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News: Von der Staugefahr im Salzstreuer

Getreidesilos verstopfen, die Verladung von Kohle gerät ins Stocken und das Gesichtspuder will nicht in die Dose. In vielen Bereichen der Industrie sind derlei Probleme von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Nun haben Physiker sich dieses Phänomens angenommen und ihm eine mathematische Grundlage gegeben.
Egal, ob am Kamener Kreuz, am Fuße einer Rolltreppe oder in einem Gewürzstreuer, wenn zahlreiche Objekte einem Ziel zustreben, besteht Staugefahr. Eine klassische Ursache für dieses Phänomen ist die trichterförmige Verengung des Querschnitts, durch den sich Autos, Menschen oder Pfefferkörner zwängen müssen. Und da derlei Verstopfungen Zeit kosten, und Zeit Geld ist, wird kräftig nach Lösungen geforscht.

Der pragmatische Ansatz ist ein gezielter Schlag mit dem Vorschlaghammer gegen den Siloauslass, der elegantere bestimmt die Experimente und numerischen Modellierungen von Kiwing To und seinen Kollegen vom Institute of Physics der Academia Sinica in Taipei. Sie simulierten das Problem, indem sie zunächst 200 Edelstahlplättchen mit einem Durchmesser von fünf Millimetern auf einer ebenen Fläche platzierten. Durch das Kippen dieser Ebene bewegten sich die Plättchen auf den trichterförmigen Auslass zu. Je nachdem, wie dieser Trichter beschaffen war – ob er steile oder flache Flanken hatte und ob der Schlitz am Ende breit oder schmal war – stauten sich die kleinen Taler oder flossen reibungslos hindurch. Mithilfe der akribischen Videoaufzeichnung jedes einzelnen Experiments gelang den Forschern schließlich die perfekte Anordnung (Physical Review Letters vom 1. Januar 2001).

Wenn der Schlitz am Ende des Tunnels genau so breit war, wie zwei der Stahlplättchen, war die Verstopfung gleichsam vorprogrammiert. Meist formierten sie sich dann vor der Öffnung zu einem Bogen und stemmten sich so mit aller Kraft gegen die nachfließenden Scheiben. Wenn die Forscher die Schlitzweite vergrößerten, verschwand dieses Phänomen. Bei einer Breite, die dem fünffachen Durchmesser der Plättchen entspricht, lief alles wie am Schnürchen.

Bei der Veränderung der Trichterwinkel zeigte sich, dass es gleichgültig ist, ob die Wände um 34 oder um 60 Grad geneigt sind. Innerhalb dieses Bereiches war die Staugefahr immer die gleiche. Bei steileren Winkeln änderte sich dies indes dramatisch – ein Umstand, den die Arbeitsgruppe von Kiwing To derzeit zu ergründen versucht.

In einem weiteren Schritt simulierten die Forscher ihre experimentellen Ergebnisse auf der Basis des Random Walk-Verfahrens. Dabei sind die Bahnen der einzelnen Stahlplättchen allein vom Zufall bestimmt. Sie bewegen sich auf den Ausgang zu, kollidieren dabei mit anderen oder prallen an die Trichterwände und werden so von der Idealbahn abgelenkt. Für die Randbedingungen von Schlitzweite und Wandwinkel berechneten To und seine Kollegen sodann die Wahrscheinlichkeit einer Verstopfung. Dazu verglichen sie die Häufigkeit, mit der die Plättchen jene Bögen bildeten mit der Anzahl ihrer möglichen Bewegungspfade. Und tatsächlich entsprachen diese Ergebnisse den experimentellen Beobachtungen.

To und Kollegen gehören damit zu den ersten, die dieses Problem auf eine mathematische Grundlage stellten. Noch werten sie ihre eigenen Ergebnisse als bescheidenen Beitrag und sicherlich ist die Welt in einem zig Meter hohen Getreidesilo komplizierter als im Labor. Dennoch könnten ihre Arbeiten die vielfältigsten Bereiche beeinflussen. Und wer weiß, vielleicht kann sich das Städtchen Kamen irgendwann einmal vom Image seines notorisch verstopften Autobahnkreuzes befreien.

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