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Wahrnehmung: Stereoklang im Unterkiefer

Schlangen haben keine äußerlich sichtbaren Ohren. Da Trommelfell und Paukenhöhle fehlen, hören sie auch keine Luftschwingungen. Trotzdem verfügen sie über ein funktionsfähiges Innenohr mit einer Cochlea (Schnecke). Damit verarbeiten sie Bodenschwingungen, welche die Kriechtiere über ihren Unterkiefer wahrnehmen. Wissenschaftler haben jetzt gezeigt, dass Schlangen auf diese Weise auch feststellen können, in welcher Richtung sich die Quelle der Schwingung befindet.

Ein Beutetier verursacht Oberflächenwellen ähnlich denen, die auf einem Teich entstehen, wenn man einen Kiesel hineinwirft. Legt das Reptil seinen Kopf auf den Sand, bewegt eine Welle die nur durch Bänder verbundenen Teile ihres Unterkiefers unabhängig voneinander auf und ab. Kommt sie zum Beispiel von links, erreicht sie die linke Hälfte des Unterkiefers einen Bruchteil einer Sekunde früher und hebt ihn zuerst an.

Leo van Hemmen und Paul Friedel von der Technischen Universität München haben jetzt zusammen mit ihrem amerikanischen Kollegen Bruce Young nachgewiesen, dass Schlangen in der Lage sind, diesen winzigen Unterschied in räumliche Informationen zu übersetzen. Der zweigeteilte Unterkiefer entwickelte sich ursprünglich, weil Schlangen damit größere Beute verschlingen können. Diese anatomische Besonderheit ermöglichte den Reptilien dann aber auch, wie Vögel und Säugetiere räumlich zu „hören“.

Lars Fischer

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