Energie: Tausche Methan gegen Kohlendioxid
Ein von deutschen Forschern vorangetriebenes Projekt soll unsere Energieversorgung sichern und gleichzeitig das Klima schonen: Es tauscht Methanhydrate gegen Kohlendioxid.
In der Tiefsee verbirgt sich ein immenser Schatz, der unseren Bedarf an Strom und Wärme auf Jahrzehnte sichern könnte: Methanhydrate – in Wassereis eingelagertes, stark verdichtetes Faulgas, das auch im normalen Erdgas einen großen Anteil ausmacht. "Wie viel Methanhydrat da unten vorkommt, entzieht sich bislang jeder fundierten Schätzung. Sicher ist aber, dass es die Menge der bekannten Erdgasvorräte bei Weitem übersteigt", sagt Bernhard Cramer von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover. Deshalb weckt der Stoff Begehrlichkeiten bei Bergbauunternehmern und Energieversorgern, obwohl er auch einen großen Nachteil hat: Bei der Verbrennung des Gases, das bei Zimmertemperatur aus seinem Wasserkäfig entweicht, entsteht Kohlendioxid, das die Erderwärmung antreibt.
Gaskraftwerke als Puffer für Sonne und Wind
Zusammen mit Kollegen in aller Welt arbeitet Wallmann daher mit dem SUGAR-Projekt (Submarine Gashydrat-Lagerstätten: Erkundung, Abbau und Transport) daran, dass aus dieser Vision in naher Zukunft tatsächlich eine marktreife Technologie hervorgeht, die Energiegewinnung mit Klimaschutz verknüpft. "Wir benötigen mehr Erdgas zur Energieerzeugung, da die Leistung von Gaskraftwerken sehr leicht und rasch reguliert werden kann, ohne dass es zu Effizienzverlusten kommt", sagt Wallmann. Sie dienen daher als Puffer in unserem zukünftigen Energiemix und sollen Schwankungen abfedern, die naturgemäß beim Einsatz von Windkraft- und Fotovoltaikanlagen auftreten – Kohle- oder Kernkraftwerke reagieren dafür zu schwerfällig.
"Die konventionellen Erdgasfelder in Europa sind allerdings bald erschöpft, weshalb wir Alternativen brauchen – zum Beispiel das Methanhydrat", meint der Kieler Forscher. Der potenzielle Energieträger der Zukunft entsteht aber nur an bestimmten Stellen: Der Druck muss mindestens 20 Bar betragen, und die Temperatur darf zwei bis vier Grad Celsius nicht übersteigen. Außer im Permafrost der hohen Breiten bildete sich das Methanhydrat daher vor allem in der Tiefsee – etwa vor Norwegen, im Schwarzen Meer, vor den Küsten Kaliforniens oder Japans.
Diese Lagerstätten sollen bald mit Hilfe von SUGAR angezapft werden, hofft Wallmann: "Direkt anstehendes Methanhydrat scheidet aus, da es die Energiebasis für reichhaltige Ökosysteme bildet, die wir erhalten wollen. Außerdem könnte dort das Gas unkontrolliert entweichen, was ebenfalls verhindert werden muss. Sobald aber eine mindestens 100 Meter mächtige undurchlässige Sedimentschicht über dem Rohstoff liegt, können wir es guten Gewissens abbauen."
Dazu soll möglichst viel herkömmliche Technik eingesetzt werden, die sich schon bei der Förderung von Erdgas bewährt hat. Das hilft Entwicklungskosten zu sparen und reduziert die Zahl möglicher Fehlerquellen. Methanhydrat steht allerdings nicht unter derartigem Überdruck wie Erdöl oder -gas, deren überlagernde Deckschichten oft kilometerdick sein können. Deshalb muss das Material vor Ort verflüssigt werden, um es fördern zu können – zum Beispiel, indem warmes Wasser in die Quelle gepumpt wird. "Das wurde bereits erfolgreich versucht, ist aber energetisch ungünstig", meint Wallmann.
Eleganter – und effizienter – funktioniert die Verflüssigung über Druckentlastung: Im Reservoir, über dem eine 1000 Meter mächtige Wassersäule und eine dicke Sedimentauflage stehen, herrscht ein Druck von mehreren hundert Bar, im eindringenden Bohrgestänge dagegen nur der deutlich niedrigere Atmosphärendruck – schon im Bohrloch löst sich der Rohstoff auf. Allerdings dringen neben dem erwünschten Gas ebenso Wasser und Sediment in die Bohrung ein, weshalb man den Druck steuern muss, um Erwünschtes von Unerwünschtem zu trennen. Siebe sollen zudem helfen, feste Bodenbestandteile fernzuhalten.
Als Pellet an Land
Über dem Wasser verwandeln Anlagen das gewonnene Erdgas gleich wieder in Hydrate, die sich dann in Form von Pellets per Schiff abtransportieren lassen. "Sie sind bereits bei minus 20 Grad und normalem Druck über Monate stabil, weil sich ein dünner Eispanzer über ihre Oberfläche zieht, der den weiteren Zerfall erst einmal stoppt. An Land genügt es, sie schlicht zu erwärmen, um das Gas freizusetzen", erklärt Wallmann.
Die gleichen Gastanker, die das Hydrat anlanden, könnten auf dem Weg hinaus zur Bohrplattform verflüssigtes Kohlendioxid mitnehmen, das dort in den Untergrund gepresst wird. Im Gegensatz zu Erdgas verändert das Kohlendioxid bereits bei minus 35 Grad Celsius seinen Aggregatzustand, was den Transport vereinfacht. Bis zu 35 000 Kubikmeter sollen diese Schiffe bald fassen können – die Wochenproduktion eines großen Gaskraftwerks.
Gleichzeitig erzeugt der chemische Prozess Wärme, da es sich um eine exotherme Reaktion handelt. Sie ergänzt folglich die Druckentlastung und fördert den erwünschten Zerfall des Methanhydrats, der ansonsten bald nachließe: Ohne Zufuhr des Kohlendioxids kühlt die Lagerstätte durch die Entgasung nach und nach aus, die Förderung käme zum Stillstand. Die Geowissenschaftler setzen daher auf eine Doppelrohrstrategie, bei der durch die eine Leitung CO2 in die Quelle gepumpt und durch die andere das Gas gefördert wird.
Kaum Risiken, hoher Nutzen?
Große Umbaumaßnahmen der Energieinfrastruktur würden dafür nicht benötigt, man könnte weit gehend auf jene der konventionellen Erdgas- und Erdölindustrie zurückgreifen und bräuchte als Ergänzung vor allem große Verflüssigungsanlagen für Kohlendioxid. Dennoch treibt SUGAR auch den technologischen Fortschritt an: Das IFM-Geomar hat unter anderem verschiedene geophysikalische Geräte entwickelt, mit denen sich die Verteilung der Gashydrate im Untergrund besser dreidimensional abbilden lässt. Partner aus der Industrie wiederum stellten neuartige Polymere her, die Methanhydrate rascher umwandeln, was natürlich den Abbau wirtschaftlicher macht.
Risiken sieht Klaus Wallmann dagegen kaum: "Ein Blowout, wie er dieses Jahr im Golf von Mexiko bei der Plattform Deepwater Horizon auftrat, stellt für uns kein größeres Problem dar. Dafür steht das Methanhydrat unter zu schwachem Druck. Wir müssen aber aufpassen, dass wir die Deckschicht nicht aufbrechen und Kohlendioxid dadurch entweicht. Deshalb dürfen wir bei der Injektion des Gases den Druck nicht zu stark erhöhen." Und ausgeschlossen sei auch der Abbau an den Kontinentalabhängen im Meer, wo Hangrutschungen ausgelöst werden könnten.
Der Kieler Forscher blickt daher der Zukunft optimistisch entgegen: "2010 und 2011 laufen erste viel versprechende Feldtests ab – zuerst an Land, später dann auf der See. In der Prudhoe Bay in Alaska beispielsweise wird die Druckentlastung zur Förderung im Permafrost an Land erprobt, dort soll zwei Jahre lang Gas produziert werden. Und da die Infrastruktur über die lokale Öl- und Gasindustrie bereits vorhanden ist, könnte hier schon innerhalb dieses Jahrzehnts die kommerzielle Nutzung anlaufen." Durch Zufall habe die Nutzung von Methanhydraten auch schon in der Vergangenheit geklappt, ergänzt Bernhard Cramer: "Ende der 1970er Jahre wurde in Sibirien ein Methanhydratlager unter Permafrost angezapft, als nach Erdgas gebohrt worden war. Erst später stellte man fest, dass es sich um gefrorenes Methan gehandelt hat."
Dennoch dämpft der Geologe vom BGR die Erwartungen: "Der Abbau von Methanhydraten hängt stark von ihrer Erreichbarkeit und dem Preis der Förderung ab, die momentan noch zu teuer ausfällt. Die Gewinnung von Erdgas beispielsweise aus unerschlossenen Schiefergasen oder Kohlegasflözen ist dagegen schon jetzt sehr viel effizienter und schiebt die Notwendigkeit, Methanhydrat kommerziell zu fördern, weiter in die Zukunft. Vielleicht beginnt sie 2020 – warten wir einfach mal ab."
Dieses Dilemma möchte ein internationales Forschungsprojekt unter Federführung des IFM-Geomar in Kiel lösen, hofft der leitende Geowissenschaftler Klaus Wallmann: "Unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten wollten wir die Gashydrate als Energiequelle ursprünglich nicht anfassen, da sie ein weiterer fossiler Energieträger sind, der CO2 freisetzt. Wenn man aber ihren Abbau mit der Einlagerung von Kohlendioxid verknüpft, lässt sich mehr CO2 speichern, als bei der Verbrennung freigesetzt wird – die Klimabilanz wäre also positiv."
Gaskraftwerke als Puffer für Sonne und Wind
Zusammen mit Kollegen in aller Welt arbeitet Wallmann daher mit dem SUGAR-Projekt (Submarine Gashydrat-Lagerstätten: Erkundung, Abbau und Transport) daran, dass aus dieser Vision in naher Zukunft tatsächlich eine marktreife Technologie hervorgeht, die Energiegewinnung mit Klimaschutz verknüpft. "Wir benötigen mehr Erdgas zur Energieerzeugung, da die Leistung von Gaskraftwerken sehr leicht und rasch reguliert werden kann, ohne dass es zu Effizienzverlusten kommt", sagt Wallmann. Sie dienen daher als Puffer in unserem zukünftigen Energiemix und sollen Schwankungen abfedern, die naturgemäß beim Einsatz von Windkraft- und Fotovoltaikanlagen auftreten – Kohle- oder Kernkraftwerke reagieren dafür zu schwerfällig.
"Die konventionellen Erdgasfelder in Europa sind allerdings bald erschöpft, weshalb wir Alternativen brauchen – zum Beispiel das Methanhydrat", meint der Kieler Forscher. Der potenzielle Energieträger der Zukunft entsteht aber nur an bestimmten Stellen: Der Druck muss mindestens 20 Bar betragen, und die Temperatur darf zwei bis vier Grad Celsius nicht übersteigen. Außer im Permafrost der hohen Breiten bildete sich das Methanhydrat daher vor allem in der Tiefsee – etwa vor Norwegen, im Schwarzen Meer, vor den Küsten Kaliforniens oder Japans.
Diese Lagerstätten sollen bald mit Hilfe von SUGAR angezapft werden, hofft Wallmann: "Direkt anstehendes Methanhydrat scheidet aus, da es die Energiebasis für reichhaltige Ökosysteme bildet, die wir erhalten wollen. Außerdem könnte dort das Gas unkontrolliert entweichen, was ebenfalls verhindert werden muss. Sobald aber eine mindestens 100 Meter mächtige undurchlässige Sedimentschicht über dem Rohstoff liegt, können wir es guten Gewissens abbauen."
Dazu soll möglichst viel herkömmliche Technik eingesetzt werden, die sich schon bei der Förderung von Erdgas bewährt hat. Das hilft Entwicklungskosten zu sparen und reduziert die Zahl möglicher Fehlerquellen. Methanhydrat steht allerdings nicht unter derartigem Überdruck wie Erdöl oder -gas, deren überlagernde Deckschichten oft kilometerdick sein können. Deshalb muss das Material vor Ort verflüssigt werden, um es fördern zu können – zum Beispiel, indem warmes Wasser in die Quelle gepumpt wird. "Das wurde bereits erfolgreich versucht, ist aber energetisch ungünstig", meint Wallmann.
Eleganter – und effizienter – funktioniert die Verflüssigung über Druckentlastung: Im Reservoir, über dem eine 1000 Meter mächtige Wassersäule und eine dicke Sedimentauflage stehen, herrscht ein Druck von mehreren hundert Bar, im eindringenden Bohrgestänge dagegen nur der deutlich niedrigere Atmosphärendruck – schon im Bohrloch löst sich der Rohstoff auf. Allerdings dringen neben dem erwünschten Gas ebenso Wasser und Sediment in die Bohrung ein, weshalb man den Druck steuern muss, um Erwünschtes von Unerwünschtem zu trennen. Siebe sollen zudem helfen, feste Bodenbestandteile fernzuhalten.
Als Pellet an Land
Über dem Wasser verwandeln Anlagen das gewonnene Erdgas gleich wieder in Hydrate, die sich dann in Form von Pellets per Schiff abtransportieren lassen. "Sie sind bereits bei minus 20 Grad und normalem Druck über Monate stabil, weil sich ein dünner Eispanzer über ihre Oberfläche zieht, der den weiteren Zerfall erst einmal stoppt. An Land genügt es, sie schlicht zu erwärmen, um das Gas freizusetzen", erklärt Wallmann.
Die gleichen Gastanker, die das Hydrat anlanden, könnten auf dem Weg hinaus zur Bohrplattform verflüssigtes Kohlendioxid mitnehmen, das dort in den Untergrund gepresst wird. Im Gegensatz zu Erdgas verändert das Kohlendioxid bereits bei minus 35 Grad Celsius seinen Aggregatzustand, was den Transport vereinfacht. Bis zu 35 000 Kubikmeter sollen diese Schiffe bald fassen können – die Wochenproduktion eines großen Gaskraftwerks.
Auf hoher See wird das CO2 nicht nur umweltgerecht entsorgt, es hilft auch noch, die Ausbeute aus der Lagerstätte zu erhöhen, beschreibt der Fachmann vom IFM-Geomar: "Das flüssige Kohlendioxid reagiert spontan mit den Methanhydraten, verdrängt dabei das Erdgas aus dem Gitter und bildet CO2-Hydrate, die unter den örtlichen Bedingungen nochmals stabiler sind als das Methanhydrat." Das unerwünschte Treibhausgas würde folglich mit hoher Sicherheit langzeitig eingelagert und könnte den Klimawandel nicht befeuern.
Gleichzeitig erzeugt der chemische Prozess Wärme, da es sich um eine exotherme Reaktion handelt. Sie ergänzt folglich die Druckentlastung und fördert den erwünschten Zerfall des Methanhydrats, der ansonsten bald nachließe: Ohne Zufuhr des Kohlendioxids kühlt die Lagerstätte durch die Entgasung nach und nach aus, die Förderung käme zum Stillstand. Die Geowissenschaftler setzen daher auf eine Doppelrohrstrategie, bei der durch die eine Leitung CO2 in die Quelle gepumpt und durch die andere das Gas gefördert wird.
Kaum Risiken, hoher Nutzen?
Große Umbaumaßnahmen der Energieinfrastruktur würden dafür nicht benötigt, man könnte weit gehend auf jene der konventionellen Erdgas- und Erdölindustrie zurückgreifen und bräuchte als Ergänzung vor allem große Verflüssigungsanlagen für Kohlendioxid. Dennoch treibt SUGAR auch den technologischen Fortschritt an: Das IFM-Geomar hat unter anderem verschiedene geophysikalische Geräte entwickelt, mit denen sich die Verteilung der Gashydrate im Untergrund besser dreidimensional abbilden lässt. Partner aus der Industrie wiederum stellten neuartige Polymere her, die Methanhydrate rascher umwandeln, was natürlich den Abbau wirtschaftlicher macht.
Risiken sieht Klaus Wallmann dagegen kaum: "Ein Blowout, wie er dieses Jahr im Golf von Mexiko bei der Plattform Deepwater Horizon auftrat, stellt für uns kein größeres Problem dar. Dafür steht das Methanhydrat unter zu schwachem Druck. Wir müssen aber aufpassen, dass wir die Deckschicht nicht aufbrechen und Kohlendioxid dadurch entweicht. Deshalb dürfen wir bei der Injektion des Gases den Druck nicht zu stark erhöhen." Und ausgeschlossen sei auch der Abbau an den Kontinentalabhängen im Meer, wo Hangrutschungen ausgelöst werden könnten.
Der Kieler Forscher blickt daher der Zukunft optimistisch entgegen: "2010 und 2011 laufen erste viel versprechende Feldtests ab – zuerst an Land, später dann auf der See. In der Prudhoe Bay in Alaska beispielsweise wird die Druckentlastung zur Förderung im Permafrost an Land erprobt, dort soll zwei Jahre lang Gas produziert werden. Und da die Infrastruktur über die lokale Öl- und Gasindustrie bereits vorhanden ist, könnte hier schon innerhalb dieses Jahrzehnts die kommerzielle Nutzung anlaufen." Durch Zufall habe die Nutzung von Methanhydraten auch schon in der Vergangenheit geklappt, ergänzt Bernhard Cramer: "Ende der 1970er Jahre wurde in Sibirien ein Methanhydratlager unter Permafrost angezapft, als nach Erdgas gebohrt worden war. Erst später stellte man fest, dass es sich um gefrorenes Methan gehandelt hat."
Dennoch dämpft der Geologe vom BGR die Erwartungen: "Der Abbau von Methanhydraten hängt stark von ihrer Erreichbarkeit und dem Preis der Förderung ab, die momentan noch zu teuer ausfällt. Die Gewinnung von Erdgas beispielsweise aus unerschlossenen Schiefergasen oder Kohlegasflözen ist dagegen schon jetzt sehr viel effizienter und schiebt die Notwendigkeit, Methanhydrat kommerziell zu fördern, weiter in die Zukunft. Vielleicht beginnt sie 2020 – warten wir einfach mal ab."
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