News: Vom Osterei zur Supernova
Dieser Tage zieren wieder allenthalben bunt bemalte Hühnereier das Frühlingsgrün. Angesichts dieses friedlichen Bildes fragt man sich doch, was erwachsene Menschen dazu verleiten kann, ausgeblasene Eier auf den Boden zu schleudern oder explodieren zu lassen.
Man nehme einige Hühnereier und bohre in jedes oben und unten ein kleines Loch. Anschließend ist ihr Inhalt auszublasen und das Innere der Eier mehrmals vorsichtig auszuspülen. Zum Schluss werden sie in der Mikrowelle getrocknet, um jegliche Feuchtigkeit aus ihrer Schale zu treiben. Soweit die Vorbereitung – aber wofür?
Nein, es handelt sich nicht um eine fröhlich österliche Malaktion, sondern um ganz ernsthafte Physik. Die so präparierten Eier dienen nämlich einzig und allein einem Zweck: der systematischen Zerstörung im Dienste der Wissenschaft.
Falk Wittel von der Universität Stuttgart und seine Kollegen interessieren sich nämlich dafür, in wie viele Bruchstücke einer bestimmten Größe ein bestimmter Hohlkörper unter dem Einfluss roher Gewalt zerspringt. Das Ganze hat natürlich einen materialwissenschaftlichen Hintergrund, und Eier eigenen offenbar als gutes Versuchobjekt.
Die brachiale Gewalteinwirkung erfolgt bei den Experimenten entweder von außen oder von innen. Im ersten Fall werden die Eier ganz unkompliziert mit einer Art Zwille gen Boden geschleudert. Im zweiten Fall füllen die Wissenschaftler die Kalkschalen zunächst mit Wasserstoff, sorgen dann für eine vertikale Aufhängung, sodass aus dem oberen Loch der leichte Wasserstoff entweichen kann, der denn auch gleich entzündet wird. Von unten strömt freilich Luft und damit auch Sauerstoff nach. Ein explosives Knallgasgemisch entsteht also im Inneren des Eis. Nun dauert es nicht lang, bis die fragile Schale binnen einer Millisekunde von einer Knallgasreaktion zerrissen wird. Damit die Bruchstücke sich dabei nicht im ganzen Labor verteilen, führen die Wissenschaftler beide Versuche innerhalb einer Plastiktüte durch.
Nun beginnt die Kleinarbeit. Denn alle Fragmente des Eis müssen sorgfältig auf einem Scanner drapiert werden, wobei peinlich genau darauf zu achten ist, dass kein Fitzelchen ein anderes überlappt. Den Rest macht dann der Computer. Anhand des eingescannten Bildes kann er eine Massenverteilung der Bruchstücke ermitteln.
Wittel und Co fanden auf diese Weise, dass die Verteilung beider Experimente einem Potenzgesetz folgt. Das heißt, die Anzahl der Bruchstücke einer bestimmten Masse (oder Größe) ist proportional zur Masse hoch eines negativen Exponenten. Zwischen 0,02 und 1,35 liegt dieser sowohl bei den Aufschlagsexperimenten als auch bei den Explosionen, wobei von den gesprengten Eiern nur Bruchstücke bis zu einer gewissen Masse übrig blieben. Ganz ähnliche Werte lieferte den Wissenschaftlern auch ein Computermodell von aufschlagenden und explodierenden Eiern.
Die Potenzgesetzverteilung an sich ist dabei eigentlich gar nicht so ungewöhnlich. Denn einen solchen Zusammenhang liefern auch andere Experimente, wo nicht Hohlköper, sondern massive dreidimensionale Körper oder zweidimensionale Objekte zersprangen. Einzig die Exponenten sind hier anders: So zersplittern zweidimensionale Gegenstände – ein Fensterglas etwa – mit einem Exponenten zwischen 1,5 und 2, während bei dreidimensionalen Objekten dieser Wert stets größer als 2 ist. Der Bruchmechanismus in Eier muss sich also allein wegen des unterschiedlichen Exponenten von den anderen Gebilden unterscheiden, was vielleicht nicht weiter verwunderlich ist, schließlich besteht ein Ei aus einer näherungsweise zweidimensionalen Schale, ist ansonsten aber ohne Zweifel ein dreidimensionales Objekt.
Neben den Exponenten ließ sich aber noch mehr aus der Verteilung ablesen: die Wucht der Explosion. Denn die Forscher konnten den Explosionsdruck über die Größe der Löcher bestimmen. Je kleiner diese sind, desto weniger Druck kann hierüber entweichen und wirkt stattdessen auf die Kalkschale. Sowohl der Abfall der Fragment-Verteilungskurve sowie die Grenzmasse, ab der keine Bruchstücke mehr existierten, werden durch die Lochöffnung bestimmt. Kurz gesagt: je größer der Explosionsdruck, desto mehr kleine Bruchstücke liegen vor. Und wozu das Ganze?
Die Experimente haben durchaus einen ernsten Hintergrund: So ließe sich beispielsweise allein anhand der Verteilung der Überbleibsel eines verunglückten Flugzeugs klären, ob die Maschine am Boden zerschellt oder in der Luft explodiert ist. Selbst auf die Explosionswucht lässt sich theoretisch zurückrechnen und so möglicherweise entscheiden, ob ein Unfall oder ein Terroranschlag die Ursache gewesen sein könnte.
Aber nicht nur auf Unglücksvorgänge wirft die Bruchstückanalyse etwas Licht. Hans Herrmann aus dem Forscherteam spekuliert, dass sich etwa aus der Fragmentverteilung eines archäologischen Fundstücks erschließen lässt, welche Größe noch fehlende Stücke haben könnten – durchaus eine Information, die Archäologen helfen könnte, ihre mitunter aufwändige Puzzlearbeit zu bewältigen. Schließlich so meinen die Forscher, ist es möglich, dass das Schalenmodell die Massenverteilung nach einer Supernova erklären kann. Kaum zu glauben, welche Informationen ein einfaches Ei liefern kann – denken Sie mal dran beim Osterfrühstück!
Nein, es handelt sich nicht um eine fröhlich österliche Malaktion, sondern um ganz ernsthafte Physik. Die so präparierten Eier dienen nämlich einzig und allein einem Zweck: der systematischen Zerstörung im Dienste der Wissenschaft.
Falk Wittel von der Universität Stuttgart und seine Kollegen interessieren sich nämlich dafür, in wie viele Bruchstücke einer bestimmten Größe ein bestimmter Hohlkörper unter dem Einfluss roher Gewalt zerspringt. Das Ganze hat natürlich einen materialwissenschaftlichen Hintergrund, und Eier eigenen offenbar als gutes Versuchobjekt.
Die brachiale Gewalteinwirkung erfolgt bei den Experimenten entweder von außen oder von innen. Im ersten Fall werden die Eier ganz unkompliziert mit einer Art Zwille gen Boden geschleudert. Im zweiten Fall füllen die Wissenschaftler die Kalkschalen zunächst mit Wasserstoff, sorgen dann für eine vertikale Aufhängung, sodass aus dem oberen Loch der leichte Wasserstoff entweichen kann, der denn auch gleich entzündet wird. Von unten strömt freilich Luft und damit auch Sauerstoff nach. Ein explosives Knallgasgemisch entsteht also im Inneren des Eis. Nun dauert es nicht lang, bis die fragile Schale binnen einer Millisekunde von einer Knallgasreaktion zerrissen wird. Damit die Bruchstücke sich dabei nicht im ganzen Labor verteilen, führen die Wissenschaftler beide Versuche innerhalb einer Plastiktüte durch.
Nun beginnt die Kleinarbeit. Denn alle Fragmente des Eis müssen sorgfältig auf einem Scanner drapiert werden, wobei peinlich genau darauf zu achten ist, dass kein Fitzelchen ein anderes überlappt. Den Rest macht dann der Computer. Anhand des eingescannten Bildes kann er eine Massenverteilung der Bruchstücke ermitteln.
Wittel und Co fanden auf diese Weise, dass die Verteilung beider Experimente einem Potenzgesetz folgt. Das heißt, die Anzahl der Bruchstücke einer bestimmten Masse (oder Größe) ist proportional zur Masse hoch eines negativen Exponenten. Zwischen 0,02 und 1,35 liegt dieser sowohl bei den Aufschlagsexperimenten als auch bei den Explosionen, wobei von den gesprengten Eiern nur Bruchstücke bis zu einer gewissen Masse übrig blieben. Ganz ähnliche Werte lieferte den Wissenschaftlern auch ein Computermodell von aufschlagenden und explodierenden Eiern.
Die Potenzgesetzverteilung an sich ist dabei eigentlich gar nicht so ungewöhnlich. Denn einen solchen Zusammenhang liefern auch andere Experimente, wo nicht Hohlköper, sondern massive dreidimensionale Körper oder zweidimensionale Objekte zersprangen. Einzig die Exponenten sind hier anders: So zersplittern zweidimensionale Gegenstände – ein Fensterglas etwa – mit einem Exponenten zwischen 1,5 und 2, während bei dreidimensionalen Objekten dieser Wert stets größer als 2 ist. Der Bruchmechanismus in Eier muss sich also allein wegen des unterschiedlichen Exponenten von den anderen Gebilden unterscheiden, was vielleicht nicht weiter verwunderlich ist, schließlich besteht ein Ei aus einer näherungsweise zweidimensionalen Schale, ist ansonsten aber ohne Zweifel ein dreidimensionales Objekt.
Neben den Exponenten ließ sich aber noch mehr aus der Verteilung ablesen: die Wucht der Explosion. Denn die Forscher konnten den Explosionsdruck über die Größe der Löcher bestimmen. Je kleiner diese sind, desto weniger Druck kann hierüber entweichen und wirkt stattdessen auf die Kalkschale. Sowohl der Abfall der Fragment-Verteilungskurve sowie die Grenzmasse, ab der keine Bruchstücke mehr existierten, werden durch die Lochöffnung bestimmt. Kurz gesagt: je größer der Explosionsdruck, desto mehr kleine Bruchstücke liegen vor. Und wozu das Ganze?
Die Experimente haben durchaus einen ernsten Hintergrund: So ließe sich beispielsweise allein anhand der Verteilung der Überbleibsel eines verunglückten Flugzeugs klären, ob die Maschine am Boden zerschellt oder in der Luft explodiert ist. Selbst auf die Explosionswucht lässt sich theoretisch zurückrechnen und so möglicherweise entscheiden, ob ein Unfall oder ein Terroranschlag die Ursache gewesen sein könnte.
Aber nicht nur auf Unglücksvorgänge wirft die Bruchstückanalyse etwas Licht. Hans Herrmann aus dem Forscherteam spekuliert, dass sich etwa aus der Fragmentverteilung eines archäologischen Fundstücks erschließen lässt, welche Größe noch fehlende Stücke haben könnten – durchaus eine Information, die Archäologen helfen könnte, ihre mitunter aufwändige Puzzlearbeit zu bewältigen. Schließlich so meinen die Forscher, ist es möglich, dass das Schalenmodell die Massenverteilung nach einer Supernova erklären kann. Kaum zu glauben, welche Informationen ein einfaches Ei liefern kann – denken Sie mal dran beim Osterfrühstück!
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