Autismus-Spektrum-Störungen: Soziale Ängste belasten das Leben mit Autismus am stärksten
Erwachsene mit einer Störung aus dem Autismus-Spektrum weisen einige Besonderheiten auf, die sie von neurotypischen Gleichaltrigen unterscheiden. Typisch sind auffällige Merkmale wie ausgeprägte Spezialinteressen, Reizempfindlichkeit, Abneigung gegen Veränderungen und Kommunikationsprobleme. Die Betroffenen selbst leiden aber besonders unter eher unsichtbaren Problemen wie sozialen Ängsten und Schwierigkeiten, das Verhalten anderer Menschen zu verstehen. Zu diesem Schluss kommt eine britische Forschungsgruppe um Florence Leung von der University of Bath.
300 Versuchspersonen zwischen 18 und 68 Jahren beantworteten einen Fragebogen für Erwachsene, der autistische Merkmale im Lebensverlauf erfasst. Dabei ging es unter anderem um soziale Ängste, sensorische Reaktivität, das heißt die Neigung zu Reizüberflutung und Reizvermeidung, sowie Schwierigkeiten beim Mentalisieren – der Fähigkeit, vom Verhalten eines Menschen auf dessen Gedanken und Gefühle zu schließen. Außerdem wurden unterschiedliche Facetten der Lebensqualität erfragt.
Wie zu erwarten, fiel die Lebensqualität umso geringer aus, je stärker die drei genannten Autismusmerkmale ausgeprägt waren. Am stärksten hing die Lebensqualität jedoch mit sozialen Ängsten zusammen, gefolgt von einem eingeschränkten Mentalisierungsvermögen. Diese beiden Merkmale waren zudem bedeutsamer als weitere psychische Probleme, Arbeitslosigkeit, Beziehungsstatus oder Einkommen. Andere Faktoren wie Alter, Bildungsgrad, Einkommen und eine unabhängige Lebensführung spielten keine Rolle – und ebenso wenig die sensorische Reaktivität.
Vor allem Letzteres überraschte die Forscherinnen und Forscher. Denn frühere Studien, auch an Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen, hatten ebendieses Merkmal im Fokus. Die Korrelation zwischen sensorischer Reaktivität und Lebensqualität verschwand aber in der Datenauswertung, wenn die Probleme beim Mentalisieren statistisch schon berücksichtigt waren. Offenbar habe die sensorische Reaktivität keinen eigenen Einfluss, sondern nur vermittelt über Mentalisierungsprobleme, vermuten die Autoren. Das könne vielleicht an einer beeinträchtigten Verarbeitung von sozialen Hinweisreizen liegen. Sie empfehlen, ihre Befunde mit objektiven Methoden wie zum Beispiel Verhaltensbeobachtungen zu überprüfen.
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