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Energie: Tiefe Geothermie - auf Augenhöhe mit der Atomkraft?

Über zehn Kilometer tief wollen norwegische Forscher bohren, um 400 Grad Celsius heißen Dampf zu fördern. Diese tiefe Geothermie erzeugt zehnmal so viel Energie wie bisherige Erdwärme und soll sogar Atomkraftwerken das Wasser reichen können.
Geothermie auf Island
Der größte Teil der Hitze, die unser Planeten bei seiner Entstehung als glutflüssiger Gesteinsball besaß, ist noch da – eine nahezu unerschöpfliche Energiequelle, tief unter unseren Füßen. 99 Prozent der Erde sind heißer als 1000 Grad Celsius, kühl ist nur die äußerste Kruste. Auch in Deutschland produzieren inzwischen fünf Kraftwerke unter anderem im Oberrheingraben mit Hilfe fast siedend heißer Thermalwässer aus vier Kilometer Tiefe elektrischen Strom aus Erdwärme.

Ein solches Erdwärmekraftwerk verwendet zur Energiegewinnung viele Komponenten, die auch in konventionellen Kraftwerken zum Einsatz kommen – Wärmetauscher, Turbinen, Generatoren und dergleichen. Allerdings gibt es einen wesentlichen Unterschied: Verglichen zu anderen Wärmekraftwerken operieren diese Anlagen bei Temperaturen von etwa 50 bis maximal 250 Grad Celsius. Um energetisch das ganz große Rad zu drehen, ist das schlicht noch zu kalt. Der maximale Wirkungsgrad eines Kraftwerks hängt von seiner Arbeitstemperatur ab – deswegen schlägt das Kohlekraftwerk, das Dampf bei mehreren hundert Grad erzeugt, die kühleren Hydrothermalquellen um Längen.

Doch das soll sich in Zukunft ändern, wenn es nach Are Lund und Odd-Geir Lademo von der norwegischen Forschungsgesellschaft SINTEF geht. Sie schlagen vor, heißere Reservoire als bisher geothermisch zu erschließen – und diese erneuerbare Energie damit auf Augenhöhe mit fossilen Brennstoffen und Atomkraft zu bringen.

Geothermie auf Island | Geothermie ist die wichtigste Energiequelle Islands: Sie deckt mehr als 90 Prozent des Wärme- und knapp ein Fünftel des Strombedarfs ab.
Ziel der Wissenschaftler ist es, überkritisches Wasser zu fördern – oberhalb des kritischen Punkts bei 374 Grad Celsius und einem Druck von 220 Bar hören flüssiges Wasser und Dampf auf, als getrennte Phasen zu existieren. Wasser mit dieser Temperatur enthält etwa zehnmal so viel Energie wie bisher genutzte Thermalwässer. In diesem Parameterbereich arbeiten auch die modernen Hochleistungsturbinen mit sehr hohen Wirkungsgraden, mit denen konventionelle Kraftwerke Strom erzeugen.

"Wenn wir überkritische Reservoire technisch beherrschen, dann können wir Großkraftwerke an Geothermiestandorten bauen", sagt auch Ernst Huenges, der am Geoforschungszentrum Potsdam die Abteilung für Geothermie leitet. Das allerdings sei technisch durchaus anspruchsvoll: "Man müsste mindestens 400 Grad heißes Gestein erreichen. Weltweit gibt es nur wenige Bohrungen, die in diesen Bereich vorgedrungen sind."

In Island fördert beispielsweise das Iceland Deep Drilling Project seit März dieses Jahres überhitzten Dampf aus fünf Kilometer Tiefe. Doch die norwegischen Forscher wollen nicht von Vulkanen abhängig sein wie auf Island – die Energie des Erdinneren, finden sie, muss überall auf der Welt genutzt werden können. Die Temperatur der Erdkruste steigt mit der Tiefe an, mal 20, mal 40 Grad je Kilometer – mindestens zehn Kilometer tief müssten die Bohrungen deswegen in den meisten Regionen der Erde reichen, um überkritisches Wasser zu fördern.

Die technischen Herausforderungen bei der Umsetzung dieses Plans sind beträchtlich. Bislang existiert keine Technologie, mit hinreichender Genauigkeit so tief zu bohren, und die hohe Temperatur stellt hohe Ansprüche an das verwendete Material. Stahl wird spröde, Kunststoffe schmelzen, und elektronische Bauteile versagen durch die Hitze. Die norwegischen Forscher geben sich trotzdem zuversichtlich: Schon in 25 Jahren, sagen sie, könnten Techniken verfügbar sein, mit denen man in bis zu 500 Grad Celsius heißes Gestein bohren kann.

Druck und Temperatur stellen nicht nur das Material auf die Probe, sondern verändern auch die Eigenschaften des Gesteins selbst. Ob unter diesen Bedingungen Reservoire in der gleichen Weise erschlossen werden können wie in geringeren Tiefen, ist unklar: Wenn das Gestein der heißen Schicht nicht durchlässig genug ist oder gar kein Wasser enthält, presst man durch eines der Bohrlöcher mit hohem Druck Wasser ein. Dadurch öffnet man Klüfte im Gestein zwischen beiden Bohrungen, so dass die Flüssigkeit von einer zur anderen fließen kann – das habe allerdings, sagt Huenges, in so großer Tiefe bisher noch nie jemand versucht. "Prinzipiell ist es wahrscheinlich möglich, aber das Gestein wird sich anders verhalten", erklärt er. Der hohe Druck erschwert die Bildung von Klüften, während die Temperatur das Gestein leichter brechen läss – wenn es überhaupt bricht, statt sich plastisch zu verformen.

Der eigentliche Schlüssel zur Energie des Erdinneren ist jedoch das Geld – noch ist völlig offen, ob sich Erdwärme aus mehr als zehn Kilometer Tiefe ökonomisch fördern lässt. Schon die Bohrungen selbst sind enorm teuer, hinzu kommen die Ausgaben für die Weiterentwicklung der Technik. Die Forschung müsse erst einmal staatlich gefördert werden, sagen Lademo und Lund, um der Industrie die Beteiligung an der Forschung zu erleichtern. Das Potenzial der Technik rechtfertige jedenfalls den Aufwand.

Auch Ernst Huenges vom Geoforschungszentrum Potsdam spricht sich dafür aus, trotz der Schwierigkeiten und hohen Kosten an der tiefen Geothermie zu forschen. "Wir wollen ja auch hochwertige Energie gewinnen, und dafür müssen wir einfach tiefer bohren."

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