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Physik: Teilchenanomalie in der Antarktis wird noch rätselhafter

Seit Jahren grübeln Experten über rätselhafte Signale aus dem ewigen Eis - steckt dahinter ein bisher unbekanntes Elementarteilchen? Oder doch eher das Erdmagnetfeld?
ANITA (Antarctic Impulsive Transient Antenna) am Ross-Schelfeis

Im September 2018 sorgte ein kurioses Messergebnis für Aufsehen: Ein Ballon namens ANITA hatte hoch über der Antarktis höchst ungewöhnliche Radiowellen aufgefangen, die nach Ansicht mancher Physiker auf bisher unbekannte Elementarteilchen zurückgehen könnten. Daneben waren jedoch auch Ursachen denkbar, die nichts mit neuen Naturgesetzen zu tun haben.

Eine neue Analyse des ebenfalls am Südpol operierenden IceCube-Observatoriums macht es nun ein wenig unwahrscheinlicher, dass sich die ANITA-Anomalie mit konventioneller Physik erklären lässt. IceCube hält im ewigen Eis nach Neutrinos Ausschau – geisterhafte Elementarteilchen, die Materie in vielen Fällen ungehindert durchdringen können. Experten halten es seit Längerem für möglich, dass sie es sind, die hinter den verdächtigen Signalen stecken.

ANITA kann Neutrinos jedoch nur auf Umwegen nachweisen. Das Ballonexperiment spürt Radiowellen nach, die entstehen, wenn sich Lawinen geladener Partikel durch die Erdatmosphäre bewegen. Diese Elektronen und Positronen gehen wiederum auf Kollisionen zwischen energiereichen Teilchen aus dem Weltall – beispielsweise Atomkernen oder Lichtquanten – und Luftmolekülen zurück.

IceCube-Observatorium | Rund 300 Forscher betreiben den Neutrino-Detektor am Südpol, darunter Wissenschaftler vom Deutschen Elektron-Synchrotron DESY und von neun deutschen Universitäten.

Im Fall der ungewöhnlichen ANITA-Kaskaden kommen von den bekannten Elementarteilchen jedoch nur Neutrinos als Auslöser in Frage. Denn gemäß den Messdaten kamen die Verursacherteilchen der verdächtigen Teilchenkaskade nicht etwa aus Richtung Weltall, sondern aus Richtung Erdoberfläche. Sie müssten also die Erde am Nordpol getroffen und sie anschließend einmal durchquert haben, ehe sie in der Atmosphäre über dem Südpol eine nach oben fliegende Lawine losgetreten haben. Das können allenfalls sehr energiereiche Neutrinos schaffen – oder eben hypothetische neue Elementarteilchen.

Sollte es sich um Neutrinos handeln, müssten diese aus einer weit entfernten kosmischen Quelle stammen, etwa einem aktiven Galaxienkern. In den Daten des IceCube-Observatoriums, das Neutrinos direkter nachweisen kann als ANITA, finde sich zum Zeitpunkt des jüngsten verdächtigen Ereignisses jedoch kein derartiges Signal, schreiben die IceCube-Forscher in ihrem Fachaufsatz. Damit sei es sehr unwahrscheinlich, dass die Geisterteilchen Verursacher der Anomalie sind, stattdessen seien andere Erklärungen gefragt.

Lösen könnten das Rätsel nicht nur neue Teilchen, wie sie etwa die Theorie der Supersymmetrie vorhersagt. Auch deutlich banalere Erklärungen sind denkbar: beispielsweise Radiowellen, die auf plötzliche Schwankungen im Erdmagnetfeld zurückgehen, oder auf gewöhnliche, aus Richtung All kommende Teilchenschauer, die auf ungewöhnliche Art und Weise von Strukturen im Eis der Antarktis reflektiert wurden. Näheres werden wohl erst neue Messdaten von ANITA verraten, die Forscher im Lauf des Jahres 2020 erwarten.

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