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Arteriosklerose: Unheilbringende Dehnung

Arteriosklerose ist der erste Schritt zum Herzinfarkt, einer der häufigsten Todesursachen in den Industrieländern. Beteiligt an der fatalen Verhärtung und Verdickung der Arterien sind offenbar auch ungünstige Zugverhältnisse an der Verzweigungen des Blutgefäßsystems.
Aktinfasern in Endothelzelle
Heimlich, still und leise kommt sie daher: Zu Beginn einer Arteriosklerose lagern sich vom Patienten unbemerkt große Cholesterinpartikel an den Innenwänden der Blutgefäße ab und bilden dort nach und nach so genannte Lipidstreifen. Ganz allmählich werden diese größer, verändern sich und werden schließlich zu den als Plaques bezeichneten dicken Verhärtungen in der Blutgefäßwand. Reißt eine solche Plaque dann auf, kann das dabei entstehende Blutgerinnsel den Blutstrom blockieren – es drohen Herzinfarkt und Schlaganfall.

Das Übel lauert dabei in den Ecken und Winkeln: Die ersten Zeichen einer Arteriosklerose finden sich in aller Regel an den Verzweigungen der Blutgefäße – die geraden Blutbahnen bleiben meist zunächst verschont. So viel weiß man schon lange, eine Erklärung für dieses Phänomen fand jetzt das Team um Shu Chien von der Universität von Kalifornien in San Diego.

Chien und seine Kollegen verdächtigten als Drahtzieher bei den frühen Ereignissen der Arteriosklerose die mechanische Belastung der Blutgefäße durch den Blutstrom und ein bestimmtes Protein, das unter Stressbedingungen aktiviert wird: Die c-Jun N-terminale Kinase, kurz JNK, die verschiedene Stressreaktionen der Zelle reguliert, bis hin zu Zelltod oder Tumorentstehung.

Um ihre Vermutung zu überprüfen, isolierten die Wissenschaftler Endothelzellen, also diejenigen Zellen, die die Blutgefäße innen auskleiden, aus der Aorta von Rindern und gaben diese auf eine Membran, an der sich die Zellen festhefteten. Dann konnte das Experiment beginnen: Wie auf einem Streckbett wurden die Endothelzellen durch Dehnung der Membran in die Länge gezogen, einige ausschließlich in eine Richtung, andere gleichzeitig in zwei rechtwinklig zueinander liegende Richtungen.

Aktinfasern in Endothelzellen | Bei mechanischem Zug in eine Richtung ordnen sich die Aktinfasern (rot) der Zelle quer zur Zugrichtung (weißer Balken rechts unten) an.
Diese passive Dehnung der Zellen veränderte sowohl deren Proteinaktivität als auch deren Morphologie: Wurden die Zellen nur in eine Richtung in die Länge gezogen, bildeten sie zunächst viel des zellschädigenden Proteins JNK, stellten diese Überproduktion aber sehr schnell wieder ein. Gleichzeitig richteten sich die elastischen Aktinfasern in der Zelle schön einheitlich quer zur Zugrichtung aus. Drehten die Wissenschaftler nach einer Weile die Zugrichtung um 90 Grad, richteten sich – nach einer vorübergehenden Mehrproduktion von JNK – auch die Aktinfasern wieder rechtwinklig zur Zugrichtung aus. "Wir sind erstaunt, wie schnell diese Zellen sich umorientieren, wenn wir die Dehnungsrichtung ändern", sagt Shu Chien.

Solche gleichmäßig angeordneten Fasern findet man auch in den Endothelzellen der geraden Bereiche der Blutgefäße, die gegenüber arteriosklerotischen Schädigungen weniger empfindlich sind. An diesen Stellen fehlen Turbulenzen und Scherkräfte und der Blutstrom dehnt die Endothelzellen nur in eine Richtung.

"Wir sind erstaunt, wie schnell diese Zellen sich umorientieren, wenn wir die Dehnungsrichtung ändern"
(Shu Chien)
Diejenigen Endothelzellen aber, welche die Forscher besonders quälten und wie zur Vierteilung in zwei Richtungen gleichzeitig dehnten, produzierten permanent große Mengen an JNK und es gelang ihnen nicht, ihre Aktinfasern einheitlich auszurichten. Stattdessen orientierten sich diese Fasern kreuz und quer in der Zelle.

Auch hier gibt es eine Parallele zum Blutgefäßsystem: In den Endothelzellen an Verzweigungen der Blutbahnen, die durch Scherkräfte in alle Richtungen gedehnt werden, liegen die Fasern vollkommen unsortiert in der Zelle. An diesen Stellen treten auch die ersten arteriosklerotischen Schädigungen auf.

Bei einem gleichmäßigen Zug in eine Richtung können Endothelzellen also ihre Aktinfasern einheitlich quer zur Belastungsrichtung ausrichten und dadurch die Produktion des gefährlichen Proteins JNK unterbinden. Zellen in der Innenwand gerader Blutbahnen sind daher gegenüber denjenigen an Verzweigungen eindeutig im Vorteil, da letztere durch den an diesen Stellen deutlich unruhigeren Blutstrom wesentlich weniger einheitlichen Zug- und Scherkräften ausgesetzt sind.

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