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Migration des Menschen: Wenige Asiatinnen sind Ahnen der Madagassen

Die Besiedlung Madagaskars ist verwirrend: Offenbar kamen die Vorfahren der Einheimischen von Westen wie aus Fernost. Neue Genanalysen können das nun besser erklären.
Madegassin

Gerade einmal drei Hand voll indonesischer Migrantinnen könnten die Urmütter aller heute einheimischen Madagassen gewesen sein, meinen Forscher um Murray Cox von der Massey University in Neuseeland. Die Wissenschaftler gelangen nach vergleichenden Genomanalysen zu diesem Schluss und hoffen ein Rätsel gelöst zu haben, das sich seit langer Zeit um die menschliche Besiedlungsgeschichte der afrikanischen Insel rankt.

Das Wann und Wie der Kolonisierung Madagaskars gilt vor allem deswegen als ungeklärt, weil genetische und kulturelle Belege einerseits darauf hinweisen, dass die Insel vom afrikanischen Festland aus besiedelt wurde, andererseits aber Genanalysen und sprachwissenschaftliche sowie ethnografische Spuren immer wieder auch auf einen eindeutig ostasiatisch-indonesischen Ursprung der Madagassen hingewiesen haben. Cox und Kollegen haben nun die bislang umfangreichste genetische Studie mit fast 3000 von Indonesiern sowie rund 300 von madagassischen Ethnien stammenden Genomproben durchgeführt. Dies erlaubte den Wissenschaftlern nicht nur Verwandtschaftstrends zu erkennen, sondern auch viel genauere Rückschlüsse über den Zeitpunkt der Besiedlung Madagaskars und die ungefähre Größe der Gründerpopulationen zu erhalten.

Die Analysen belegen einen ausgeprägten »Gründereffekt«: In einigen aus Indonesien bekannten Abschnitten des Mitochondriengenoms (das nur von der Mutter vererbt wird) finden sich Veränderungen, die fast ausschließlich auf Madagaskar vorkommen, dort dafür aber weit verbreitet sind. Am wahrscheinlichsten erklärt die Daten ein Szenario, nach dem um 830 n. Chr. wenige, vielleicht nur rund 30 indonesische Frauen auf die Insel gelangt sind.

Indonesien war damals von dem maritim expansiven Reich der Srivijaya beherrscht – vielleicht hatte eine kleine Gruppe von Händlern Madagaskar erreicht und einen Außenposten gegründet. Allerdings ist nicht belegt, dass Frauen zu dieser Zeit Handelsseereisen unternahmen, zudem gründeten die Indonesier nach derzeitiger Kenntnis auch keine derart entlegenen Außenposten. Womöglich, so spekulieren die Forscher weiter, waren die Urahnen der heutigen Madagassen bei einer Seereise schlicht durch Strömungen und widrige Winde von ihrer Route abgekommen und gen Afrika getrieben. Ähnliche Schicksale kennt man sogar aus der Moderne: Die vorherrschenden Verhältnisse ließen im Zweiten Weltkrieg Wracks oder Rettungsboote häufig von Sumatra und Java aus nach Madagaskar treiben.

Die indonesischen Gründerinnen – und einige indonesische Männer, die ihr Schicksal geteilt haben – trafen nach Lage der Dinge dann jedoch recht rasch auch auf Afrikaner, die vom Kontinent auf die Insel gekommen waren: Sie trugen den afrikanischen Part zum typischen Gengemisch und einige afrikanische Lehnwörter bei. In der Sprache der Einwohner – dem Malagasy – blieb jedoch der austronesische Einfluss aus Südostasien bestimmend.

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