit, Shoukrat Mitalipov, äußerte sich gegenüber "Nature", dass seinem Team bei der eiligen Zusammenstellung der Daten drei harmlose Fehler unterlaufen seien. Tatsächlich wurde die Studie in einer für viele Fachleute unbegreiflichen Eile zur Publikation vorbereitet: Es dauerte nur drei Tage vom Einreichen des Papers bis zu seiner Annahme und weitere zwölf Tage, bis es veröffentlicht wurde. Der vierte Fehler sei zudem kein echter Fehler, so Mitalipov weiter. "Die Ergebnisse sind real, die Zelllinien sind real, alles ist real", sagt der Reproduktionsmediziner an der Oregon Health and Science University in Beaverton.
Er sei gerade erst aus Europa zurückgekehrt und von E-Mails und Anrufen aus der "Cell"-Redaktion und Anfragen anderer Journalisten überflutet worden. Zwischenzeitlich habe er mit seinem Erstautor Masahito Tachibana, der Daten für die Veröffentlichung zusammengestellt hat, Rücksprache gehalten und könne bestätigten, dass der Artikel einfache Fehler enthalte. Sie würden nun "Cell" vorschlagen, über ein Erratum zum Paper zu beraten, in dem die auf PubPeer aufgeworfenen Probleme erläutert werden. Die Plattform ermöglicht anonymen Kommentatoren Anmerkungen zu veröffentlichten Studien.
Der erste Problemfall betrifft eine Bilddublette. Abbildung 2F, die eine klonierte Stammzelllinie mit "typischer Morphologie" zeigt, wird in der Abbildung 6D oben links erneut verwendet, wo sie als "hESO-7" bezeichnet wird – eine embryonale Stammzelllinie, die nicht durch Klonen, sondern durch In-vitro-Fertilisation (IVF) entstand. Laut Mitalipov sei diese Duplikation absichtlich, doch wurde die Beschriftung vertauscht. Die Abbildung 6D oben links sollte mit hESO-NT1 betitelt werden und damit eine klonierte Linie wie in Abbildung 2F bezeichnen, während das Bild oben rechts tatsächlich hESO-7 zeigt.
Eine derartige Verdrehung der Beschriftung erkläre zudem auch eine weitere Serie duplizierter Bilder: 6D oben rechts und die zusätzlich angefügte Abbildung S5 oben rechts. Die identischen Aufnahmen repräsentieren jeweils die hESO-7-Zelllinie. "Dann passt alles", sagt Mitalipov. Dennoch: Die Entscheidung, dieselben Bilder zu verwenden, um unterschiedliche Eigenheiten zu illustrieren (zum einen die typischen Morphologie wie in 2F und als Vergleichsbasis von Zellmarkern zwischen embryonalen Stammzellen und normalen IVF-Embryonen und geklonten Embryonen in 6D) "ist nicht ideal", meint Martin Pera, ein Stammzellexperte an der University of Melbourne. "Man betrachtet es als schlechten Stil – es sei denn, es gibt einen guten Grund dafür." Mitalipov verteidigt die Entscheidung, da nur eine begrenzte Anzahl von Fotos mit abgebildetem Maßstab zur Verfügung gestanden habe.
Der anonyme Kritiker weist auch darauf hin, dass das Paper zudem Duplikate bei den Punktwolkenbildern aufweise: Sie zeigen, dass in den klonierten Stammzelllinien die gleichen Gene wie in den IVF-Embryos aktiviert sind – ein Beleg dafür, dass das Klonen tatsächlich echte Stammzellen erzeugt hat. In Abbildung 6 des Zusatzmaterials sind zwei Punktwolken identisch. Laut Mitalipov wurden für das eine Bild falsche Daten verwendet, weshalb es jetzt durch das richtige Diagramm ersetzt werden soll.
Eine weitere Frage betrifft andere Punktwolkendiagramme im Zusatzmaterial: Zwei davon zeigen einen sehr hohen Grad an Übereinstimmung – jeweils 99,8 Prozent – im Muster der Genaktivität der beiden Zellreplikate. Dabei handelt es sich um klonierte Stammzellen aus derselben Ursprungslinie, die anschließend in unterschiedlichen Behältnissen kultiviert wurden. Man würde natürlich erwarten, dass sie sich stark ähneln, doch nicht so extrem stark, wie der Kritiker moniert. Mitalipov erwidert jedoch, dass sie sich eben so verhalten hätten: Die Rohdaten lägen im Internet für jeden ersichtlich offen. "Seine Erläuterungen klingen plausibel, doch müssen wir nun den Ausgang gründlicher Untersuchungen abwarten", fordert Pera.
Robin Lovell Badge vom MRC National Institute for Medical Research in London warnt ebenfalls vor vorschnellen Urteilen: "Ich gehe davon aus, dass sich die Fehler durch die Eile beim Publizieren eingeschlichen haben. Man sollte den Autoren die Möglichkeit geben, sich dazu zu äußern und die Fehler zu beheben."
Jeder, der Zugang zu den Zellen hat, sollte in der Lage sein zu bestätigen, dass sie durch Klonen erzeugt wurden. Die embryonalen Stammzelllinien sollten die Kern-DNA der klonierten Fibroblasten-Zelllinie aufweisen – eine weit verbreitete Linie –, aber gleichzeitig mitochondriale DNA der Eispenderin.
Gemeinsam mit einem Aufsichtsgremium seiner Fakultät arbeitet Mitalipov zurzeit an Übereinkommen, die den Austausch von Material mit anderen Labors regeln. Rund zehn Forschungseinrichtungen werden einen Blick auf seine Zellen werfen können. "Als Allererstes wollen wir, dass Kollegen unsere Ergebnisse bestätigen", meint der Forscher. "Wir verstecken die Zelllinien nicht."
Viele Wissenschaftler waren schockiert davon, dass "Cell" den Artikel innerhalb von nur drei Tagen akzeptiert hatte – vor allem wegen der wissenschaftlichen und ethischen Bedenken rund um das Klonen. Die letzte Arbeitsgruppe, die angeblich menschliche embryonale Stammzellen durch Klonen erzeugt hatte, wurde von Woo Suk Hwang von der University of Seoul angeführt. Die Wissenschaftler brachten zwei Studien 2004 und 2005 heraus, die sich später als gefälscht herausstellten: In Wahrheit war es ihnen nie gelungen, klonierte Zelllinien zu produzieren. Die ersten Zweifel erregten damals ebenfalls duplizierte und manipulierte Bilder.
"Gleich welchen Grund es hierfür gibt: Es ist erstaunlich, dass es wieder ein Paper zu diesem Thema betrifft. Der viertägige Review-Prozess war eindeutig unzureichend", kritisiert Arnold Kriegstein von der University of California in San Francisco. "Das ist Schlamperei in einem Ausmaß, das man nicht von einem derart bedeutenden Paper erwarten würde. Da macht man sich Gedanken, ob dies nicht nur die Spitze des Eisbergs sein könnte und ob nicht auch bei anderen Aspekten der Studie schlampig gearbeitet wurde, die nicht so offensichtlich sind." Vor sechs Jahren, als Mitalipov klonierte embryonale Stammzellen bei Affen erzeugt hatte, ließen "Nature"-Redakteure ihn sechs Monate bis zur Publikation warten – in der Zwischenzeit wurde die Studie von unabhängigen Kollegen wiederholt. Die Originalarbeit und die bestätigenden Daten wurden zusammen herausgebracht. "Wir gelten nun als vertrauenswürdiges Labor, da wir bereits gezeigt haben, dass unsere Ergebnisse echt sind", sagt Mitalipov.
Er gibt zu, dass er auf die Veröffentlichung gedrängt habe, damit er die Resultate auf der Tagung der International Society for Stem Cell Research im Juni präsentieren kann. "Möglicherweise waren wir zu eilig. Aber das hat nichts mit 'Cell' zu tun, sondern war mein Fehler." Mitalipov übernimmt auch die volle Verantwortung für die endgültigen Ergebnisse, obwohl Tachibana die Daten zusammengestellt hat. Er steht aber zu den Ergebnissen: "Ich persönlich habe diese Zellen produziert, und zusammen mit Masahito habe ich ihnen beim Wachstum zu Kolonien zugesehen."
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