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News: Stille Zell-Post

Zellen übermitteln Anweisungen von außen zu ihren ausführenden Organen im Inneren auf einer komplizierten molekularen Befehlskette. Sich dort einzuklinken, verlangt wohl noch größere Umsicht als vermutet.
Erhält eine Körperzelle einen Befehl von außen, so wird der molekulare Bote zumeist nicht direkt in die zelluläre Schaltzentrale, den Zellkern, vorgelassen. Viel häufiger nimmt die Botschaft von außen einen kompliziert erscheinenden Umweg über eine ganze Kette verschiedener Meldeläufer: Enzyme, die durch Signalmoleküle ihrerseits dazu aktiviert werden, ein nachfolgendes Glied ihrer spezifischen Informationskette zur Aktion zu bewegen. Nach einigen Zwischenstationen dieser stillen Proteinpost führt dann ein abschließendes Glied der intrazellulären Signaltransduktions-Kette den Befehl im Zellkern aus.

Fehler in dieser Signal-Übermittlung können fatale Folgen haben und schwerwiegende Krankheiten auslösen. Wo Risiken lauern, liegen aber auch Chancen, und so verwundert es nicht, dass die ebenso spezifischen wie komplexen Signaltransduktionsmechanismen schon früh auch als interessanter Ansatzpunkt für die Bekämpfung schwerwiegender Krankheiten galten.

Soweit die Theorie. In der Praxis hält die Unübersichtlichkeit der Signalübertragungswege meist noch unvorhergesehene Überraschungen parat. Ein Beispiel: die so genannte NF-kappa-B-Signaltransduktion. Ausgelöst wird diese Informationskette durch das extrazelluläre Signal TNF, den Tumor-Nekrose-Faktor. TNF dient im menschlichen Organismus als eines der zentralen extrazellulären Kommunikationsmoleküle im Kampf gegen Krebs. Demzufolge ist gut untersucht, welche Auswirkungen das Signal auf die von ihm aktivierten Zellen des Immunsystems hat: TNF bewirkt letzlich den Abbau bestimmter Hemmstoffe, der I-kappa-B-Proteine. Diese wiederum binden und deaktivieren, solange sie nicht selbst abgebaut werden, das Eiweiß NF-kappa-B, das als Transkriptionsfaktor der zellulären Maschinerie die Aktivierung bestimmter Gene befiehlt. Unter dem Einfluss von NF-kappa-B entstehen gleich mehrere wichtige Proteine des Immunsystems – aber eben nur dann, wenn das externe Signal TNF die I-kappa-B-Hemmstoffe daran hindert, ihrerseits NF-kappa-B zu blockieren.

Diese Signalkette muss zudem aber nach einer gewissen Zeit abgeschaltet werden, da ansonsten die einmal angelaufene Produktion der Proteine ja nie mehr stoppen würde. Dafür sorgen in Zellen oft negative Rückkopplungsmechanismen. So auch im Fall der NF-kappa-B-Signaltransduktion: Neben den Immunproteinen wird unter dem Einfluss von NF-kappa-B auch das Protein I-kappa-B-alpha hergestellt – eines der erwähnten, den Transkriptionsfaktor NF-kappa-B blockierenden I-kappa-B-Eiweiße.

Eine etwas vereinfachte Darstellung der Realität, wie nun Alexander Hoffmann vom California Institute of Technology und Andre Levchenko von der Johns Hopkins University verdeutlichten. Sie gingen dafür zunächst von einer Reihe theoretischer Überlegungen aus: Wäre das System genau wie beschrieben verwirklicht, so würden – bei einem andauernden TNF-Reiz – Aktivität und Blockade des NF-kappa-B ständig hin und her oszillieren. Dies deckt sich allerdings nicht mit den Beobachtungen am lebenden System, denn hier zeigen sich zwar tatsächlich ähnlich regelmäßige ansteigende und abfallende Aktivitätsphasen des Transkriptionsfaktors NF-kappa-B – diese Aktivitäts-Sinuskurve flacht aber schnell zunehmend wieder ab, ist also stark gedämpft.

Mit Hilfe einer neuentwickelten Computersimulation machten sich die Forscher auf die Suche nach dem Verursacher dieser Aktivitätsdämpfung. Als vielversprechende Kanditaten entpuppten sich in diesen Modellvorhersagen andere, zuvor bereits bekannte Proteine der I-kappa-B-Familie, deren Funktion aber bislang mysteriös geblieben war: Die NF-kappa-B-Hemmstoffe I-kappa-B-alpha und I-kappa-B-epsilon. Beide werden nicht in Genen codiert, die von NF-kappa-B reguliert werden und können dieses daher kontinuierlich, da selbst nicht durch eine negative Rückkopplung beeinflusst, blockieren.

Nachfolgende Experimente an Maus-Immunzelllinien bestätigten den Wissenschaftlern dann tatsächlich die Vorhersagen des Computers: Eine Mauszellinie, der die Fähigkeit zur Produktion von I-kappa-B-alpha und I-kappa-B-epsilon fehlte, zeigte genau das vorhergesagte, ungedämpft oszillierende NF-kappa-B-Aktivitätsmuster.

Die NF-kappa-B-Aktivitätsdämpfung könnte, nach Ansicht der Forscher, eine wichtige biologische Regulationsfunktion besitzen. Schließlich entscheidet das Ausmaß der Dämpfung darüber, wie stark und ausdauernd NF-kappa-B auf die DNA einwirkt – was wiederum beeinflussen kann, welche der verschiedenen von NF-kappa-B-abhängigen Genprodukte tatsächlich auch entstehen: So werden manche der von NF-kappa-B aktivierten Gene – die so genannten frühen Gene – nahezu sofort nach Einsetzen des aktivierenden Signals abgelesen, andere aber – die späten Gene – erst nach einiger Zeit andauernder aktivierender Wirkung. Diese zeitliche Staffelung könnte demnach durch die I-kappa-B-abhängige Dämpfung beeinflusst werden.

Als Endziel streben die Forscher nun an, ihre computergesteuerte Signaltransduktionssimulation zu perfektionieren. Es soll danach möglich sein, so hoffen sie, eine Vielzahl von möglichen Eingriffen in die zellulären Informationsübertragung zu simulieren – und damit Geld und Zeit zu sparen, bevor teure Holzwege in der Medikamentenentwicklung eingeschlagen werden müssen. Für Krebspatienten ein eher theoretischer, noch weit entfernter Hoffnungschimmer am Horizont. Die Leiden mancher Versuchstieren könnten aber vielleicht mit Hilfe der computertechnologischen Methoden schon früher unnötig werden.

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