News: Vatersehnsucht - ein neues Phänomen?
Warum entsteht das neue Phänomen 'Vatersehnsucht'? Von unerfüllten Gleichheitswünschen enttäuscht, haben sich zahlreiche Frauen auf eine bislang unentdeckte Fährte begeben. Sie suchen nach Wegen, ihre gesellschaftliche und partnerschaftliche Nichtanerkennung auszugleichen – und rückbesinnen sich dabei auf die Familie. Die entgangenen Chancen in der außerfamilialen Welt sollen innerhalb der Familie kompensiert werden. Diese Kompensation suchen sie bei ihren Kindern, allerdings auf eine neue Art: Die Töchter und Söhne werden nicht mehr – wie bisher Tradition – vor den Ansprüchen der äußeren Welt (Arbeit, Konsum und Aggression) abgeschirmt, sondern die enttäuschten Frauen öffnen ihre Familien für die unmittelbaren Ansprüche der Gesellschaft. In diese Familien ziehen Wettbewerb, Leistung und Erfolg als Kriterien des Zusammenlebens ein, auch wenn kindliche Spontaneität und Emotionalität dabei verloren gehen.
Die Kompensationswünsche der Frauen geraten auch mit der Väterlichkeit des Partners in Konflikt – mit Konsequenzen für die Elternkultur. Der Vater sieht sich seiner Väterlichkeit beraubt, wenn die Mutter ihre Kompensationswünsche als benachteiligte Frau innerhalb der Familie zielstrebig durchsetzt. Es entstehen – auch als Ausgleich für das entgangene Glück in der Beziehung – innige Beziehungen vor allem zu den Söhnen (aber nicht nur), die die Zukunft der jungen Menschen belasten.
Die Bedeutung des Vaters schwindet, wenn der Mann die Entmachtung seiner Väterlichkeit hinnimmt. Viele Aspekte der Studie deuten darauf hin, daß sich der Vater seiner Verantwortung in der Familie entzieht, auch wenn zeitgleich die Vatersehnsucht entsteht. Diese Vatersehnsucht ist ein intensives Gefühl, das zumeist nicht geäußert, bisweilen gar nicht zugestanden wird. Die Angst vor Lächerlichkeit führt zur Verdrängung der Sehnsucht. Die öffentliche Häme und Verachtung für die Väterlichkeit ist nach Ansicht von Gerhard Amendt Ausdruck einer tiefen Vatersehnsucht. Die Vaterschelte der Kinder bringt eine doppelte Enttäuschung zum Ausdruck: die Enttäuschung über den fehlenden Vater, aber auch die Enttäuschung über die übermächtige Mutter.
Gerhard Amendt sieht in der Vatersehnsucht auch eine Chance und Zukunftsperspektive für die Familie, deshalb soll öffentlich und privat darüber gesprochen werden. Vatersehnsucht läßt sich nur dann stillen, wenn Vater und Mutter nicht mehr getrennt und arbeitsteilig für ihre Kinder da sind und wenn sie Elterlichkeit gemeinsamer Verantwortung und Konfliktfähigkeit praktizieren.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 2.12.1999
"Gestörte Jugend"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 12.10.1998
"Elterntraining zum Wohle der Kinder"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich)
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