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»DHS Jahrbuch Sucht«: Was die Deutschen im Pandemiejahr 2020 konsumierten

Deutschland sei nach wie vor ein »Hochkonsumland« für Alkohol, sagen Suchtexperten. Die Coronakrise wirkte sich auf die konsumierten Drogenmengen aber offenbar nur wenig aus.
Heute Abend mal ein Bier!

Wie sich die Corona-Pandemie auf das Suchtverhalten der Deutschen auswirkte, lässt sich dem aktuell erschienenen »DHS Jahrbuch Sucht 2021« entnehmen, das die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen in Hamm herausgibt. Sie liefert darin genaue Zahlen und Daten zum Alkohol- und Tabakkonsum, zum Missbrauch harter Drogen und zu weiteren Abhängigkeiten wie Spielsucht.

Tabakkonsum

Laut der Untersuchung wurde im Jahr 2020 fünf Prozent mehr Geld für Tabak ausgegeben als im Vorjahr (28,8 Milliarden Euro). Der Pfeifentabakkonsum schnellte hoch – um gut 44 Prozent auf fast 6000 Tonnen, in erster Linie wegen des bei jüngeren Leuten gefragten Shisha-Rauchens. Wegen geschlossener Grenzen, die den Kauf günstiger Zigaretten verhinderten, seien außerdem viele Raucher auf selbst gedrehte Zigaretten ausgewichen. Der Verbrauch von Feinschnitt lag bei 26 328 Tonnen (plus 10,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr). Das entspreche etwa 40 Milliarden selbst gedrehten Zigaretten.

Insgesamt sei die Zahl der Raucher jedoch rückläufig. Dennoch würden Jahr für Jahr bundesweit weit mehr als 100 000 Menschen an den Folgen des Rauchens sterben, so die DHS.

Alkoholmissbrauch

Wegen des deutlich überdurchschnittlichen Alkoholkonsums im Vergleich zu den Nachbarn bezeichnet die DHS Deutschland als »Hochkonsumland«. Etwa 1,6 Millionen Menschen in Deutschland seien abhängig vom Alkohol, weitere 1,4 Millionen Menschen würden Alkohol missbräuchlich konsumieren, das heißt, ihn in großen Mengen trinken oder unter Alkoholeinfluss riskantes Verhalten zeigen, heißt es in einer Pressemitteilung der Organisation. »Es besteht ein dringender Handlungsbedarf, den nationalen Alkoholkonsum zu reduzieren«, sagt der stellvertretende Geschäftsführer der DHS Peter Raiser.

Wie entwickelt sich die Pandemie? Welche Varianten sind warum Besorgnis erregend? Und wie wirksam sind die verfügbaren Impfstoffe? Mehr zum Thema »Wie das Coronavirus die Welt verändert« finden Sie auf unserer Schwerpunktseite. Die weltweite Berichterstattung von »Scientific American«, »Spektrum der Wissenschaft« und anderen internationalen Ausgaben haben wir zudem auf einer Seite zusammengefasst.

Noch fehle es aber an Studien über die Auswirkungen der Pandemie auf das Alkoholverhalten. Auch Konsumdaten aus 2020 liegen der DHS noch nicht vor. 2018 lag der durchschnittliche Alkoholkonsum bei 10,7 Litern reinen Alkohols pro Kopf und Jahr, das war nur minimal mehr als im Jahr davor. Im Lockdown und anderen belastenden Situationen werde Alkohol häufig als vermeintlicher Stresslöser genutzt, schreibt die DHS und warnt, dass dies schnell zur Gewohnheit werden könne. Langfristig drohe die Gefahr einer Abhängigkeit. Wie das Statistische Bundesamt im März mitteilte, ist der Alkoholkonsum der Deutschen im Jahr 2020 allerdings leicht gesunken. Besonders in den Lockdown-Monaten sei der Bierabsatz zurückgegangen.

Abhängigkeit von Medikamenten

Unabhängig von der Coronakrise sei dagegen der Medikamentenmissbrauch in Deutschland. Rund 1,5 bis 1,9 Millionen Menschen seien von Arzneimitteln wie Schlaf- und Beruhigungsmitteln oder von opioidhaltigen Schmerzmitteln und Psychopharmaka abhängig, schätzt die DHS in ihrem Jahrbuch. Hochgerechnet 1,6 bis 3,9 Millionen Menschen im Alter zwischen 18 und 64 Jahren nähmen zu häufig oder in zu hohen Dosen nichtopioidhaltige Schmerzmittel ein.

Illegale Drogen

Die Zahl der Drogentoten stieg in Deutschland auf 1581 Menschen – 2019 waren 1398 Personen am Konsum illegaler Substanzen gestorben. Die meistkonsumierte illegale Droge in Deutschland sei Cannabis: 368 000 Jugendliche und 3,7 Millionen Erwachsene hatten es in den letzten zwölf Monaten konsumiert. Laut Hochrechnungen von 2018 seien rund 309 000 Cannabisnutzer abhängig von der Droge. Kokainsucht liege bei 41 000 Personen vor, bei Amphetaminen seien es 103 000 Abhängige.

Spielsucht

Befürchtungen, in der Pandemie werde das Online-Glücksspiel boomen, haben sich bisher nicht bestätigt, sagt Ilona Füchtenschnieder, Vorsitzende des Fachverbands Glücksspielsucht. Hier zeigten sich auch positive Effekte. Wer zuvor in Spielhallen gezockt habe, wandere nicht zwangsläufig ins Internet ab. Negativ sei aber die zum 1. Juli 2021 geplante Änderung des Glücksspielstaatsvertrags. Damit würden die bislang fast überall verbotenen Online-Kasinos legal. Sie warnt: »Das gleicht einer Kundenbeschaffungsmaßnahme in diesem gefährlichen Bereich.«

Update: Wir haben Beitrag um weitere Angaben zum Alkoholkonsum ergänzt.

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