Dinosaurier-Anatomie: T.-rex-Schädel mit cleverer Klimaanlage
Der Schädel des beliebtesten aller lebenden und toten Riesenraubtiere, Tyrannosaurus rex, ist in vielen Jahrzehnten Forschungsarbeit bestens untersucht worden – und liefert trotzdem immer wieder Stoff für schöne wissenschaftliche Spekulationen. Die neueste haben gerade Forscher der University of Missouri angestoßen: Sie machen sich originelle Gedanken zu den beiden prominenten Schädelöffnungen des Dinosauriers. Eigentlich ist seit Langem ausgemacht, wozu diese von Anatomen »dorsotemporal« genannten Schädelfenster gedient haben: als großflächiger Ansatzpunkt für die enormen Kiefermuskelstränge, die den Kauapparat des großen ausgestorbenen Fleischfressers angetrieben haben. Doch das ist nicht die ganze Wahrheit, meint die Gruppe um Casey Holliday im Fachblatt »The Anatomical Record«: Besondere Aussparungen im Bereich der Öffnungen dienten ihrer Meinung nach vor allem dazu, Wärme besser abzuleiten und so ein Überhitzen des Gehirns zu verhindern.
Die Idee kam den Forschern beim Blick auf die Schädel von Alligatoren, die mit Dinosauriern wie T. rex zu den Archosauriern zählen und zumindest im Grundbauplan eine ähnliche Schädelstruktur mit zwei Schädelfenstern hinter und einer zusätzlichen Schädelöffnung vor der Augenhöhle aufweisen. Die unten hinter der Augenhöhle liegenden Dorsotemporalfenster im Schädel haben bei den Alligatoren allerdings nicht wirklich eine ideale Position als Muskelansatz. Ähnliches gilt für einen weiteren recht nahen, lebenden Verwandten des ausgestorbenen Dinosauriers: den Truthahn. Auffällig in den Schädeln der zwei lebenden und des ausgestorbenen Archosauriers ist die so genannte Fossa frontoparietale, eine Aussparung im Bereich der Schädelöffnung.
Bei lebenden Dinosauriernachfahren wie den Vögeln und Alligatoren liegen in dieser Aussparung ein Bündel Blutgefäße sowie Fettgewebe – und besetzen dabei Raum, der eigentlich von Muskelsträngen belegt werden könnte, wenn es nur darum ginge, die Beißkraft zu optimieren. Die Strukturen verdrängen aber nicht bloß Muskeln, sondern verlaufen auch verdächtig nahe an der Hautoberfläche. Die Forscher schlussfolgern, dass die Gefäßbündel mit dem Blut Wärme aus dem Schädelinneren abpumpen und oberflächennah abstrahlen. Sie fungieren demnach als eine Art Thermostat oder Klimaanlage des Schädels. Das bestätigten Aufnahmen mit Wärmekameras vom Alligatorschädel: An den entscheidenden Schädelöffnungen wird von den Tieren offenbar wirklich vermehrt Hitze abgestahlt. Dies geschieht zudem abhängig von der Umgebungstemperatur. Denn heiß werden die Fenster vor allem in der Mittagshitze bei direkter Sonneneinstrahlung – zu einem Zeitpunkt also, an dem besonders effizient gekühlt werden muss.
Wie heute bei Alligatoren könnte das nach Lage der anatomischen Strukturen früher bei Dinosauriern ebenfalls funktioniert haben, meinen die Wissenschaftler: Die Fossa frontoparietale findet sich sowohl bei T. rex wie bei kleineren zweibeinigen Fleischfressern, etwa den Velociraptoren. Die Tiere könnten mit dem Blutkühlsystem neben dem Gehirn vor allem die Augen gekühlt haben, spekulieren die Forscher – die bei den Jägern, die optischen Reizen hinterherspürten, auch an heißen Tagen leistungsfähig bleiben mussten. Zudem ist denkbar, dass die Durchblutung oberflächennaher Hautpartien am Kopf noch ganz andere Zwecke erfüllt hat: Ein Netz gut durchbluteter Adern könnte auch die Hautfarbe verändert haben, so dass die Dinos vielleicht farbige Balz- oder Warnsignale auf der Haut präsentierten. Spekulieren lässt sich sogar über bisher unbekannte Weichteilstrukturen, die, gespeist durch die Aderbündel der frontoparietalen Fossa, mit erhöhtem Blutdruck am Kopf des Tieres angeschwollen sein könnten.
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