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News: Strahlung im Verzug

Wenn das Röntgenobservatorium Chandra tief in den Weltraum späht, liefert es nicht nur faszinierende Aufnahmen. Es hilft Astronomen auch dabei, ein ganz grundlegendes Problem zu lösen - nämlich die Distanz zu fernen Objekten zu bestimmen. Solche Entfernungen können die Wissenschaftler nicht direkt messen, sondern sie müssen auf eine Reihe von ausgeklügelten, aber recht unsicheren Techniken ausweichen. Chandra bietet ihnen jetzt eine weitere Alternative: Da Röntgenstrahlen an Staubteilchen in einem kleinen Winkel gestreut werden, erreichen die Strahlen, die ein Halo um die Quelle bilden, das Teleskop zeitlich verzögert. Aus dieser Differenz können die Forscher die Entfernung des Objektes berechnen.
Eine grundlegende Frage für Astronomen ist, wie weit ein Objekt von der Erde weg ist. Doch die bisherigen Techniken zur Entfernungsmessung im All sind recht unsicher. Eine neue Methode beruht nun darauf, dass Röntgenstrahlen an interstellaren Staubkörnern gestreut werden. Obwohl es sich dabei um eine andere Art von Teilchen handelt, entsteht dabei wie bei einer Ampel im Nebel ein Halo, eine Art leuchtender Hof. Wenn die Ampel umschaltet – zum Beispiel von rot nach grün –, kommt das gestreute Licht einen winzigen Augenblick später beim Beobachter an als die Strahlen, die den direkten Weg genommen haben. Aus diesem Zeitunterschied lässt sich die Entfernung des Objektes berechnen. Im Falle einer Ampel wäre das kaum sinnvoll, denn die Differenzen belaufen sich hier auf einige Milliardstel einer Sekunde. Bei einer Entfernung von 30 Lichtjahren jedoch kann die Verzögerung schon 15 Minuten betragen, erklärt Peter Predehl vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching.

Joachim Trumper vom gleichen Institut hatte diese Methode schon vor 27 Jahren zusammen mit einem Kollegen vorgeschlagen. Allerdings muss die Strahlung dafür sehr energiereich sein, damit sie nur unter einem kleinen Winkel gestreut wird. Sichtbares Licht kommt daher nicht in Frage, wohl aber Röntgenstrahlen. So konnten die Wissenschaftler erst jetzt, als Chandra seinen Blick auf Cygnus X-3 richtete, überprüfen, ob sich ihre theoretischen Überlegungen auch in der Praxis anwenden lassen. Diese Röntgenquelle ist so etwas wie eine kosmische Ampel, beziehungsweise eher ein Leuchtturm. Ihre Röntgenstrahlemissionen schwanken regelmäßig innerhalb von 4,8 Stunden, da ein Neutronenstern oder ein schwarzes Loch einen nahe gelegenen Begleitstern umkreist. Die Strahlung des Halo wird verzögert und verwischt, was die Schwankungen dämpft. Im inneren Teil des Lichthofes ist dieser dämpfende Effekt nur gering, in den äußeren Regionen sind die periodischen Veränderungen aber gar nicht mehr zu erkennen.

Die Forscher beobachteten Cygnus X-3 dreieinhalb Stunden lang mit dem Advanced CCD Imaging Spectrometer (ACIS). Aus den Zeitverzögerungen und den Schwankungen an bestimmten Stellen des Halo berechneten sie für die Quelle dann eine Entfernung von 30 000 Lichtjahren. Die Genauigkeit liegt bei etwa 20 Prozent, da die Beobachtungszeit keinen vollständigen Zyklus der Röntgenquelle umfasste. Die Wissenschaftler hoffen, dass sie mit Daten aus längeren Zeitintervallen die Berechnungen noch verfeinern können.

Prinzipiell könnten Wissenschaftler die Methode auch dafür einsetzen, die Distanzen von näheren Objekten wie der Großen und Kleinen Magellanschen Wolke oder des Andromeda-Nebels zu bestimmen. Denn mit jeder genauen Entfernungsangabe können die Astronomen mehr auf das Alter und die Ausdehnung des Universums schließen.

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