News: Um die Wette blitzen
Schon das Duo einfacher Neutronenstern und Pulsar gilt als äußerst ergiebige Experimentierumgebung für die Allgemeine Relativitätstheorie. Was mag dann erst ein Pärchen aus zwei Pulsaren für Ergebnisse liefern?
Effekte der Allgemeinen Relativitätstheorie lassen sich nur schwerlich in irdischen Labors nachstellen. Schließlich bedarf es schon enormer Massen, um den Raum merklich zu krümmen. Aber es lässt sich ja glücklicherweise auf zahlreiche astronomische Objekte zurückgreifen, mit denen sich schon so manche Konsequenz aus Einsteins Theorie praktisch bestätigen ließ.
Das vielleicht außergewöhnlichste Versuchslabor für derartige "Experimente" bieten Neutronensterne – die hochdichten Überreste massereicher Sterne –, wenn sie im Doppelpack vorkommen – was leider nur selten der Fall ist. Zumindest kennen Astronomen gerade einmal sechs solcher Doppelsysteme.
Zu dem vielleicht bekanntesten Pärchen gehört der Pulsar PSR1913+16. Auch bei einem Pulsar handelt es sich um einen Neutronenstern, der jedoch schnell rotiert und in regelmäßigen zeitlichen Abständen Strahlungspulse aussendet – kosmische Leuchttürme sozusagen. Das Doppelsystem, zu dem PSR1913+16 gehört, ermöglichte jedenfalls seit seiner Entdeckung vor knapp 30 Jahren die Überprüfung einer ganzen Reihe von Effekten der Allgemeinen Relativitätstheorie.
Einer der wichtigsten ist sicherlich der Nachweis von Gravitationswellen. Denn während sich ein direkter Beleg dieses aus der Theorie hervorgehenden Phänomens schwierig gestaltet und bis heute noch nicht gelungen ist – aufwändige interferometrische Experimente sind nötig, um die marginale Verzerrung der Raumzeit durch diese Wellen nachzuweisen –, lieferte PSR1913+16 seinerzeit zumindest einen indirekten Beweis: So konnten die Entdecker des Doppelsystems, John Hulse und Joseph Taylor, die Abnahme der Bahnperiode nachweisen, die sich aufgrund des Energieverlust durch die Abstrahlung von Gravitationswellen ergibt. 1993 erhielten sie dafür den Nobelpreis für Physik.
Wenngleich PSR1913+16 auch manch anderes Ergebnis lieferte, lässt sich leicht ausmalen, dass ein System aus zwei Pulsaren noch mehr Informationen über die ungewöhnlichen physikalischen Bedingungen vor Ort liefert. Denn schließlich künden zwei kosmische Leuchtfeuer von dem fernen Tanz im All. Genau so einen Doppelpulsar konnten nun Astronomen um Andrew Lyne, dem Direktor des Jodrell Bank Observatory, anhand von Beobachtungsdaten des australischen Parkes-Radioteleskops und des britischen 76-Meter-Lovell-Teleskops ausmachen. Zwar berichteten schon Ende 2003 Forscher von der Entdeckung des Pulsars J0737-3039 und schlossen anhand der Dopplerverschiebung der Strahlungspulse darauf, dass es noch einen Neutronenstern als Begleiter gibt. Dass es sich dabei jedoch ebenfalls um einen Pulsar handelt, bemerkten die Wissenschaftler erst bei einer genaueren Analyse der Radiodaten.
So zeigte sich, dass neben dem sich alle 22,7 Mikrosekunden wiederholenden Puls auch alle 2,8 Sekunden ein Signal eintrifft. Dieses weist ebenfalls die Dopplerverschiebung auf, die sich aus der Bahngeschwindigkeit in dem Doppelsystem ergibt. Das Pärchen ist also wirklich physikalisch aneinander gebunden und umkreist sich im Tanz. Gleich vier wichtige relativistische Korrekturgrößen ließen sich aus den Daten ableiten, und eine fünfte – die Abnahme des Bahndurchmessers – wollen die Wissenschaftler in den nächsten Monaten ermitteln.
Laut Allgemeiner Relativitätstheorie müssten sich die beiden Tanzpartner derzeit täglich um etwa 7 Millimeter näher kommen. Bis sie jedoch ihre Distanz von 900 000 Kilometern überwunden haben – das ist etwa dreimal die Entfernung Erde-Mond –, braucht es vermutlich noch gute 85 Millionen Jahre. Inwieweit die Theorie stimmt, wird sich zeigen, wenn die Astronomen genauere Daten zur Veränderung der Bahn der Neutronensterne ermittelt haben.
Eines steht indes schon jetzt fest: Wenn die beiden Sternenreste aufeinander krachen, wird es eine Erschütterung der Raumzeit geben, wie sich nicht alle Tage vorkommt – ein Ereignis, das sich durchaus auch mit heutiger Messtechnik auf der Erde nachweisen ließe. Da Forscher davon ausgehen, dass das Doppelsystem in 2000 Lichtjahren Entfernung beileibe kein Einzelfall in der Milchstraße ist, könnte bei uns vielleicht auch in überschaubaren Zeitmaßstäben eine kosmische Welle anbranden.
Bis dahin werden die Astronomen noch genug an J0737-3039A – der schnelle Pulsar des Paares – und J0737-3039B – der langsame – zu forschen haben. So bekommt der langsame Partner beispielsweise mit schöner Regelmäßigkeit die volle Breitseite an Strahlung seines Kompagnons ab. Das Strahlungsmuster, das J0737-3039B daraufhin von sich gibt, könnte laut den Astrophysikern David Nice und Donald Backer Aufschluss über die Entstehung der Strahlungsblitze beziehungsweise die Physik der Magnetosphäre von Pulsaren werfen.
Schon jetzt fanden Lyne und seine Kollegen viel Bestätigung für die Entstehungsgeschichte des ungewöhnlichen Paars. Demnach kreisten einst zwei massereiche Sterne im Süd-Sternbild Achterschiff (Puppis) umeinander. Der eine war etwas schwerer als der andere und verfeuerte seinen Kernbrennstoff demzufolge etwas schneller als sein Kollege. Er verging daraufhin in einer Supernova und ließ einen Neutronenstern zurück, der fortan schnell um die eigene Achse rotierte: PSR1913+16A war geboren – damals noch als normaler Pulsar mit vergleichsweise langsamer Pulsfrequenz.
Das war vor 210 Millionen Jahren. Das Paar folgte dann für rund ein bis zehn Millionen Jahre einem ungleichen Reigen, bis sich auch der andere Stern am Ende seiner Lebenszeit zum Roten Riesen aufblähte. Dabei betätigte sich J0737-3039A vermutlich als Dieb und stahl seinem Partner einen Teil der Gase seiner äußeren Hülle. Das wiederum übertrug ein zusätzliches Drehmoment auf J0737-3039B, sodass sich dieser Pulsar schneller und immer schneller drehte und schließlich Pulsfrequenzen im Mikrosekundenbereich erlangte. Schließlich endete auch sein Partnerstern in einer Supernova und wurde vor etwa 50 Millionen Jahren zum Pulsar J0737-3039B.
Soweit in aller Kürze die Ereignisse der vergangenen Jahrmillionen. Bleibt abzuwarten, was uns die beiden Pulsare in den nächsten 85 Millionen Jahren für ein Schauspiel präsentieren. Aber wie lange es wohl Menschen geben mag, die sich für tote Sterne interessieren?
Das vielleicht außergewöhnlichste Versuchslabor für derartige "Experimente" bieten Neutronensterne – die hochdichten Überreste massereicher Sterne –, wenn sie im Doppelpack vorkommen – was leider nur selten der Fall ist. Zumindest kennen Astronomen gerade einmal sechs solcher Doppelsysteme.
Zu dem vielleicht bekanntesten Pärchen gehört der Pulsar PSR1913+16. Auch bei einem Pulsar handelt es sich um einen Neutronenstern, der jedoch schnell rotiert und in regelmäßigen zeitlichen Abständen Strahlungspulse aussendet – kosmische Leuchttürme sozusagen. Das Doppelsystem, zu dem PSR1913+16 gehört, ermöglichte jedenfalls seit seiner Entdeckung vor knapp 30 Jahren die Überprüfung einer ganzen Reihe von Effekten der Allgemeinen Relativitätstheorie.
Einer der wichtigsten ist sicherlich der Nachweis von Gravitationswellen. Denn während sich ein direkter Beleg dieses aus der Theorie hervorgehenden Phänomens schwierig gestaltet und bis heute noch nicht gelungen ist – aufwändige interferometrische Experimente sind nötig, um die marginale Verzerrung der Raumzeit durch diese Wellen nachzuweisen –, lieferte PSR1913+16 seinerzeit zumindest einen indirekten Beweis: So konnten die Entdecker des Doppelsystems, John Hulse und Joseph Taylor, die Abnahme der Bahnperiode nachweisen, die sich aufgrund des Energieverlust durch die Abstrahlung von Gravitationswellen ergibt. 1993 erhielten sie dafür den Nobelpreis für Physik.
Wenngleich PSR1913+16 auch manch anderes Ergebnis lieferte, lässt sich leicht ausmalen, dass ein System aus zwei Pulsaren noch mehr Informationen über die ungewöhnlichen physikalischen Bedingungen vor Ort liefert. Denn schließlich künden zwei kosmische Leuchtfeuer von dem fernen Tanz im All. Genau so einen Doppelpulsar konnten nun Astronomen um Andrew Lyne, dem Direktor des Jodrell Bank Observatory, anhand von Beobachtungsdaten des australischen Parkes-Radioteleskops und des britischen 76-Meter-Lovell-Teleskops ausmachen. Zwar berichteten schon Ende 2003 Forscher von der Entdeckung des Pulsars J0737-3039 und schlossen anhand der Dopplerverschiebung der Strahlungspulse darauf, dass es noch einen Neutronenstern als Begleiter gibt. Dass es sich dabei jedoch ebenfalls um einen Pulsar handelt, bemerkten die Wissenschaftler erst bei einer genaueren Analyse der Radiodaten.
So zeigte sich, dass neben dem sich alle 22,7 Mikrosekunden wiederholenden Puls auch alle 2,8 Sekunden ein Signal eintrifft. Dieses weist ebenfalls die Dopplerverschiebung auf, die sich aus der Bahngeschwindigkeit in dem Doppelsystem ergibt. Das Pärchen ist also wirklich physikalisch aneinander gebunden und umkreist sich im Tanz. Gleich vier wichtige relativistische Korrekturgrößen ließen sich aus den Daten ableiten, und eine fünfte – die Abnahme des Bahndurchmessers – wollen die Wissenschaftler in den nächsten Monaten ermitteln.
Laut Allgemeiner Relativitätstheorie müssten sich die beiden Tanzpartner derzeit täglich um etwa 7 Millimeter näher kommen. Bis sie jedoch ihre Distanz von 900 000 Kilometern überwunden haben – das ist etwa dreimal die Entfernung Erde-Mond –, braucht es vermutlich noch gute 85 Millionen Jahre. Inwieweit die Theorie stimmt, wird sich zeigen, wenn die Astronomen genauere Daten zur Veränderung der Bahn der Neutronensterne ermittelt haben.
Eines steht indes schon jetzt fest: Wenn die beiden Sternenreste aufeinander krachen, wird es eine Erschütterung der Raumzeit geben, wie sich nicht alle Tage vorkommt – ein Ereignis, das sich durchaus auch mit heutiger Messtechnik auf der Erde nachweisen ließe. Da Forscher davon ausgehen, dass das Doppelsystem in 2000 Lichtjahren Entfernung beileibe kein Einzelfall in der Milchstraße ist, könnte bei uns vielleicht auch in überschaubaren Zeitmaßstäben eine kosmische Welle anbranden.
Bis dahin werden die Astronomen noch genug an J0737-3039A – der schnelle Pulsar des Paares – und J0737-3039B – der langsame – zu forschen haben. So bekommt der langsame Partner beispielsweise mit schöner Regelmäßigkeit die volle Breitseite an Strahlung seines Kompagnons ab. Das Strahlungsmuster, das J0737-3039B daraufhin von sich gibt, könnte laut den Astrophysikern David Nice und Donald Backer Aufschluss über die Entstehung der Strahlungsblitze beziehungsweise die Physik der Magnetosphäre von Pulsaren werfen.
Schon jetzt fanden Lyne und seine Kollegen viel Bestätigung für die Entstehungsgeschichte des ungewöhnlichen Paars. Demnach kreisten einst zwei massereiche Sterne im Süd-Sternbild Achterschiff (Puppis) umeinander. Der eine war etwas schwerer als der andere und verfeuerte seinen Kernbrennstoff demzufolge etwas schneller als sein Kollege. Er verging daraufhin in einer Supernova und ließ einen Neutronenstern zurück, der fortan schnell um die eigene Achse rotierte: PSR1913+16A war geboren – damals noch als normaler Pulsar mit vergleichsweise langsamer Pulsfrequenz.
Das war vor 210 Millionen Jahren. Das Paar folgte dann für rund ein bis zehn Millionen Jahre einem ungleichen Reigen, bis sich auch der andere Stern am Ende seiner Lebenszeit zum Roten Riesen aufblähte. Dabei betätigte sich J0737-3039A vermutlich als Dieb und stahl seinem Partner einen Teil der Gase seiner äußeren Hülle. Das wiederum übertrug ein zusätzliches Drehmoment auf J0737-3039B, sodass sich dieser Pulsar schneller und immer schneller drehte und schließlich Pulsfrequenzen im Mikrosekundenbereich erlangte. Schließlich endete auch sein Partnerstern in einer Supernova und wurde vor etwa 50 Millionen Jahren zum Pulsar J0737-3039B.
Soweit in aller Kürze die Ereignisse der vergangenen Jahrmillionen. Bleibt abzuwarten, was uns die beiden Pulsare in den nächsten 85 Millionen Jahren für ein Schauspiel präsentieren. Aber wie lange es wohl Menschen geben mag, die sich für tote Sterne interessieren?
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