News: Verflochtener Stammbaum
Wenig ist bislang über jene Wuchsformen bekannt, an der gut ein Fünftel der heutigen Pilzarten beteiligt sind. Doch nun nahmen sich François Lutzoni und seine Kollegen vom Field Museum der merkwürdigen Doppelwesen an. Mithilfe von DNA-Sequenzuntersuchungen und statistischen Methoden ermittelten sie einen präziseren Stammbaum der Pilze und rekonstruierten die Evolution der Flechten. Und siehe da, die Lebensgemeinschaft zwischen Pilz und Alge entpuppte sich als viel ältere Partnerschaft als ursprünglich gedacht.
Demnach spielten Flechten bei der Evolution der Pilze eine viel bedeutendere Rolle: Einige Hauptlinien von nicht mit Algen vergesellschafteten Ascomyceten-Arten stammen überraschenderweise von Flechten-bildenden Vorfahren ab, haben jedoch im Laufe ihrer weiteren Entwicklung die Fähigkeit zum Zusammenleben mit den photosynthetischen Organismen verloren. Diese Erkenntnis ist besonders bedeutsam, da zu einigen Gruppen von "solo lebenden" Pilzen mit Flechten-Urahnen auch Vertreter gehören, die für Menschen nützliche oder schädliche Eigenschaften besitzen.
Beispielsweise ging der Pilz Penicillium, der den Wirkstoff Penicillin liefert, aus einer der ehemals Flechten-bildenden Linien hervor. In diese Gruppe reihen sich auch Aspergillus flavus und A. parasiticus, deren abgesonderte Aflatoxine zu den stärksten bekannten krebserregenden Substanzen zählen. Wiederum andere Mitglieder lösen als infektiöse Agentien Tier- und Menschenkrankheiten aus.
Ein Vergleich der Unterschiede zwischen Pilzen, die im Laufe ihrer Evolution nie einen Lebensbund mit Algen geschlossen haben, und Pilzen, die einst mit den Photosynthese-Organismen vergesellschaftet waren, aber heute dazu nicht mehr in der Lage sind, könnte nun bessere Einblicke in von Pilzen ausgelöste Tier- und Menschenkrankheiten liefern. "Wenn ein Pilz seine Fähigkeit verliert, eine Flechten-Symbiose einzugehen, werden vielleicht einige in diesen Prozess involvierte Gene auf neue Funktionen umgeleitet, die den Menschen unbeabsichtigt nutzen oder schaden", spekuliert Mark Pagel aus dem Forscherteam.
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