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News: Steife Brise

In dünnen, interstellaren Gaswolken fanden Forscher ungemein hohe Konzentrationen eines reaktionsfreudigen Wasserstoffmoleküls. Ist dies ein Hinweis darauf, dass der kosmische Wind viel kräftiger weht und so viel mehr Wasserstoff zu ionisieren vermag?
Steife Brise
Immerhin, auch fernab aller Sterne, in den beinahe leeren Räumen der Milchstraße lassen Schockwellen ferner Supernovae eine ständige Brise geladener Teilchen wehen, die sich zwar mit dem Sonnenwind niemals messen könnte, die aber dennoch um einiges kräftiger ist als bislang angenommen. Womöglich löst sie in den dünnen und diffusen Gas- und Staubwolken des interstellaren Raums sogar bedeutsame chemische Reaktionen.

Diese dünnen diffusen Gas- und Staubwolken sind unsichtbar und verraten sich nur dadurch, dass die Sterne dahinter rötlich zu funkeln scheinen. In ihnen steigen die Temperaturen auf höchstens 100 Grad über dem absoluten Nullpunkt, und obwohl hier pro Kubikmeter nur 100 bis 300 Partikel umherschwirren, kann es zwischen ihnen zu chemischen Reaktionen kommen, an deren Ende komplexe Kohlenwasserstoffe stehen können, von denen manche glauben, sie seien die Saat des Lebens.

Angestoßen werden diese Reaktionen durch das überaus reaktionsfreudige H3+-Molekül, welches sein Extraproton allzu gern auf andere Atome oder Moleküle überträgt. Übrig bleibt dann H2-Gas – der Hauptbestandteil dieser Wolken. Als man das H3+-Molekül 1997 erstmals in den dünnen diffusen Wolken nachwies, war das Erstaunen allerdings groß, schließlich war die Konzentration des Moleküls hier 100-mal so hoch wie erwartet.

Bei den bisherigen Modellen haperte es also: Entweder wird im Zuge chemischer Reaktion weit weniger H3+ in H2-Gas umgewandelt, oder jene kosmische Strahlung ist viel kräftiger, ionisiert also mehr molekularen Wasserstoff und produziert so mehr H3+-Moleküle. Beides galt es nun zu prüfen.

Dazu begaben sich die Forscher um Benjamin McCall von der University of California zunächst ans Manne Siegbahn Laboratory in Stockholm, um H3+-Moleküle auf die Temperaturen in den dünnen diffusen Wolken abzukühlen, diese sodann im Cryring zu beschleunigen und mit Elektronen kollidieren zu lassen. Und tatsächlich: Zumindest im Labor ist H3+ weit weniger reaktionsfreudig als gedacht, bei den niedrigen Temperaturen einer interstellaren Wolke liegt die Rate gar 40 Prozent unter den bisherigen Schätzungen.

Allerdings sind die gemessenen H3+-Konzentrationen in den Wolken so hoch, dass sich die Kluft auch mit der geringeren Reaktivität nicht schließen ließe – woraufhin sich McCall und seine Mitarbeiter nach Hawaii aufmachten und das United Kingdom Infrared Telescope auf eine solche, bereits gut untersuchte Wolke in Richtung des Sterns Zeta Persei richteten – und die Rate bestimmten, mit der sich dort neue H3+-Moleküle bildeten.

Und siehe da: Es werden 40-mal so viele H2- zu H3+-Molekülen ionisiert wie bislang angenommen. Sollten die Laborergebnisse zur Rekativität und diese direkten Messungen zur Ionisationsrate stimmen, dann kann es nur den einen Schluss geben: Die Brise kosmische Strahlung im interstellaren Raum muss wesentlich kraftvoller wehen.

Obschon die Wissenschaftler ihre Ergebnisse im renommierten Fachblatt Nature unterbringen konnten, stoßen sie weltweit eher auf Skepsis. McCall kündigte deshalb bereits an, man wolle die Wolke erneut vermessen und seine, wie er sagt "ketzerischen Aussagen" entweder belegen oder widerlegen.

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