News: Tolerierte Nebenbuhler
Trotz aller Vorsicht gelingt es einigen Nebenbuhlern dennoch immer wieder, sich mit einem Weibchen zu paaren. Solche Männchen, die sich gegenüber einem dominanten Männchen eine Paarung erschleichen, bezeichnen die Verhaltensforscher als Sneaker. Da die Verteidigung gegen Sneaker sehr aufwendig ist, kann es offensichtlich unter bestimmten Voraussetzungen für das dominante Männchen sinnvoll sein, eine gewisse Anzahl erschlichener Paarungen zuzulassen.
Ulrika Candolin und John Reynolds von der University of East Anglia sind der Frage nachgegangen, unter welchen Bedingungen dominante Bitterling-Männchen (Rhodeus sericeus) Sneaker zulassen. Die Süßwasserfische bilden Territorien um lebende Muscheln herum, die von den Weibchen zur Eiablage von zwei bis vier Eiern je Muschel genutzt werden. Das territorienbildende, dominante Männchen umwirbt ein Weibchen, führt es zu den Muscheln seines Reviers und besamt die Muscheln sowohl vor als auch nach der Eiablage.
Aufgefallen war den Forschern, dass dominante Bitterling-Männchen zu Beginn der Territorienbildung – also nach der Besamung noch leerer Muscheln – ein relativ geringes Aggressionsverhalten gegenüber Sneakern zeigen, die ebenfalls Spermien abgeben. Das ändert sich allerdings, sobald das Weibchen seine Eier abgelegt hat. Ist es für dominante Bitterling-Männchen zu aufwendig, Sneaker konsequent in die Flucht zu schlagen oder hat es sogar auch Vorteile, die Nebenbuhler in gewissem Umfange zu tolerieren?
Beides scheint in der Tat der Fall zu sein. Candolin und Reynolds richteten vier Versuchsaquarien mit je einer Muschel ein und bestückten sie mit einer unterschiedlichen Anzahl von Männchen, um herauszufinden, ob die Anzahl potenzieller Sneaker das Aggressionsverhalten des dominanten Männchens und das Eiablageverhalten des Weibchens beeinflusst. Die Forscher setzten ein Weibchen für maximal 15 Minuten nacheinander in jedes der Aquarien und gaben ihm Gelegenheit, seine Eier in die Muschel abzulegen. Anschließend kam ein zweites Weibchen hinzu, sodass die Wissenschaftler beobachten konnten, ob sich das Aggressionsverhalten des dominanten Männchens nach der ersten Befruchtungsmöglichkeit ändern würde.
In der Tat zeigten sich die dominanten Männchen bei der Präsentation des zweiten Weibchens generell angriffslustiger, da sie offensichtlich bereits eine erfolgreiche Besamung der Eier des ersten Weibchens vollzogen hatten. Außerdem stieg das Aggressionsverhalten deutlich jeweils nach der Eiablage durch die Weibchen. Je mehr Männchen das Territorium bedrohten, desto heftiger fiel die Verteidigung aus. Das Weibchen wiederum legte umso bereitwilliger seine Eier in die Muschel ab, umso mehr Männchen sie umgaben und sie umwarben.
Tatsächlich macht es also für ein dominantes Männchen Sinn, Sneaker in gewissem Umfange zuzulassen, da ein Weibchen durch die Anwesenheit mehrerer Männchen seine Eier zügiger in die dargebotene Muschel abgibt. Zudem lenkt die nachhaltige Verteidigung des Territoriums das dominante Männchen von der Werbung um das Weibchen ab, wodurch sich das Weibchen weniger animiert sieht, seine Eier abzulegen.
Eine Verteidigung vor der Eiablage des Weibchens hilft dagegen wenig, denn das Männchen weiß nicht, ob das Weibchen seine Eier tatsächlich in die Muschel abgeben wird. Für die Bitterlinge ist es daher das kleinere Übel, die ungeliebten Nebenbuhler zu dulden.
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