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News: Vermessenes Fliegenhirn

Zwei Haaresbreiten lang und fünf breit - das ist die durchschnittliche Größe des Gehirns einer Taufliege. Wissenschaftler in Deutschland haben jetzt dieses Fliegenhirn vermessen und eine dreidimensionalen Karte aufgestellt. Damit sollen schon feine Defekte als Abweichung vom Standard auffallen und die betreffende Tiere als Sonderlinge auszeichnen.
Die Taufliege Drosophila melanogaster genießt nicht gerade einen Ruf als großer Denker – ist sie doch eher eine Kreatur mit kleinem Gehirn. Vielen Genetikern dient sie jedoch als dankbares Versuchstier. Anhand der Beobachtung von Tieren, denen bestimmte Gene fehlen, enträtseln die Wissenschaftler deren Aufgabe – zumindest wenn ein Makel offen zu Tage tritt.

Neurobiologen taten sich hier etwas schwerer. Denn ein Defekt im Gehirn lässt sich erst entdecken, wenn es ein Vergleichshirn als gesunden Marker gibt. Und so haben Martin Heisenberg und seine Kollegen von der Universität Würzburg Fliegenhirne vermessen, um so einen Standard für ein durchschnittliches Gehirn zu erstellen.

Gehirnakrobaten scheinen bei den Fliegen genauso selten vorzukommen wie ausgesprochene Dummköpfe, und so zeigten sich die Hirne von Drosophila eher hübsch einheitlich. 120 Hirne sezierte und vermaß das Team, wobei sie ein spezielles Mikroskop einsetzten, um dreidimensionale Bilder zu gewinnen. Durch Verwendung extra für diesen Zweck entwickelter Software verglichen die Forscher die Bilder und entwarfen durchschnittliche Dimensionen.

Bei Kollegen erntete die Arbeit der Würzburger Lob. "Es ist eine gute Idee", meint Nicholas Strausfeld von der University of Arizona, der einen Internetatlas des Fliegenhirns verfasst hat. Indem die durchschnittliche Größe und Form des Gehirns jetzt bekannt ist, können Tiere mit einem winzigen Makel aussortiert werden. In Zukunft sollen Tausende Fliegen mit genetischen Mutationen abgelichtet werden. Besonders bei den heiß diskutierten Themen Lernen und Gedächtnis könnten diese Vergleiche zu sinnvollen Ergebnissen führen, vermutet Strausfeld.

Heisenberg hofft, dass die Fachwelt das von seinem Team standardisiertes Fliegenhirn annimmt und zur Untersuchung der Genaktivität einsetzt. Schließlich sind zwei Drittel der Fliegengene im Gehirn aktiv, jedes zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt und an einem anderen Ort. Einen ebenso anspruchsvollen Ansatz verfolgt das International Consortium for Brain Mapping, dem John Mazziotta von der University of California in Los Angeles vorsitzt. Indem die Ärzte die in einer Datei abgespeicherten Daten eines gesunden durchschnittlichen menschlichen Gehirns als Vergleich einsetzen, sollen etwa bei Patienten mit Alzheimer oder Schlaganfällen die betroffenen Gehirnregionen besser identifiziert werden können. Der menschliche Standard soll im September 2003 vollständig vorliegen.

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