News: Volle Packung
Generationen von Physikern, Mathematikern und Kristallographen haben mehr oder minder mühevoll die Parameter der dichtest möglichen Anordnung von Kugeln ergründet und berechnet. Die Beschäftigung mit Süßigkeiten ist selbstredend weniger harte Kost und liefert, wie sich nun zeigt, mitunter ähnlich effiziente Ergebnisse.
Geometrische Kristallographie ist wahrlich kein Zuckerschlecken – eher Apfelsinenstapeln. So zumindest versuchen einem die Dozenten in der Physik, theoretisch den atomaren Aufbau der Materie näher zu bringen. Eigentlich ein eher trockenes Geschäft, aber immerhin bringt das Obstbeispiel etwas Farbe in die graue Theorie. Denn will man gleichartige kugelrunde Objekte – eben zum Beispiel Apfelsinen – möglichst raumsparend stapeln, dann gibt es dafür nur eine ideale Möglichkeit: die dichteste Kugelpackung.
Was jede Marktfrau intuitiv beherrscht und Johannes Kepler bereits im Jahre 1611 vermutete, ist mittlerweile auch mathematisch bewiesen: Rund 74 Prozent des Raumes lassen sich mit dieser Anordnung füllen. Mehr geht nicht. Doch wie sieht so ein Apfelsinenstapel aus?
Eigentlich ganz einfach: Man schare das Obst zunächst in der untersten Ebene so, dass jede Apfelsine von sechs weiteren umringt wird. Auf diese Lage ist nun die nächste zu stapeln, in genau gleichem Arrangement, allerdings etwas versetzt, sodass die Apfelsinen in den Lücken der ersten Lage sitzen. Um die Packung komplett zu machen, türmt man nun die nächste Obstlage entweder genau über der untersten, sodass sich eine Stapelabfolge ABA ergibt, oder man wählt etwas verschoben die einzigen anderen verbleibenden Lücken, sodass eine Abfolge ABC resultiert. Wie auch immer die Wahl ausfällt, die Kugelpackung ist optimal.
Anders sieht das Ganze aus, wenn man die Apfelsinen wahllos in einen Bottich plumpsen lässt: Hier kann von Ordnung nicht mehr die Rede sein, und selbst wenn man mit Schütteln ein wenig nachhilft, lässt sich das Gefäß auf diese Weise maximal zu 64 Prozent füllen. So eine Schüttung hat häufig viel größere Bedeutung als die regelmäßige Anordnung – zumindest dann, wenn man den atomaren Maßstab und die Welt der Kristalle verlässt. Zufällige Stapelfolgen bestimmen den Füllungsgrad eines beliebigen kugeligen Produkts in seiner Verpackung – Erbsen in der Dose beispielsweise. Doch ist die Kugel nicht eher der Idealfall? Kommen in der Realität nicht viel häufiger andere Formen vor?
Man denke nur an Pillen, Kaffeebohnen oder Süßigkeiten – alles irgendwie rund, aber häufig abgeplattet oder in die Länge gezogen. Der Ellipsoid scheint viel häufiger vorzuherrschen als die Kugel, die eigentlich nur ein Spezialfall eines solchen Körpers mit gleichen Hauptachsenlängen ist. Solche Ellipsoide haben es Alexander Donew von der Princeton University und seinen Kollegen angetan, und zwar in Form von Schokolinsen – M&M's, um genau zu sein.
Schenkt man David Weitz von der Harvard University Glauben, der seine Kollegen offenbar nur zu gut kennt, dann scheint sich jene Leckerei in mancher Arbeitsgruppe der physikalischen Fakultät in Princeton großer Beliebtheit zu erfreuen. Wenn wundert's, dass der Schokosnack also früher oder später auch für Experimente herhalten musste? Mit wenig und mit etwas mehr Aufwand bestimmten die Physiker um Donew, wie gut sich mit einer zufälligen Schüttung der Süßigkeit verschiedene Gefäße füllen ließen.
Ob rechteckige Box oder kugelrunde Glasgefäße, in unterschiedliche Formen gaben die Forscher kleine und große M&M's und verglichen die Füllung mit einer ebenso regellosen Schüttung kleiner Kugellagerkugeln. Das Ergebnis war erstaunlich: Während die Stahlkugeln tatsächlich fast die üblichen 64 Prozent der Gefäße füllten, nutzten die Schokoleckereien mit 67 bis 70 Prozent – je nach ihrer Größe – deutlich besser den zur Verfügung stehenden Raum. Hatte sich vielleicht zufällig eine gewisse Ordnung der Smarties-Klone eingeschlichen?
Eine kurzerhand durchgeführte Kernspinresonanz-Untersuchung eines voll gefüllten Süßigkeitenbehälters im uni-eigenen Krankenhaus zeigte, dass dem nicht so ist. Statistisch gesehen, sind die Schokolinsen schön durcheinander gemengt. Woran liegt es also dann, dass ellipsoide Körper scheinbar besser den Raum füllen als kugelige?
Um der Frage auf den Grund zu gehen, führten die Naschkatzen um Donew erst einmal Computersimulationen von verschiedenartigen Ellipsoid-Füllungen durch. Auch hier das erstaunliche Ergebnis, dass die langgezogenen und platten Objekte die besseren Platznutzer sind – die Kugel sogar am denkbar schlechtesten den Raum nutzt. Alles bei zufälliger Mischung wohlgemerkt!
Manche Ellipsoiden kamen mit ihrem zufälligen Füllgrad sogar der 74-Prozent-Marke der dichtesten Kugelpackung nahe. Wie die Simulation zeigte, spiegeln die M&M's mit ihren Maßen fast den Idealellipsoiden für derartige Optimalfüllungen wider. Ob deshalb so viele der bunten Dinger in den Magen passen? Weitz scherzt: "Das ist natürlich eine äußerst wichtige Information, wenn man Diät hält, und M&M's die einzige Nahrung sind, die man den ganzen Tag zu sich nimmt."
Aber zurück zur Frage nach dem Grund für die bessere Platznutzung: Donew und Co gehen davon aus, dass die Anzahl der nächsten Nachbarn in einer Packung aus Ellipsoiden aufgrund zusätzlicher Freiheitsgrade der Rotation steigt. Dazu ein einfaches Beispiel: Eine Kugel kann man durch sechs oder sieben andere Kugeln so einklemmen, dass sie sich nicht mehr bewegen kann. Ein Ellipsoid, der genauso eingeklemmt wird, kann sich aber vielleicht noch drehen und sich so befreien. Es braucht also ein paar mehr Kontaktstellen zu Nachbarteilchen, um ihn festzusetzen. Eine zufällige Schüttung befindet sich im Zustand des statischen Gleichgewichts, nichts bewegt sich hier. Um dergleichen bei Ellipsoiden zu erreichen, müssen also mehr Objekte miteinander in Kontakt stehen als im Fall von Kugeln. Das heißt aber auch, dass die Dichte der Teilchen größer ist.
In der Tat wiesen die experimentellen und simulierten Schokolinsen im Schnitt deutlich mehr Berührung zu ihresgleichen auf als die Stahlkugeln. Waren es im letzten Fall nur 6,4 Berührungen pro Kugel, so kamen die Süßigkeiten auf immerhin 9,2 im Durchschnitt. Zum Vergleich: In der dichtesten Kugelpackung berührt jede Kugel genau zwölf Partner.
Abseits von idealen Packungen wie im Kristall ist also die eierige Form durchaus der perfekten Kugel überlegen – zumindest wenn es gilt, Platz zu sparen. Sicherlich eine Erkenntnis, die für manchen Hersteller interessant sein könnte. Die Natur indes wird es kaum interessieren, und so müssen die Apfelsinen auf dem Markt eben auch künftig ordentlich gestapelt werden – aber das hat ja auch eine gewisse Ästhetik.
Was jede Marktfrau intuitiv beherrscht und Johannes Kepler bereits im Jahre 1611 vermutete, ist mittlerweile auch mathematisch bewiesen: Rund 74 Prozent des Raumes lassen sich mit dieser Anordnung füllen. Mehr geht nicht. Doch wie sieht so ein Apfelsinenstapel aus?
Eigentlich ganz einfach: Man schare das Obst zunächst in der untersten Ebene so, dass jede Apfelsine von sechs weiteren umringt wird. Auf diese Lage ist nun die nächste zu stapeln, in genau gleichem Arrangement, allerdings etwas versetzt, sodass die Apfelsinen in den Lücken der ersten Lage sitzen. Um die Packung komplett zu machen, türmt man nun die nächste Obstlage entweder genau über der untersten, sodass sich eine Stapelabfolge ABA ergibt, oder man wählt etwas verschoben die einzigen anderen verbleibenden Lücken, sodass eine Abfolge ABC resultiert. Wie auch immer die Wahl ausfällt, die Kugelpackung ist optimal.
Anders sieht das Ganze aus, wenn man die Apfelsinen wahllos in einen Bottich plumpsen lässt: Hier kann von Ordnung nicht mehr die Rede sein, und selbst wenn man mit Schütteln ein wenig nachhilft, lässt sich das Gefäß auf diese Weise maximal zu 64 Prozent füllen. So eine Schüttung hat häufig viel größere Bedeutung als die regelmäßige Anordnung – zumindest dann, wenn man den atomaren Maßstab und die Welt der Kristalle verlässt. Zufällige Stapelfolgen bestimmen den Füllungsgrad eines beliebigen kugeligen Produkts in seiner Verpackung – Erbsen in der Dose beispielsweise. Doch ist die Kugel nicht eher der Idealfall? Kommen in der Realität nicht viel häufiger andere Formen vor?
Man denke nur an Pillen, Kaffeebohnen oder Süßigkeiten – alles irgendwie rund, aber häufig abgeplattet oder in die Länge gezogen. Der Ellipsoid scheint viel häufiger vorzuherrschen als die Kugel, die eigentlich nur ein Spezialfall eines solchen Körpers mit gleichen Hauptachsenlängen ist. Solche Ellipsoide haben es Alexander Donew von der Princeton University und seinen Kollegen angetan, und zwar in Form von Schokolinsen – M&M's, um genau zu sein.
Schenkt man David Weitz von der Harvard University Glauben, der seine Kollegen offenbar nur zu gut kennt, dann scheint sich jene Leckerei in mancher Arbeitsgruppe der physikalischen Fakultät in Princeton großer Beliebtheit zu erfreuen. Wenn wundert's, dass der Schokosnack also früher oder später auch für Experimente herhalten musste? Mit wenig und mit etwas mehr Aufwand bestimmten die Physiker um Donew, wie gut sich mit einer zufälligen Schüttung der Süßigkeit verschiedene Gefäße füllen ließen.
Ob rechteckige Box oder kugelrunde Glasgefäße, in unterschiedliche Formen gaben die Forscher kleine und große M&M's und verglichen die Füllung mit einer ebenso regellosen Schüttung kleiner Kugellagerkugeln. Das Ergebnis war erstaunlich: Während die Stahlkugeln tatsächlich fast die üblichen 64 Prozent der Gefäße füllten, nutzten die Schokoleckereien mit 67 bis 70 Prozent – je nach ihrer Größe – deutlich besser den zur Verfügung stehenden Raum. Hatte sich vielleicht zufällig eine gewisse Ordnung der Smarties-Klone eingeschlichen?
Eine kurzerhand durchgeführte Kernspinresonanz-Untersuchung eines voll gefüllten Süßigkeitenbehälters im uni-eigenen Krankenhaus zeigte, dass dem nicht so ist. Statistisch gesehen, sind die Schokolinsen schön durcheinander gemengt. Woran liegt es also dann, dass ellipsoide Körper scheinbar besser den Raum füllen als kugelige?
Um der Frage auf den Grund zu gehen, führten die Naschkatzen um Donew erst einmal Computersimulationen von verschiedenartigen Ellipsoid-Füllungen durch. Auch hier das erstaunliche Ergebnis, dass die langgezogenen und platten Objekte die besseren Platznutzer sind – die Kugel sogar am denkbar schlechtesten den Raum nutzt. Alles bei zufälliger Mischung wohlgemerkt!
Manche Ellipsoiden kamen mit ihrem zufälligen Füllgrad sogar der 74-Prozent-Marke der dichtesten Kugelpackung nahe. Wie die Simulation zeigte, spiegeln die M&M's mit ihren Maßen fast den Idealellipsoiden für derartige Optimalfüllungen wider. Ob deshalb so viele der bunten Dinger in den Magen passen? Weitz scherzt: "Das ist natürlich eine äußerst wichtige Information, wenn man Diät hält, und M&M's die einzige Nahrung sind, die man den ganzen Tag zu sich nimmt."
Aber zurück zur Frage nach dem Grund für die bessere Platznutzung: Donew und Co gehen davon aus, dass die Anzahl der nächsten Nachbarn in einer Packung aus Ellipsoiden aufgrund zusätzlicher Freiheitsgrade der Rotation steigt. Dazu ein einfaches Beispiel: Eine Kugel kann man durch sechs oder sieben andere Kugeln so einklemmen, dass sie sich nicht mehr bewegen kann. Ein Ellipsoid, der genauso eingeklemmt wird, kann sich aber vielleicht noch drehen und sich so befreien. Es braucht also ein paar mehr Kontaktstellen zu Nachbarteilchen, um ihn festzusetzen. Eine zufällige Schüttung befindet sich im Zustand des statischen Gleichgewichts, nichts bewegt sich hier. Um dergleichen bei Ellipsoiden zu erreichen, müssen also mehr Objekte miteinander in Kontakt stehen als im Fall von Kugeln. Das heißt aber auch, dass die Dichte der Teilchen größer ist.
In der Tat wiesen die experimentellen und simulierten Schokolinsen im Schnitt deutlich mehr Berührung zu ihresgleichen auf als die Stahlkugeln. Waren es im letzten Fall nur 6,4 Berührungen pro Kugel, so kamen die Süßigkeiten auf immerhin 9,2 im Durchschnitt. Zum Vergleich: In der dichtesten Kugelpackung berührt jede Kugel genau zwölf Partner.
Abseits von idealen Packungen wie im Kristall ist also die eierige Form durchaus der perfekten Kugel überlegen – zumindest wenn es gilt, Platz zu sparen. Sicherlich eine Erkenntnis, die für manchen Hersteller interessant sein könnte. Die Natur indes wird es kaum interessieren, und so müssen die Apfelsinen auf dem Markt eben auch künftig ordentlich gestapelt werden – aber das hat ja auch eine gewisse Ästhetik.
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