Elementchemie: Superschwere Eigenschaften
Wissenschaft geht manchmal über die Natur hinaus: Superschwere Atome wie Element 112 gibt es nur aus der Retorte von Teilchenbeschleunigern. Für kurze Zeit. So kurz, dass es extrem schwierig ist, deren chemische Vorlieben zu erforschen.
Es ist eng in den Schwergewichten des Periodensystems. Bis zum Uran verläuft noch alles, wie wir es in der Schule gelernt haben. Die Elektronen kreisen auf berechenbaren Bahnen um ihre Kerne und bestimmen, ob und wie wer mit wem eine Bindung eingeht. Im Prinzip gilt das auch für die synthetischen Elemente, die in speziellen Laboratorien bei der Verschmelzung von leichten, mittleren und schweren Kernen entstehen. Nur, dass im Bereich weit jenseits der natürlichen Atome zusammenlebt, was niemals zusammengehört. Mit Folgen.
Wieso aber leben manche überschweren Kerne länger als andere? Wie sind diese aufgebaut, und warum reißt überhaupt die Abstoßungskraft der Protonen nicht alles sofort auseinander? Physiker nennen diesen begrenzten Abschnitt hyperschwerer Kerne, deren Struktur so stabil ist, dass die Atome Minuten, Stunden, Tage, Wochen oder gar noch länger leben, "Insel der Stabilität".
Mit solchen Exemplaren ließe sich womöglich sogar richtig klassische Chemie betreiben – also Substanzen zusammenkippen und beobachten, was in Reaktion mit anderen Stoffen passiert. Da eine solche chemische Reaktion ihre Zeit braucht, ist mit superschweren, aber nicht auf der Insel angesiedelten Kunstelementen chemisch kaum etwas anzufangen ist.
Nur theoretisch. Doch auch das ist nicht mehr so einfach wie zu Schulzeiten. Element 112 beispielsweise hat theoretisch eine äußere Elektronenbesetzung von 5f146d107s2. In Worten: Es gehört mit Zink, Kadmium und Quecksilber in eine Gruppe des Periodensystems, zeigt nach außen aber eine vollbesetzte s-Schale, was es in die Nähe der Edelgase rückt. Metall oder Edelgas? Chemisch macht das einen gewaltigen Unterschied. Das potenziell verwandte Quecksilber etwa geht gerne Legierungen mit anderen Metallen ein, das konkurrierende Edelgas Radon hingegen nicht.
Und Element 112? Wie würde das Superschwergewicht sich verhalten? Die Theorie hilft hier nicht viel weiter – im Gegenteil: Sie verwirrt nur noch mehr. Denn die starke Anziehungskraft des massigen Kerns auf die Elektronen die Bewohner der Atomhülle mächtig in Schwung. Beinahe Lichtgeschwindigkeit erreichen sie auf ihren Bahnen, womit relativistische Effekte deutlich hervortreten und die Rechnungen richtig kompliziert machen. Vor allem, weil es keine experimentellen Daten gibt, an denen verschiedene Interpretationen auf ihre Aussagekraft geprüft werden können.
Doch diese Lücke ist nun geschlossen: Ein Team um Robert Eichler vom Paul Scherrer Institut in der Schweiz am russischen Flerov-Kernforschungszentrum in Dubna hat nun die ersten bescheidenen, aber bedeutenden chemischen Experimente mit Element 112 durchgeführt. Ein Superschwergewicht auf dem reaktiven Prüfstand.
Der bestand aus einem Strahl von Kalzium-Atomen, die auf ein Ziel aus Plutonium prallten. Bei der Kollision der Kerne kam es gelegentlich zur Bildung von Element 112 sowie Quecksilber und Radon – der Kandidat und die potenzielle Verwandtschaft liefen somit zusammen durch die weitere Apparatur. Ein Gasgemisch aus Helium und Argon führte die Atome in einen Detektor mit starkem Temperaturgefälle. Am Eingang der Teststrecke herrschten noch -24 Grad Celsius beziehungsweise in einem zweiten Durchgang +35 Grad Celsius. Das Ende war jedoch mit flüssigem Stickstoff auf rund -180 Grad Celsius herabgekühlt. Die Wände besetzten goldbeschichtete Siliziumdetektoren.
Je reaktionsfreudiger ein Element ist, so war die Überlegung, umso früher würde es sich in dem Gang an das Gold anlagern und dort beim unausweichlichen radioaktiven Zerfall von den Detektoren entdeckt. Wie erwartet, blieb dementsprechend das Quecksilber schon im ersten Viertel der Detektoren hängen, wo es noch relativ warm war. Das Radon lagerte sich hingegen erst bei sehr tiefen Temperaturen ab, und dort vermutlich nur, weil sich eine kleine Schicht aus Wassereis gebildet hatte.
Und das Element 112? Handelte es als legierfreudiges Metall oder reaktionsträges Edelgas? Es bekannte sich zu seiner metallischen Ader. Zwar konnten die Wissenschaftler nur zwei Atome nachweisen, doch die verbanden sich deutlich im vorderen Bereich mit dem Gold. Eben ganz der übergroße Bruder des Quecksilbers.
Superschwere Elemente ähneln chemisch folglich den kleinen Vertretern ihrer Familien im Periodensystem – soweit sich das mit diesem einen Experiment sagen lässt. Denn wie jeder Schüler weiß: In einem vernünftigen Chemiekasten stecken mindestens hundert Versuche. Da gibt es noch vieles, was zusammengekippt werden kann.
Wieso aber leben manche überschweren Kerne länger als andere? Wie sind diese aufgebaut, und warum reißt überhaupt die Abstoßungskraft der Protonen nicht alles sofort auseinander? Physiker nennen diesen begrenzten Abschnitt hyperschwerer Kerne, deren Struktur so stabil ist, dass die Atome Minuten, Stunden, Tage, Wochen oder gar noch länger leben, "Insel der Stabilität".
Mit solchen Exemplaren ließe sich womöglich sogar richtig klassische Chemie betreiben – also Substanzen zusammenkippen und beobachten, was in Reaktion mit anderen Stoffen passiert. Da eine solche chemische Reaktion ihre Zeit braucht, ist mit superschweren, aber nicht auf der Insel angesiedelten Kunstelementen chemisch kaum etwas anzufangen ist.
Nur theoretisch. Doch auch das ist nicht mehr so einfach wie zu Schulzeiten. Element 112 beispielsweise hat theoretisch eine äußere Elektronenbesetzung von 5f146d107s2. In Worten: Es gehört mit Zink, Kadmium und Quecksilber in eine Gruppe des Periodensystems, zeigt nach außen aber eine vollbesetzte s-Schale, was es in die Nähe der Edelgase rückt. Metall oder Edelgas? Chemisch macht das einen gewaltigen Unterschied. Das potenziell verwandte Quecksilber etwa geht gerne Legierungen mit anderen Metallen ein, das konkurrierende Edelgas Radon hingegen nicht.
Und Element 112? Wie würde das Superschwergewicht sich verhalten? Die Theorie hilft hier nicht viel weiter – im Gegenteil: Sie verwirrt nur noch mehr. Denn die starke Anziehungskraft des massigen Kerns auf die Elektronen die Bewohner der Atomhülle mächtig in Schwung. Beinahe Lichtgeschwindigkeit erreichen sie auf ihren Bahnen, womit relativistische Effekte deutlich hervortreten und die Rechnungen richtig kompliziert machen. Vor allem, weil es keine experimentellen Daten gibt, an denen verschiedene Interpretationen auf ihre Aussagekraft geprüft werden können.
Doch diese Lücke ist nun geschlossen: Ein Team um Robert Eichler vom Paul Scherrer Institut in der Schweiz am russischen Flerov-Kernforschungszentrum in Dubna hat nun die ersten bescheidenen, aber bedeutenden chemischen Experimente mit Element 112 durchgeführt. Ein Superschwergewicht auf dem reaktiven Prüfstand.
Der bestand aus einem Strahl von Kalzium-Atomen, die auf ein Ziel aus Plutonium prallten. Bei der Kollision der Kerne kam es gelegentlich zur Bildung von Element 112 sowie Quecksilber und Radon – der Kandidat und die potenzielle Verwandtschaft liefen somit zusammen durch die weitere Apparatur. Ein Gasgemisch aus Helium und Argon führte die Atome in einen Detektor mit starkem Temperaturgefälle. Am Eingang der Teststrecke herrschten noch -24 Grad Celsius beziehungsweise in einem zweiten Durchgang +35 Grad Celsius. Das Ende war jedoch mit flüssigem Stickstoff auf rund -180 Grad Celsius herabgekühlt. Die Wände besetzten goldbeschichtete Siliziumdetektoren.
Je reaktionsfreudiger ein Element ist, so war die Überlegung, umso früher würde es sich in dem Gang an das Gold anlagern und dort beim unausweichlichen radioaktiven Zerfall von den Detektoren entdeckt. Wie erwartet, blieb dementsprechend das Quecksilber schon im ersten Viertel der Detektoren hängen, wo es noch relativ warm war. Das Radon lagerte sich hingegen erst bei sehr tiefen Temperaturen ab, und dort vermutlich nur, weil sich eine kleine Schicht aus Wassereis gebildet hatte.
Und das Element 112? Handelte es als legierfreudiges Metall oder reaktionsträges Edelgas? Es bekannte sich zu seiner metallischen Ader. Zwar konnten die Wissenschaftler nur zwei Atome nachweisen, doch die verbanden sich deutlich im vorderen Bereich mit dem Gold. Eben ganz der übergroße Bruder des Quecksilbers.
Superschwere Elemente ähneln chemisch folglich den kleinen Vertretern ihrer Familien im Periodensystem – soweit sich das mit diesem einen Experiment sagen lässt. Denn wie jeder Schüler weiß: In einem vernünftigen Chemiekasten stecken mindestens hundert Versuche. Da gibt es noch vieles, was zusammengekippt werden kann.
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