Energieerzeugung: Wie grün wird Schwarz?
Erneuern, einsparen, einlagern? Die Weltgemeinschaft tut sich schwer mit dem Klimaschutz. Viele Energieerzeuger wollen das leidige Kohlendioxid schlicht vergraben. Aber funktioniert das?
Jeden 2. oder 3. Tag – so oft ging in den letzten drei Jahren in China ein neues Kohlekraftwerk ans Netz. In Deutschland trägt Braun- und Steinkohle mehr als 40 Prozent zur bundesweiten Stromerzeugung bei – neue Kraftwerke sind geplant. Und in den USA soll sich laut Prognose des Energieministeriums der CO2-Ausstoß der Stromerzeugung bis 2030 um 40 Prozent auf 3,3 Milliarden Tonnen pro Jahren steigern – ein Großteil davon geht auf das Konto der Kohle, deren Nutzung ausgeweitet werden soll. All dies geht auf Kosten des Klimas, denn bei der Verbrennung der fossilen Pflanzenreste entsteht so viel Kohlendioxid wie bei keinem anderen fossilen Energieträger: Braun- und Steinkohle verursachen fast die Hälfte der weltweit jährlich von Menschen erzeugten CO2-Menge. Ungeachtet ihrer sonstigen Differenzen sind sich Forscher, Ökonomen und Politiker einig, dass wir der Erderwärmung nur begegnen können, wenn wir die Emissionen aus der Kohlekraft in den Griff bekommen. Über das Wie streiten sie sich allerdings vehement.
Ganz oben auf der Wunschliste steht die so genannte CO2-Abscheidung und -Speicherung oder CCS (Carbon Dioxide Capture and Storage), die gleich zwei Probleme auf einmal lösen soll: Sie soll das Kohlendioxid aus der Stromproduktion unter die Erde verbannen und so das Klima schonen, dabei aber weiterhin den relativ billigen Rohstoff Kohle nutzbar halten. Dazu wird das bei der Verbrennung anfallende CO2 aus den Abgasen gefiltert und anschließend in unterirdischen Speichern eingelagert – wenn möglich für die Ewigkeit. Doch kann die CCS wirklich das halten, was es verspricht? Ist sie das Wundermittel gegen Klimawandel, für das sie ihre Befürworter halten? Oder doch eher eine Mogelpackung, wie Umweltorganisationen annehmen? Wichtige Fragen, die der Geowissenschaftler Stuart Haszeldine von der University of Edinburgh in einem Überblick zu beantworten versucht [1].
Greenpeace beispielsweise kritisiert – basierend auf wissenschaftlichen Studien –, dass CCS viel zu spät komme, um überhaupt die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu verhindern [2]: Die ersten Anlagen müssten demnach schon ab 2015 arbeiten, bislang sehe es aber eher danach aus, als ob erst 2030 mit ihrem großindustriellen Einsatz gerechnet werden könnte. Ein Argument, dem auch Haszeldine zustimmt – zumal gegenwärtig zwar 36 große Projekte geplant sind, jedoch noch keines über dieses Stadium herausgekommen ist. Sollten sie aber nicht in Kürze starten, dürften sie nicht vor 2014 in Betrieb gehen, was die weitere Entwicklung bis hin zur Marktreife der CCS-Techniken bis nach 2020 hinauszögert: "Der weltweite Aufbau hunderter CCS-Anlagen würde sich dann stark verspäten – bis weit hinter jenen Zeitpunkt, den wir laut Prognosen nicht überschreiten sollten, um den Klimawandel einigermaßen in Grenzen zu halten", meint der Forscher.
Hohe Kosten, hoher Verbrauch
Dabei wäre die nötige Technik bereits vorhanden. Sie ist allerdings noch teuer im Einsatz – und verschlingt einen großen Teil der Energie, die kurz zuvor erst durch die Verbrennung der Kohle erzeugt wurde: Bis zu 40 Prozent könnten dadurch gleich wieder vor Ort verloren gehen, was den Nutzungsgrad der Kraftwerke deutlich verschlechtern würde. Während Greenpeace allerdings von Strompreisen ausgeht, die um 20 bis 90 Prozent steigen, kalkuliert Haszeldine, dass ein durchschnittlicher britischer Haushalt pro Jahr nur ein Zehntel mehr für seine Elektrizität ausgeben müsste – allerdings mit stark sinkender Tendenz, sobald CCS effektiver wird.
Schwieriger zu lösen dürfte der Energieknoten sein: CCS macht die Kohle zwar sauberer, frisst Effizienssteigerungen in der Kraftwerkstechnologien aber weit gehend auf und steigert damit den Ressourcenverbrauch – ein offenkundiges Dilemma: "Die Speicherung von CO2 packt das Problem nicht bei der Wurzel. Statt weniger Klimagas wird mehr produziert, das dann aufwändig gelagert und langfristig überwacht werden muss", sagte Gabriela von Goerne, Energie-Expertin von Greenpeace, bei der Vorstellung des Berichts "Falsche Hoffnung CCS". Energie muss man vor allem aufwenden, um das CO2 aus den Abgasen abzutrennen: Hier fallen bis zu 70 Prozent der Mehrkosten an, veranschlagt der Edinburgher Geowissenschaftler: "Diese Berechnungen beruhen allerdings auf alten Versuchen. Mit den gegenwärtigen Entwicklungen sollte sich dieser zusätzliche 'Abschlag' auf 10 bis 20 Prozent reduzieren lassen."
Die momentan gängigen Methoden unterscheiden sich preislich kaum. So lässt sich das entstandene Kohlendioxid nach der Verbrennung des Energieträgers abfangen, indem man die Abgase durch spezielle Flüssigkeiten – etwa Lösungsmittel auf Aminbasis – leitet und anschließend durch Erhitzen wieder abtrennt. Dieses Verfahren hat sich bei der Rauchgasentschwefelung bereits bewährt und ließe sich auch nachträglich bei Kraftwerken noch installieren. Die Vorrichtungen benötigen aber viel Platz, beim Erhitzen der Lösung können giftige Nebenprodukte entstehen und sie verbrauchen viel Wasser.
In Deutschland läuft gegenwärtig ein Test in einem Kraftwerk beim Ort Schwarze Pumpe, wo Kohle in reinem Sauerstoff verbrannt wird. Um die Verbrennungstemperatur zu regulieren, wird zusätzlich ein Teil der Abgase in die Kammer eingeblasen: eine Methode, bei der sich das Kohlendioxid deutlich leichter separieren lässt als in herkömmlichen Kraftwerken, da weniger Fremdgase wie Stickoxide entstehen. Diese Oxyfuel genannten Verfahren lassen sich ebenfalls nachträglich installieren, sie benötigen jedoch sehr hitzebeständige Öfen. Sie verteuern entsprechende Projekte ebenso wie die Gewinnung des reinen Sauerstoffs.
Als drittes erwägen Ingenieure die Abscheidung des CO2 vor dem eigentlichen Nutzen des Rohstoffs: Kohle wird dabei zu Gas umgewandelt oder Methan zu Wasserstoff, bevor sie verbrannt werden, das zuvor anfallende Kohlendioxid abgetrennt. Das Verfahren funktioniert auch in größerem Maßstab, wurde bislang aber noch nicht in Kraftwerken getestet; verschiedene Projekte sollen aber in den nächsten Jahren weltweit in Betrieb gehen – darunter eine 250-Megawatt-Anlage in China und eine mit 275 Megawatt in den USA. Sie hätten den zusätzlichen Vorteil, dass sie ohne große technische Änderungen zwischen verschiedenen Energieträgern wechseln könnten, etwa von Kohle zu Erdgas.
Sich selbst im Wege stehen
Der Fortschritt steht sich aber vielleicht selbst im Weg, fürchtet Haszeldine: "Bis 2020 ist es technisch möglich, die Funktionsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit der Verfahren zu belegen, aber politisch vielleicht zu optimistisch." Da drei Technologien miteinander konkurrieren, schreitet ihre Entwicklung langsamer voran, als wenn nur eine davon dominieren würde und sich die Techniker darauf konzentrierten. Zumal sich die Anwender noch mit anderen Schwierigkeiten konfrontiert sehen – geologischen und politischen.
Bereits heute pumpen Gas- und Ölproduzenten Kohlendioxid in ihre Förderstätten, um den Druck dort unten zu erhöhen und mehr Rohstoffe aus den Quellen zu pressen. Sind sie dereinst erschöpft, könnten sie weiter mit dem unerwünschten Treibhausgas befüllt werden, bis die ursprünglichen Kapazitäten wieder verfüllt wären. Das CO2 muss allerdings unter hohem Druck in den Speicher gedrückt werden. Sobald es jedoch die Pipeline verlässt, dehnt es sich aus, kühlt ab und kristallisiert womöglich in hydratisierter Form aus – es besteht die Gefahr, dass damit die Zuleitung blockiert wird. Das Gas müsste also noch zusätzlich erwärmt werden, um es weiträumig im Endlager zu verbreiten. Immerhin scheint sich derart entsorgtes Kohlendioxid gut im Wasser des Speichers zu lösen und Kohlensäure zu bilden, was das Risiko des Ausgasens verringert.
Risiken und Chancen
Daneben ziehen Geologen vor allem Salzstöcke, aber auch Basalt in Betracht. So soll das Kohlendioxid mit Kalzium- und Magnesiumionen des Basalts reagieren und Kreide bilden, die relativ stabil über lange Zeit das Treibhausgas bindet – in Island läuft seit 2008 ein derartiger Versuch. 2007 wiederum startete im brandenburgischen Ketzin ein Testlauf, bei dem industriell erzeugtes CO2 in einen salzhaltigen Aquifer gepumpt wird, wo es Salzwasser aus den Poren des umgebenden Sandsteins drücken soll.
Erdöl- und Erdgasfelder haben bereits bewiesen, dass sie Gase langfristig halten können. Und auch in Salzstöcken, Basalt oder Sandstein reagiert das Kohlendioxid zu Karbonaten oder anderen Mineralen und wird so gebunden. Doch dieser Prozess dauert, weshalb die Umgebung und vor allem die Bohrlöcher dauerhaft überwacht werden müssen – ein hohes Risiko, meinen Umweltschützer. Sollte eines Tages tatsächlich CO2 austreten, gefährde dies Mensch und Umwelt, fürchtet Greenpeace. Denn Kohlendioxid ist schwerer als Luft, es könnte sich nach einem ungewollten Austritt in Senken sammeln und Menschen und Tiere ersticken. Zudem gelänge das Gas dann dennoch in die Atmosphäre und würde den Treibhauseffekt antreiben.
Auch wenn technische Lösung nie garantiert fehlerfrei und risikolos sein können, so halten Befürworter die Gefahren doch für weitest gehend minimierbar. Größere Schwierigkeiten sehen sie dagegen wie Stuart Haszeldine in der politischen Umsetzung – und im Fehlen eines globalen Marktes für Kohlendioxid, der einen Preis für das Treibhausgas ermittelt und damit CCS tragfähig macht: "Ohne diese finanziellen Anreize wird CCS auf interessante, aber isolierte Demonstrationszwecke beschränkt bleiben", schätzt der Forscher. Überzeugungsarbeit gelte es auch in der öffentlichen Meinung zu leisten, in der bisweilen Ängste überwiegen und die bereits verschiedener Pilotstudien in Europa verhindert hätte.
Diese finanziellen und psychologischen Widerstände zu überwinden, ist für Haszeldine eine der entscheidenden Aufgaben der Politik: Sollte dies in Europa oder den USA nicht gelingen, scheitert CCS mit Sicherheit ebenso in China oder Indien. Während Greenpeace darin ohnehin nur ein "grünes Deckmäntelchen für den Bau von Kohlekraftwerken" sieht, hegt Haszeldine große Hoffnungen – und mahnt gleichzeitig: "Es ist noch nicht zu spät, die Technik voranzutreiben. Doch die schönen Worte müssen endlich mit Geld und Taten ergänzt werden. Dann wird CCS vielleicht zum effektivsten und schnellsten Klimaschutzmittel, das wir haben."
Ganz oben auf der Wunschliste steht die so genannte CO2-Abscheidung und -Speicherung oder CCS (Carbon Dioxide Capture and Storage), die gleich zwei Probleme auf einmal lösen soll: Sie soll das Kohlendioxid aus der Stromproduktion unter die Erde verbannen und so das Klima schonen, dabei aber weiterhin den relativ billigen Rohstoff Kohle nutzbar halten. Dazu wird das bei der Verbrennung anfallende CO2 aus den Abgasen gefiltert und anschließend in unterirdischen Speichern eingelagert – wenn möglich für die Ewigkeit. Doch kann die CCS wirklich das halten, was es verspricht? Ist sie das Wundermittel gegen Klimawandel, für das sie ihre Befürworter halten? Oder doch eher eine Mogelpackung, wie Umweltorganisationen annehmen? Wichtige Fragen, die der Geowissenschaftler Stuart Haszeldine von der University of Edinburgh in einem Überblick zu beantworten versucht [1].
Greenpeace beispielsweise kritisiert – basierend auf wissenschaftlichen Studien –, dass CCS viel zu spät komme, um überhaupt die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu verhindern [2]: Die ersten Anlagen müssten demnach schon ab 2015 arbeiten, bislang sehe es aber eher danach aus, als ob erst 2030 mit ihrem großindustriellen Einsatz gerechnet werden könnte. Ein Argument, dem auch Haszeldine zustimmt – zumal gegenwärtig zwar 36 große Projekte geplant sind, jedoch noch keines über dieses Stadium herausgekommen ist. Sollten sie aber nicht in Kürze starten, dürften sie nicht vor 2014 in Betrieb gehen, was die weitere Entwicklung bis hin zur Marktreife der CCS-Techniken bis nach 2020 hinauszögert: "Der weltweite Aufbau hunderter CCS-Anlagen würde sich dann stark verspäten – bis weit hinter jenen Zeitpunkt, den wir laut Prognosen nicht überschreiten sollten, um den Klimawandel einigermaßen in Grenzen zu halten", meint der Forscher.
Hohe Kosten, hoher Verbrauch
Dabei wäre die nötige Technik bereits vorhanden. Sie ist allerdings noch teuer im Einsatz – und verschlingt einen großen Teil der Energie, die kurz zuvor erst durch die Verbrennung der Kohle erzeugt wurde: Bis zu 40 Prozent könnten dadurch gleich wieder vor Ort verloren gehen, was den Nutzungsgrad der Kraftwerke deutlich verschlechtern würde. Während Greenpeace allerdings von Strompreisen ausgeht, die um 20 bis 90 Prozent steigen, kalkuliert Haszeldine, dass ein durchschnittlicher britischer Haushalt pro Jahr nur ein Zehntel mehr für seine Elektrizität ausgeben müsste – allerdings mit stark sinkender Tendenz, sobald CCS effektiver wird.
Schwieriger zu lösen dürfte der Energieknoten sein: CCS macht die Kohle zwar sauberer, frisst Effizienssteigerungen in der Kraftwerkstechnologien aber weit gehend auf und steigert damit den Ressourcenverbrauch – ein offenkundiges Dilemma: "Die Speicherung von CO2 packt das Problem nicht bei der Wurzel. Statt weniger Klimagas wird mehr produziert, das dann aufwändig gelagert und langfristig überwacht werden muss", sagte Gabriela von Goerne, Energie-Expertin von Greenpeace, bei der Vorstellung des Berichts "Falsche Hoffnung CCS". Energie muss man vor allem aufwenden, um das CO2 aus den Abgasen abzutrennen: Hier fallen bis zu 70 Prozent der Mehrkosten an, veranschlagt der Edinburgher Geowissenschaftler: "Diese Berechnungen beruhen allerdings auf alten Versuchen. Mit den gegenwärtigen Entwicklungen sollte sich dieser zusätzliche 'Abschlag' auf 10 bis 20 Prozent reduzieren lassen."
Die momentan gängigen Methoden unterscheiden sich preislich kaum. So lässt sich das entstandene Kohlendioxid nach der Verbrennung des Energieträgers abfangen, indem man die Abgase durch spezielle Flüssigkeiten – etwa Lösungsmittel auf Aminbasis – leitet und anschließend durch Erhitzen wieder abtrennt. Dieses Verfahren hat sich bei der Rauchgasentschwefelung bereits bewährt und ließe sich auch nachträglich bei Kraftwerken noch installieren. Die Vorrichtungen benötigen aber viel Platz, beim Erhitzen der Lösung können giftige Nebenprodukte entstehen und sie verbrauchen viel Wasser.
In Deutschland läuft gegenwärtig ein Test in einem Kraftwerk beim Ort Schwarze Pumpe, wo Kohle in reinem Sauerstoff verbrannt wird. Um die Verbrennungstemperatur zu regulieren, wird zusätzlich ein Teil der Abgase in die Kammer eingeblasen: eine Methode, bei der sich das Kohlendioxid deutlich leichter separieren lässt als in herkömmlichen Kraftwerken, da weniger Fremdgase wie Stickoxide entstehen. Diese Oxyfuel genannten Verfahren lassen sich ebenfalls nachträglich installieren, sie benötigen jedoch sehr hitzebeständige Öfen. Sie verteuern entsprechende Projekte ebenso wie die Gewinnung des reinen Sauerstoffs.
Als drittes erwägen Ingenieure die Abscheidung des CO2 vor dem eigentlichen Nutzen des Rohstoffs: Kohle wird dabei zu Gas umgewandelt oder Methan zu Wasserstoff, bevor sie verbrannt werden, das zuvor anfallende Kohlendioxid abgetrennt. Das Verfahren funktioniert auch in größerem Maßstab, wurde bislang aber noch nicht in Kraftwerken getestet; verschiedene Projekte sollen aber in den nächsten Jahren weltweit in Betrieb gehen – darunter eine 250-Megawatt-Anlage in China und eine mit 275 Megawatt in den USA. Sie hätten den zusätzlichen Vorteil, dass sie ohne große technische Änderungen zwischen verschiedenen Energieträgern wechseln könnten, etwa von Kohle zu Erdgas.
Sich selbst im Wege stehen
Der Fortschritt steht sich aber vielleicht selbst im Weg, fürchtet Haszeldine: "Bis 2020 ist es technisch möglich, die Funktionsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit der Verfahren zu belegen, aber politisch vielleicht zu optimistisch." Da drei Technologien miteinander konkurrieren, schreitet ihre Entwicklung langsamer voran, als wenn nur eine davon dominieren würde und sich die Techniker darauf konzentrierten. Zumal sich die Anwender noch mit anderen Schwierigkeiten konfrontiert sehen – geologischen und politischen.
Der Transport zu den CO2-Lagern ist noch das geringste Problem, schließlich fließen in der Europäischen Union schon jetzt täglich Millionen Kubikmeter Erdgas oder Ethen durch ein weit verzweigtes Pipelinenetz von Produzenten zu Konsumenten. Weitere Trassen etwa zu den Gas- und Erdölfeldern in der Nordsee wären also ohne Weiteres machbar, sollte sich das Kohlendioxid nicht gleich vor Ort in tiefen Gesteinsschichten einlagern lassen.
Bereits heute pumpen Gas- und Ölproduzenten Kohlendioxid in ihre Förderstätten, um den Druck dort unten zu erhöhen und mehr Rohstoffe aus den Quellen zu pressen. Sind sie dereinst erschöpft, könnten sie weiter mit dem unerwünschten Treibhausgas befüllt werden, bis die ursprünglichen Kapazitäten wieder verfüllt wären. Das CO2 muss allerdings unter hohem Druck in den Speicher gedrückt werden. Sobald es jedoch die Pipeline verlässt, dehnt es sich aus, kühlt ab und kristallisiert womöglich in hydratisierter Form aus – es besteht die Gefahr, dass damit die Zuleitung blockiert wird. Das Gas müsste also noch zusätzlich erwärmt werden, um es weiträumig im Endlager zu verbreiten. Immerhin scheint sich derart entsorgtes Kohlendioxid gut im Wasser des Speichers zu lösen und Kohlensäure zu bilden, was das Risiko des Ausgasens verringert.
Risiken und Chancen
Daneben ziehen Geologen vor allem Salzstöcke, aber auch Basalt in Betracht. So soll das Kohlendioxid mit Kalzium- und Magnesiumionen des Basalts reagieren und Kreide bilden, die relativ stabil über lange Zeit das Treibhausgas bindet – in Island läuft seit 2008 ein derartiger Versuch. 2007 wiederum startete im brandenburgischen Ketzin ein Testlauf, bei dem industriell erzeugtes CO2 in einen salzhaltigen Aquifer gepumpt wird, wo es Salzwasser aus den Poren des umgebenden Sandsteins drücken soll.
Erdöl- und Erdgasfelder haben bereits bewiesen, dass sie Gase langfristig halten können. Und auch in Salzstöcken, Basalt oder Sandstein reagiert das Kohlendioxid zu Karbonaten oder anderen Mineralen und wird so gebunden. Doch dieser Prozess dauert, weshalb die Umgebung und vor allem die Bohrlöcher dauerhaft überwacht werden müssen – ein hohes Risiko, meinen Umweltschützer. Sollte eines Tages tatsächlich CO2 austreten, gefährde dies Mensch und Umwelt, fürchtet Greenpeace. Denn Kohlendioxid ist schwerer als Luft, es könnte sich nach einem ungewollten Austritt in Senken sammeln und Menschen und Tiere ersticken. Zudem gelänge das Gas dann dennoch in die Atmosphäre und würde den Treibhauseffekt antreiben.
Auch wenn technische Lösung nie garantiert fehlerfrei und risikolos sein können, so halten Befürworter die Gefahren doch für weitest gehend minimierbar. Größere Schwierigkeiten sehen sie dagegen wie Stuart Haszeldine in der politischen Umsetzung – und im Fehlen eines globalen Marktes für Kohlendioxid, der einen Preis für das Treibhausgas ermittelt und damit CCS tragfähig macht: "Ohne diese finanziellen Anreize wird CCS auf interessante, aber isolierte Demonstrationszwecke beschränkt bleiben", schätzt der Forscher. Überzeugungsarbeit gelte es auch in der öffentlichen Meinung zu leisten, in der bisweilen Ängste überwiegen und die bereits verschiedener Pilotstudien in Europa verhindert hätte.
Diese finanziellen und psychologischen Widerstände zu überwinden, ist für Haszeldine eine der entscheidenden Aufgaben der Politik: Sollte dies in Europa oder den USA nicht gelingen, scheitert CCS mit Sicherheit ebenso in China oder Indien. Während Greenpeace darin ohnehin nur ein "grünes Deckmäntelchen für den Bau von Kohlekraftwerken" sieht, hegt Haszeldine große Hoffnungen – und mahnt gleichzeitig: "Es ist noch nicht zu spät, die Technik voranzutreiben. Doch die schönen Worte müssen endlich mit Geld und Taten ergänzt werden. Dann wird CCS vielleicht zum effektivsten und schnellsten Klimaschutzmittel, das wir haben."
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben